Brilon. In den Sozialen Netzwerken gibt es Kritik an der Stadt wegen des dramatischen Hausarztmangels. Die Stadt stellt nun neun konkrete Maßnahmen vor.

Seitdem klar ist, dass die Stadt Brilon auf einen drastischen Hausarztmangel zusteuert, muss sich die Stadtverwaltung mit scharfer Kritik auseinandersetzen. Zahlreiche Kommentare in den Sozialen Medien aber auch Nachrichten an die Presse oder bei Gesprächen auf dem Marktplatz werfen der Stadt vor, man habe sich nicht schnell genug gekümmert, nicht genug gemacht. Es sei doch klar gewesen, dass die Ärzte nun alle Richtung Rentenalter tendieren, dass die Praxen schließen würden. Wieso ist die Stadt nicht tätig geworden rufen die Kritiker. Bürgermeister Dr. Christof Bartsch reagiert auf WP-Anfrage mit einer Einladung zu einem persönlichen Treffen. Ein Zeichen, wie ernst er die aktuelle Situation nimmt. Im Rathaus am großen Tisch im kleinen Sitzungssaal dann zeigt er offen, dass die zum Teil heftige Kritik ihn berührt. Im Gespräch mit Ludger Weber, Geschäftsführer der MVZ GmbH, Bianca Funke von „KommaufsLand.Arzt“ sowie Clemens Mund spricht er mehr als eine Stunde über die Entwicklung der vergangenen Jahre, über die tragischen Ereignisse die zur aktuellen Lage beigetragen haben und erklärt, was die Stadt derzeit tut, um Ärzte konkret nach Brilon zu holen – und das ist tatsächlich eine Menge, denn Christof Bartsch betont: „Ich will kein Gerangel über Zuständigkeiten, aber wir fühlen uns zuständig – aus einer Sorge heraus.“

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1. Ein neuer Arzt ist schon gefunden

„Wir konnten Dr. Gerhard Vormann aus Olsberg gewinnen“, erklärt Ludger Weber. Gerhard Vormann sei zwar schon über 70 Jahre alt, allerdings habe er Lust weiterzuarbeiten. Für das MVZ tut er dies nun in der Praxis in der Schulstraße, sodass dort nun 1,5 Hausarztstellen betrieben werden.

2. Gute Rahmenbedingungen schaffen

„Wir sind ohne weiteres bereit, mehr Sitze innerhalb der MVZ zu betreiben“, bestätigt Ludger Weber. Sei ein Arzt interessiert, eine Praxis in Brilon zu betreiben, sei es sogar vorstellbar, dass er dies als Angestellter des MVZ tun könne und somit keinerlei administrative Aufgaben bewältigen muss, während die Räume vom MVZ angemietet werden. „Solche flexiblen Lösungen denken wir individuell mit“, sagt auch Clemens Mund. Eine Anstellung bei der MVZ ist auch deshalb sehr attraktiv für angehende Ärzte, weil sich die Arbeitszeiten in einem üblichen Rahmen bewegen und die Rahmenbedingungen für eine gute Work-Life-Balance schaffen.

3. Direkten Kontakt zu möglichen Ärzten suchen

„Wir sind in Kontakt mit Ärzten, die auch in den Universitäten vernetzt sind“, sagt Clemens Mund. Es sei wichtig, direkt in den Universitäten ins Gespräch zu kommen, diese würden das Praktizieren auf dem Land nämlich nicht aktiv bewerben.

4. „KommaufsLand.Arzt“

Bianca Funke erklärt: „Wir machen im Rahmen des Projektes Marketingmaßnahmen via Social Media, schalten Anzeigen bei Google, produzieren Youtube-Videos.“ Über das Marketing hinaus sei man durch das Projekt in Kontakt mit den Studenten, vermittele kostenfreie Zusatzkurse am Briloner Krankenhaus und bringe so die Region näher an die angehenden Mediziner. „Wir nehmen uns für unsere Studenten regelmäßig Zeit, um ihnen die Stadt und touristische Ziele hier in der Nähe zu zeigen.“ Funke betont, dass man darauf setze, dass die Studenten untereinander netzwerken und so zusätzlich Werbung für Brilon machen würden.

5. Der Weiterbildungsverbund

Die Stadt Brilon ist aktiv im Weiterbildungsverbund „Komm aufs Land.Arzt.“ Hier nimmt nicht nur das Krankenhaus teil, sondern auch Briloner Praxen.

6. Das Gesamtkümmererpaket

Sollte ein Arzt Interesse an einer Niederlassung in Brilon haben, bietet die Stadt umfassendste Hilfe an. Bartsch: „Wir suchen einen Kitaplatz für die Kinder, wir helfen einen Arbeitsplatz für die Partner zu finden, wir suchen bei Bedarf eine Wohnung und stellen den Kontakt zu Vereinen her, um den Anschluss hier zu gewährleisten.“

7. Die Briloner Förderrichtlinie

Das Gesamtkümmererpaket reiche bei weitem noch nicht aus. „Wir haben im letzten Jahr eine eigene Förderrichtlinie beschlossen – neben der Förderung, die auch die KVWL zur Verfügung stellt“, sagt Bartsch. Bianca Funke erklärt: „Wir vergeben 25.000 Euro, die nicht an einen Verwendungszweck gebunden sind und nicht zurückgezahlt werden müssen, an angehende Ärzte, die sich in Brilon niederlassen wollen. Die Bedingung ist, dass sie mindestens 5 Jahre in der Stadt bleiben und einen Versorgungsauftrag von 25 Stunden in der Woche erfüllen.“

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8. Das Medizinstipendium

Im HSK wird ein Medizinstipendium verteilt, 500 Euro monatlich geht an Studenten. Diese absolvieren ihren praktischen Teil des Studiums dann im HSK. „Wir sind in Kontakt mit den Stipendiaten“, sagt Ludger Weber.

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9. EVA

Ludger Weber erklärt, man bilde derzeit im MVZ mindestens eine Medizinische Fachangestellte als arztentlastende Versorgungsassistentin aus. „Diese kann dann auch Hausarztbesuche übernehmen und so die angespannte Lage zusätzlich entlasten“, so Weber.

Und sonst?

Es entwickelt sich, aber konkrete Neuigkeiten gibt es noch nichts. „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels, ich kann aber leider noch nichts spruchreifes dazu sagen“, erklärt Christof Bartsch.