Hochsauerlandkreis/Marsberg. Wenn die Schäferhunde des chinesischen Botschafters in gute Hände sollen, kommt der Tierschutzverein Marsberg ins Spiel. Der hat Nachwuchssorgen:
Wenn ein Gesangverein keinen Nachwuchs mehr bekommt, dann verstummt er eines Tages. Das ist bedauerlich und hinterlässt eine große Lücke im Vereinsleben. Was aber passiert, wenn ein Tierschutzverein vor ähnlichen Problemen steht und langsam überaltert? Wer kümmert sich dann um herrenlose, oftmals geschundene und vernachlässigte Vierbeiner? Wer gibt ihnen eine Stimme? So derartig akut ist das Problem in Marsberg noch nicht. Aber die Sorge treibt Elke Heinemann und ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen seit geraumer Zeit um. Vor 27 Jahren hat Heinemann den Tierschutzverein aus der Taufe gehoben. „So langsam habe ich ein Alter erreicht, wo ich die Arbeit in jüngere Hände legen möchte. Ich will gern weiterhin helfen und unterstützen. Aber es wäre gut, wenn wir uns neu aufstellten und weitere, auch jüngere Mitglieder gewinnen könnten.“
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Gerade einmal 110 Mitglieder hat der Verein – kaum einer kommt aus dem Sauerland. Die meisten sind bundesweit verstreut, weil auch die Hilfe der Marsberger keine Stadt-, Länder- oder Kontinent-Grenzen kennt. Elke Heinemann ist von Anbeginn an die Gallionsfigur der Marsberger Tierschützer, managt viel, lernt aber auch nach und nach zu delegieren. Um sie herum gibt es einen „harten, operativen Kern“ von zehn Mitgliedern. Was ihr Nachfolger/ihre Nachfolgerin oder auch weitere Mitstreiter/innen mitbringen müssten, lebt sie vor: tierlieb, resolut, hartnäckig, manchmal unbequem, aber immer verständnisvoll für Mensch und Tier.
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Spezialfall Schäferhunde
Schäferhunde haben es ihr besonders angetan. „Früher wurden sie oft angeschafft, um an der Kette oder in einer zugigen Hütte gehalten zu werden. Diese Generation von Hundehaltern stirbt, Gottseidank, langsam aus“, sagt sie. Aber einmal mit falscher Hand geführt, kann der Schäferhund zum Problem werden. „Wenn dann eine Familie in ein Tierheim kommt, dann steht er nicht als Erster schwanzwedelnd hinter dem Gitter und bietet sich seinen neuen Leuten an. Er ist frustriert, sitzt in der Ecke und vielleicht knurrt er auch.“ Und er bleibt oft Dauergast im Heim.
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Mit „Annika“ und „Bomber“, zwei Schäferhunden, fängt damals 1994 auch alles an. Über Nacht verlässt in Marsberg ein Gewerbetreibender sein Unternehmen, hinterlässt jede Menge Schrott und zwei Hunde. Elke Heinemann führt damals das Büro im familieneigenen Heizungs- und Sanitärbetrieb. Sie wohnt mit Mann und vier Kindern in der Nähe dieses Unternehmens und informiert das Tierheim. Das muss unverrichteter Dinge wieder abrücken, weil die Hunde auf Fremde aggressiv reagieren und als Wachhunde gehalten wurden. Die Kurzfassung: Die Heinemanns freunden sich mit den Tieren an, die Hündin ist trächtig und bringt sechs Welpen zur Welt. Bei der Suche nach geeigneten Familien für die Tiere merkt Elke Heinemann, wie schwierig das ist und welche Verantwortung das bedeutet. Alle Hunde finden ein neues Zuhause, einer bei den Heinemanns und damit nimmt das Ganze seinen Lauf.
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Schäferhunde sind das besondere Steckenpferd des Tierschutzvereins Marsberg. Landauf, landab verweisen Tierheime und Behörden an die Marsberger, wenn es wieder einmal darum geht, dieser besonderen Rasse ein neues Zuhause zu geben. Aber die Tierschützer unterscheiden nicht nach Rasse, Herkunft oder Alter. Oft ernten sie Kritik dafür, man möge nicht noch Problemfälle aus anderen Ländern nach Deutschland holen. Aber auf dem Ohr ist Elke Heinemann taub. Da ist zum Beispiel „Blanka“. Fast verhungert. Sie liegt in Bulgarien im Gras an einer viel befahrenen Straße. Neben ihr die toten Welpen. Ein Autofahrer hält an, bringt sie zum Tierarzt, der knüpft über andere Kontakte nach Marsberg, wo der Tierschutzverein für die Behandlungskosten aufkommt, den Transport nach Deutschland regelt und die Vermittlung organisiert. Da sind Hunde, die aus Tötungsstationen gerettet werden und über Umwege bei den Marsberger Tierschützern landen. Da sind Wachhunde in einem großen Betrieb, die an der Kette gehalten und in einer windschiefen Hütte schlafen müssen, krebskranke Ziegen, die die Besitzer ausgesetzt haben, weil sie die Behandlungskosten scheuen, Rinder die bei Eiseskälte knöcheltief im Dreck stehen und, und, und.
Kurios: Als vor einigen Jahren der chinesische Botschafter in Deutschland stirbt, kümmert sich der Tierschutzverein Marsberg um die beiden Schäferunde WuFu und DaLan.
„Wir können das Leiden von Tieren nicht ignorieren“
„Wir können das Leiden von Tieren nicht ignorieren, egal wo immer sie sich befinden. Wir können es nicht ertragen, wie sie sich quälen und verenden. Aber alles kostet Geld, für Nahrung und Tierarzt. Wir unterstützen Kastrationen und Impfungen im jeweiligen Herkunftsland. Wir sind oft verzweifelt, weil wir nicht so unterstützen, wie wir es müssten. Aber wir versuchen es, auch wenn es manchmal kaum auszuhalten ist. Wir werden weiter versuchen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen“, schreibt Elke Heinemann in einem ihrer Rundbriefe. Wo sie früher mit Plakaten und Flyern um Unterstützung geworben hat, kommen heute Internet, facebook und andere soziale Netzwerke zum Einsatz. All das kann Elke Heinemann nicht auch noch leisten. „Eine Freundin in Frankfurt unterstützt mich dabei.“
Anders als viele andere Tierschutzorganisationen haben die Marsberger kein eigenes Tierheim. Das war lange Zeit ein großer Wunschtraum. „Die Stadt Marsberg hat uns nur hingehalten. Auch unter Einbeziehung des Petitionsausschusses in Düsseldorf hat sich außer vagen Versprechungen nichts bewegt, so dass der Eindruck entstand, dass eine Auffangstation für Tiere nicht erwünscht war, obwohl es die Stadt Marsberg keinen Euro gekostet hätte. Hätten wir heute eine solche Auffangstation für Tiere, sähe es auch personell anders aus. Jetzt ist das Thema durch“, sagt Elke Heinemann. Daher tritt der Tierschutzverein oft nur als Mittler auf. Er hat private, ehrenamtliche Unterstützer an der Hand, die Tiere bis zu ihrer Vermittlung zu Hause aufnehmen. Der Verein kommt dabei für Futter- und Tierarztkosten auf. Außerdem gibt es aber auch noch professionell betriebene Tierpensionen, bei denen die Schützlinge der Marsberger vorübergehend kostenpflichtig untergebracht werden. Diese Pflegestellen sind bundesweit verortet. „Manchmal muss ein Hund bis nach Bayern oder hoch zur Nordsee gebracht werden. Mal machen wir das selbst. Es gibt aber sogar professionelle Hunde-Taxis, die diese Aufgabe übernehmen.“
Ein Leben für den Tierschutz
Finanziell braucht so ein Verein immer Geld. Tierarztkosten gehen schnell in die Höhe. Aktuell wurde bei einem jungen Schäferhund ein überproportional großes Herz festgestellt. Die Untersuchung bei einem Kardiologen steht noch aus. Oft müssen schwerwiegende Erkrankungen durch schlechte Tierhaltung operativ behandelt werden. „Wir haben Unterstützer im Hintergrund, die nicht genannt werden möchten, die unsere Arbeit aber sehr wertschätzen und uns immer wieder helfen. Wir stehen durchaus auf gesunden finanziellen Füßen. Aber jeder neue Einsatz im Tierschutz kann auch schnell hohe Kosten verursachen“, sagt Elke Heinemann.
Ein Leben für den Tierschutz – dieses Attribut beschreibt mit Fug und Recht das Engagement der Marsbergerin, die sich Sorgen um den Verein, um ihr Lebenswerk, macht. „Mir liegen nicht nur die jungen und gesunden Hunde am Herzen. Ich finde, dass auch ältere Tiere noch eine Chance verdient haben.“ Wie vielen Vierbeinern Elke Heinemann und der Tierschutzverein Marsberg wieder „auf die Beine“ geholfen haben, wie oft sie im Gerichtssaal oder auf Bauernhöfen um das Recht für Tierwohl gestritten hat – darüber hat sie nie Buch geführt. Dass das Buch Tierschutzverein Marsberg fortgeführt wird, das ist allerdings ihr größter Wunsch.
Wer sich für die Mitarbeit im Verein interessiert: Weitere Infos unter www.tierschutz-marsberg.de oder Telefon: (0 29 94) 908 372, Mobil: (0 15 1) 191 117 17.