Brilon. Mehrere Naturschutzvereine und Bürgerinitiativen wenden sich mit einem Brandbrief an Entscheidungsträger und fordern ein Umdenken bei der CDU.

Mehrere Naturschutzvereine und Bürgerinitiativen aus dem Sauerland, darunter NABU und BUND, haben sich Ende Juni in einem Brandbrief an Ministerpräsident Wüst, Regierungspräsident Bökelühr, Landrat Dr. Schneider und die CDU-Politiker des Hochsauerlandkreises gewandt.

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Protest gegen Ausbau-Pläne

Sie protestieren gegen den geplanten Ausbau der Windenergie und fordern ein Umdenken in der Energiepolitik. Die Unterzeichner warnen vor den Folgen für die Landschaft, das Klima, die Wirtschaft und die Wählergunst. Die Verfasser reagieren damit auf eine Potentialanalyse des LANUV, die für den HSK bis 2030 bis zu 339 neue Windkraftanlagen aufweist. „Größere Potenziale befinden sich im Leitszenario Energieversorgungsstrategie insbesondere im Sauerland und im südlichen Bereich des Regierungsbezirks Detmold […],“ heißt es in der Studie.

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Forderung: Mehr Transparenz

Die Unterzeichner schreiben, dass der Ausbau der Windenergie „die Orte und Dörfer spaltet und das Feuer der Protestbewegungen schürt“. Sie befürchten, dass die CDU bei den kommenden Wahlen in ihrem Stammland „zu einem bösen Erwachen“ kommen könnte, wenn sie nicht umgehend handele. Sie werfen der CDU vor, nur die Profiteure der Energiepolitik zu vertreten und die traditionellen, konservativen Wähler zu verprellen. „Traditionelle, konservative CDU-Wähler sprechen inzwischen offen von Abwanderungsplänen zu anderen Parteien. Das sollten Sie endlich ernst nehmen!“, heißt es in dem Brief.

Forderung: Mehr Information und Transparenz

Die Absender verlangen mehr Information, Transparenz und Beteiligung bei den Planungen und Entscheidungen. „Diese Aufgabe haben Sie allzu häufig aus der Hand gegeben und den örtlichen Naturschutzvereinen überlassen. Organisieren Sie entsprechende Dialog- und Informationsplattformen für eine echte Bürgerbeteiligung. Aufklärung, Transparenz, Offenlegung der Planungen und Entscheidungen sind essenziell für die gewünschte Akzeptanz!“, schreiben sie. Sie appellieren an die christliche Verantwortung, die Schöpfung zu bewahren, und erinnern an die rechtliche Verpflichtung, 30 Prozent Schutzgebiete auszuweisen. „Klimaschutz schaltet zur Zeit den Umwelt- und Naturschutz nahezu aus. Damit wird das Ziel zur Farce! Nicht nur aufgrund des christlichen Ansatzes, die Schöpfung zu bewahren, stehen Sie persönlich in der Pflicht, das Sauerland vor der kompletten Industrialisierung zu schützen, sondern auch rechtlich durch die Unterzeichnung des Abkommens von Montreal, 30 Prozent Schutzgebiete auszuweisen. Wo sollen diese Schutzgebiete, wo sollen CO₂-Senken sein, wenn die Windindustrie bereits alle Flächen, v.a. auch den Wald als einen der letzten naturnahen Räume, besetzt? Die Vorgaben sind verbindlich,“ heißt es in dem Brief.

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Kritik an Abschaffung der 1000-Meter-Abstandsregel

Die Unterzeichner kritisieren auch die Abschaffung der 1000 Meter-Abstandsregel für Windräder, die sie als Bruch des CDU-Wahlversprechens sehen. Sie befürchten, dass das 1,8 Prozent-Ziel für den Anteil der Windenergie im Sauerland zu einer flächendeckenden Bebauung der Höhenzüge führen wird. „Die Umsetzung des 1,8 Prozent-Ziels wird dazu führen, dass im Sauerland fast jeder Hügel, jeder Berg beplant und bebaut werden wird. 1,8 Prozent klingt wenig, aber Tallagen, Gewässer, Siedlungen, Industriegebiete etc. fallen raus, so dass die Wälder und die Kulturlandschaft des Sauerlandes geopfert werden müssen.“, schreiben sie.

Gewarnt wird vor den negativen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, den Hochwasserschutz, den Tourismus und die Arbeitsplätze in der Region. „Durch die Verdichtung und Versiegelung vor allem des Waldbodens in großem Ausmaß wird seine Funktion Wasser zu speichern empfindlich gestört. Dürren und Hochwasserereignisse nehmen eben nicht nur durch den Klimawandel zu! Hochwasserschutz beginnt nicht in den Tälern! Die Bürger, die im Sauerland wohnen, sind zwingend auf kluge Planungen der Wasser- und Bodenwirtschaft angewiesen. Sie als gewählte/r Vertreter/in haben dafür eine besondere Verantwortung übertragen bekommen. Die letzten Gewitter haben gezeigt, dass normale Gewitterschauer bereits Keller überfluten.“

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Negative Folgen für Tourismus befürchtet

Befürchtet wird, dass der Tourismus und die davon abhängigen Branchen wie Gastronomie, Einzelhandel oder Sanierung Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft verlieren werden. Aufgeworfen wird die Frage, wo die Menschen Urlaub machen wollen, wenn die Erholungsräume der Wälder und Wanderstrecken durch die Industrialisierung mit Windenergieanlagen (WEA) entfallen. Zumindest Letzteres wird, wie berichtet, von der IHK in Arnsberg teilweise in Frage gestellt, die im Juni eine Akzeptanzuntersuchung zu diesem Thema vorgestellt hat. Etwa 80 Prozent der Übernachtungsgäste und Tagesausflügler des Sauerlandes stünden einem Ausbau der Windkraft aufgeschlossen gegenüber, so die IHK.

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IHK-Einschätzung

„Die Interessen von Windkraft und Tourismus sind vereinbar, wenn bei der Standortwahl nach dem Prinzip des geringsten Eingriffs in den Landschaftsraum verfahren wird“, erläutert IHK-Geschäftsbereichsleiter Thomas Frye. Intakte Waldflächen, allen voran die Laub- und Mischwälder, sollten windkraftfrei bleiben. Stattdessen gelte es, dem Windkraft-Ausbau auf Freiflächen in der offenen Landschaft, auf unbewaldeten Höhenzügen und eben auf den Wald-Schadensflächen im wahrsten Sinne des Wortes Raum zu geben“, so Frye.

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