Brilon. Es zeigt den massiven Mangel: 50 Meter lang ist die Warteschlange vor der Praxis von Dr. Redenbach. Patienten warten Stunden auf ihre Aufnahme.

Mit Dr. Wilhelm Redenbach eröffnete am 2. Oktober ein neuer Hausarzt seine Praxis in den ehemaligen Räumlichkeiten von Dr. Bäuerlein an der Keffelker Straße 4. Mit dem immensen Mangel an Hausärzten in Brilon war ein großer Zulauf schon absehbar, doch am Tag der Praxiseröffnung reiht sich stundenlang eine lange Schlange vor der Praxis auf. Der Briloner Bürgermeister Dr. Christof Bartsch sieht Licht am Ende des Tunnels nach der Eröffnung der Praxis.

Bestimmt 50 Meter lang reihen sich die Briloner vor der Praxis auf dem Bürgersteig ein

Der Andrang vor der Praxis von Dr. med. W. Redenbach in Brilon ist enorm.
Der Andrang vor der Praxis von Dr. med. W. Redenbach in Brilon ist enorm. © WP/Boris Schopper | WP/Boris Schopper

Montag, 8.20 Uhr. Schätzungsweise 40 Meter lang ist die Schlange, die beim Praxiseingang beginnt und sich vorbei an dem Restaurant um die Ecke die Keffelker Straße hinab bildet. Viele Menschen stehen mit Ordnern oder Umschlägen, ihren Gesundheitsakten, unter dem Arm an. Manche telefonieren, manche begleiten ältere Angehörige und stützen sie beim Warten. Schnell geht es nicht voran. Auch eine Stunde später, gegen 9.30 Uhr, ist die Schlange nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Bestimmt 50 Meter lang reihen sich die Menschen auf dem Bürgersteig ein und warten geduldig. Der Parkplatz vor Takko-Fashion ist voll belegt.

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Beide Abschiede hatten Brilon in eine hausärztliche Unterversorgung gestürzt

Dr. Wilhelm Redenbach füllt mit seiner Praxiseröffnung die große Lücke, die der beliebte Hausarzt Michael Reiß nach seinem Tod hinterlassen hat und ersetzt zugleich Dr. Bäuerlein, der im Sommer in Rente gegangen ist. Beide Abschiede hatten die Stadt in eine hausärztliche Unterversorgung gestürzt, die deutlich in den noch übrigen Praxen spürbar gewesen ist.

Für Brilons Bürgermeister Dr. Christof Bartsch ist Niederlassung von Dr. Redenbach ein kleiner Hoffnungsschimmer: „Die lange Schlange am heutigen Morgen vor der Praxis von Dr. Redenbach zeigt deutlich, wie groß der Bedarf an allgemeinmedizinischer Versorgung in Brilon ist. Wir arbeiten weiter mit Nachdruck an weiteren Niederlassungen und sehen auch weiter Licht am Ende des Tunnels“, so der Bürgermeister auf Anfrage der Westfalenpost.

Unterversorgung mit Hausärzten in Brilon: Versorgungsquote bei 73,2 Prozent

In Brilon besteht die Gefahr einer Unterversorgung mit Hausärzten, da die Versorgungsquote bei 73,2 Prozent (Stand Mai 2023) liegt. Eine Unterversorgung wird angenommen, wenn der Versorgungsgrad in einem Planungsbereich unter 75 Prozent im hausärztlichen Bereich oder unter 50 Prozent im fachärztlichen Bereich liegt. Der Versorgungsgrad ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen der Anzahl der vorhandenen Arztsitze und der Anzahl der benötigten Arztsitze, die sich aus dem Bedarf der Bevölkerung ergibt. In Brilon gibt es derzeit 18,25 Ärzte bei 39.713 Einwohnern im Einzugsgebiet. Aktuell könnten sich noch ganze 9,5 Ärzte in Brilon ansiedeln, bis die Quote zu 100 Prozent erfüllt wäre.

Fördermaßnahmen von Stadt und KVWL

Die Ansiedlung von Ärzten in Brilon wird durch verschiedene Maßnahmen gefördert, die von der Stadt Brilon und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) angeboten werden. Die Stadt Brilon gewährt zum Beispiel eine einmalige finanzielle Förderung in Höhe von 25.000 Euro für die Neuniederlassung, Übernahme einer bestehenden Zulassung oder Einrichtung einer Zweigpraxis im Stadtgebiet. Diese Förderung ist an eine Bindung an den Standort in Brilon von fünf Jahren geknüpft.Auch die KVWL bietet Fördermöglichkeiten an.

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Ärzte, die sich in den auf dem Förderverzeichnis geführten Städten und Gemeinden, wie Brilon, niederlassen möchten, können beim Vorstand der KVWL einen Antrag auf besondere Unterstützungsmaßnahmen stellen. Dazu gehört beispielsweise die Gewährung von Darlehen zum Praxisaufbau oder zur Praxisübernahme. Diese müssen nur zu einem geringen Teil zurückgezahlt werden, wenn die Förderempfänger mindestens drei Jahre in der ärztlichen Versorgung tätig sind. Die Übernahme von Kosten (Einrichtungskosten) und die Gewährung von Umsatzgarantien sind weitere Beispiele für die Förderung. Mit dieser Maßnahme soll eine mögliche Unterversorgung frühzeitig vermieden, die Altersstruktur verbessert und der Versorgungsgrad in den betroffenen Gebieten erhöht werden.

Alter der Ärzte über dem Durchschnitt

Ein weiteres Problem in Brilon besteht darin, dass 47 Prozent der Ärzte in Brilon über 60 Jahre alt sind, teilt die KVWL auf Anfrage der Westfalenpost mit. Dies liegt deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Orte im Versorgungsgebiet der KVWL, der bei 40 Prozent liegt. Prognosen der KVWL zufolge wird die Versorgungsquote bis 2030 weiter sinken: Den zu erwartenden Abgängen von 9,5 Stellen stehen nur 5,11 Stellenäquivalente gegenüber. Es droht eine Versorgungsquote von 59,3. Im Vergleich zu anderen Städten in NRW steht Brilon damit schlecht da.

Brilonerin: „Der Arme! Wird sofort von allen überrannt (verständlich).“

Der neue Hausarzt Dr. Wilhelm Redenbach mit seiner Frau Petra, die als Orga-Talent im Hintergrund die Fäden zieht. Außerdem ist sie als Heilpraktikerin und Diabetologie-Beraterin tätig. 
Der neue Hausarzt Dr. Wilhelm Redenbach mit seiner Frau Petra, die als Orga-Talent im Hintergrund die Fäden zieht. Außerdem ist sie als Heilpraktikerin und Diabetologie-Beraterin tätig.  © WP | Franz Köster

Die Eröffnung zumindest stößt auf positive Resonanz, wird aber auch mit Sorge betrachtet. So schreibt Anna Stiegler via Facebook: „Der Arme! Wird sofort von allen überrannt (verständlich). Ich wünsche ihm einen guten Start in Brilon.“ Iris Althoff, ebenfalls eine Kommentatorin bei Facebook, bringt den allgemeinen Gedanken auf den Punkt: „Ich brauche dringend einen Hausarzt.“ So wie ihr geht es vielen Brilonern, die nach zwei Praxisschließungen ohne Hausarzt auskommen mussten. Zuletzt hatten zahlreiche Menschen in Kauf genommen, weitere Strecken Richtung Willingen anzutreten.

Mehr als drei Stunden in der Warteschlange

„Ich stand drei Stunden und 40 Minuten in der Schlange!“, schreibt zum Beispiel WP-Leserin Nermin Degirmenci über ihre Anstrengungen auf den Facebook Seiten der Westfalenpost Brilon. Bei Anika Cramer ging es etwas schneller: Ich hab endlich ein neuen Hausarzt.. drei Stunden mit kaputten Fuß draußen gewartet für Aufnahme“, schreibt Cramer. Nutzer Eike Hengsbach befürchtet, dass die Plätze von denjenigen beansprucht werden, die sie eigentlich gar nicht benötigten: „Klar ist jeder wünscht sich einen Arzt vor Ort und verdient auch jeder, aber manche Personen, die einmal alle zwei Jahre eine Grippe haben, gefühlt nie einen Arzt benötigen und dazu noch mobil sind (dann nach Olsberg etc. ausweichen könnten in den seltenen Fällen) verhalten sich so als hätten sie Vorrang. Heute oft genug in der Stadt beim Einkaufen erlebt“, so Hengsbach.

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Er stellt die Grundsatzfrage: „Was ist mit chronisch kranken Patienten, die nicht mobil sind und die mehr auf einen Platz in einer Praxis vor Ort angewiesen sind?!“Seiner Ansicht nach, sei die Stadt gefordert: „Die Stadt muss mehr (oder überhaupt etwas) unternehmen das hier Ärzte aufs Land kommen. Keine Idee eines sogenannten Ärzte-Busses, die mal aufkam, deckt den Bedarf!“, so Hengsbach.

Die Bundeswehr lockte Briloner Dr. Redenbach für zwei Jahre

Dr. Wilhelm Redenbach hat sich für einen Neuanfang entschieden. Geboren in Brilon, hat er eine bemerkenswerte Reise hinter sich. Nach seinem Abitur 1973 am alten Petrinum, tauschte er die Schulbank gegen die Pflegestation und arbeitete als Krankenpflegerhelfer in Bigge. Die Bundeswehr lockte ihn für zwei Jahre, doch die Universität Münster zog stärker. Dort absolvierte er sein Studium in der Regelstudienzeit von zwölf Semestern. Dr. Redenbachs medizinische Karriere begann in einer Klinik in Wuppertal, bevor er nach Dortmund wechselte. 32 Jahre lang behandelte er Patienten in seiner eigenen Praxis in Dortmund. Dort lernte er seine Frau Petra kennen, die ihn auch heute noch als Praxismanagerin unterstützt und als Diabetologie-Beraterin und Heilpraktikerin ebenfalls im medizinischen Bereich tätig ist.