Brilon. Wie erkennt man sie, wie geht man damit um? Dipl.-Psychologin Dr. Elisabeth Weinrich (Brilon) erklärt, was eine Borderline-Störung ist.

Vollständig heilbar oder therapierbar? Wenn ja, wie? Diplom-Psychologin Dr. Elisabeth Weinrich erklärt, was eine Borderline-Erkrankung ist und wie eine solche Persönlichkeitsstörung entstehen kann. Die Fachfrau hat nach dem Studium zunächst als Schulpsychologin, später als Psychotherapeutin in einer Suchtklinik gearbeitet. Als selbständige psychologische Psychotherapeutin war sie in einer Praxis im Westerwald, dann in Bocholt tätig und ist und seit 1996 bis heute in Brilon niedergelassen. Ihre Approbation erfolgte 1999.

Erklären Sie bitte, was eine Borderline-Erkrankung ist und wie vielfältig die Erscheinungsformen sein können?

Menschen, die von der Borderlinestörung - man sagt auch „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline Typus (BPS)“ - betroffen sind, leiden unter extremen Gefühlsschwankungen. Sie haben das Gefühl anders zu sein, tragen sich mit Suizidgedanken und Selbstverachtung. Typisch ist ein Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Gefühlen, die sich zu extremen Gefühlsschwankungen bis hin zu gewalttätigen Ausbrüchen steigern können. Dieses führt dazu, dass im zwischenmenschlichen Bereich keine längerfristigen Beziehungen aufrechterhalten werden können. Die betroffene Person steht unter einer ständigen Anspannung, was selbstverletzendes Verhalten, Suizidgedanken und -handlungen auslösen kann. Alkohol- und Drogenmissbrauch kommen als Symptom oft noch hinzu, da die Person versucht, sich über diese Substanzen zu beruhigen.

Lesen Sie auch:Hackerangriff im HSK: Autohäuser stehen vor Riesenproblemen

Wie entsteht eine solche Persönlichkeitsstörung?

Diese Persönlichkeitsstörung entsteht in der Kindheit. Das Kind erlebt Traumata. Es befindet sich in einer Atmosphäre der ständigen Bedrohung und Verunsicherung. Das Kind entwickelt ein negatives Selbstbild. Die Selbstablehnung geht bis hin zur Selbstverachtung. Man traut sich nichts zu, ist nicht in der Lage, auch nur kleinere Problem zu lösen. Ständige Angst begleitet diesen Menschen. Ein starker Wunsch nach Nähe und Bestätigung entsteht. Beziehungen können allerdings aufgrund der Störung nicht als befriedigend erlebt oder aufrechterhalten werden.

Es braucht Zeit und Energie, sich aus den alten Mustern zu lösen und neue konstruktive aufzubauen.
Dr. Elisabeth Weinrich, Dipl. Psychologin

Wie macht sie sich bemerkbar, ab welchem Punkt ist es angeraten, etwas dagegen zu tun?

Je früher Maßnahmen ergriffen werden, umso besser. Das heißt: Sobald der/die Jugendliche wahrnimmt, dass etwas nicht stimmt, sollte er/sie sich um Hilfe bemühen. Was dieses „Etwas“ ist, spielt keine Rolle: Das können immer wiederkehrende starke Ängste, aggressive Ausbrüche, selbstschädigendes Verhalten, ständige Streitereien, Misserfolge, entwertendes Denken von sich selber, zu viel Alkohol- oder Drogenkonsum sein. All das sind Warnzeichen, die zum Handeln auffordern.

Dr. Elisabeth Weinrich.
Dr. Elisabeth Weinrich. © WP | Ulrich Landgraf

Ist die Erkrankung therapierbar (heilbar?), wenn ja, wie?

Diese Störung gehört zu den schweren psychiatrischen Erkrankungen. Es liegen heutzutage allerdings eine Menge Möglichkeiten vor, die BPS zu behandeln. Schnelle Lösungen gibt es nicht. Es braucht Zeit und Energie, sich aus den alten Mustern zu lösen und neue konstruktive aufzubauen. Die Kombination von stationärer mit anschließender ambulanter Therapie stellt eine erfolgsversprechende Möglichkeit dar. Oftmals ist auch eine medikamentöse Unterstützung sinnvoll. Für viele Betroffene hat sich die Anwendung der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) bewährt. Die DBT basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, schließt auch Achtsamkeit und Körpertherapie mit ein. Ob diese Erkrankung komplett heilbar ist, vermag ich nicht zu sagen. Allerdings weiß ich, dass die Betroffenen es lernen können, ein zufriedenes Leben zu führen.

Mehr zum Thema: Was uns Angst macht

Sind die Ausprägungen bei Frauen anders als bei Männern?

Bisher galt die BPS als typisch weibliche Störung. Mittlerweile konnte gezeigt werden, dass die BPS in der Bevölkerung bei Männern und Frauen in etwa gleich häufig vorkommt. Typisch weiblich oder männlich unterschiedliche Ausprägungen kann ich in meiner Arbeit mit diesen Patient:innen nicht finden. Bedeutsamer erscheint es meiner Meinung nach, sich auf die Ursachen der Erkrankung zu konzentrieren, an den Wurzeln zu arbeiten: die Traumatisierung in der Kindheit, das komplett negative Selbstbild zu lösen und zu löschen, ein positives Selbstbild aufzubauen.

Drei Tipps, wie ich vorgehen muss, wenn ich das Gefühl habe, die Ängste im Alltag beherrschen mich, ich neige zu impulsiven Handlungen und ich beginne mit einem selbstverletzenden Verhalten.

Lesen Sie auch:Wie Sportskanone Marvin Bürger seine Krankheit besiegt hat