Bredelar/Pazifik. Die Geschichte dieses Sauerländers geht um die Welt: Simon Fischer segelt auf dem Pazifik, als die Yacht sinkt. Er schildert dramatische Stunden.
- Simon Fischer aus Bredelar ist mit einer Crew auf einem Segelboot mitten auf dem Pazifik, als ein Wal sie rammt.
- Das Schiff sinkt innerhalb von 18 Minuten – die Mannschaft rettet sich auf ein Rettungsboot, nachdem sie einen Funkspruch abgegeben haben.
- Stundenlang treibt der Sauerländer mit seiner Crew auf dem Meer, sie warten auf Rettung. Es sind dramatische Stunden.
Simon Fischer aus Bredelar sitzt mit dem Rest der Crew am Montag Nachmittag im Cockpit der „Raindancer“ beim Pizza-Essen. Die Stimmung ist ausgelassen, sie sind mit sechseinhalb Knoten bei gutem Wind im Südpazifik in Richtung Französisch-Polynesien unterwegs und haben noch 1200 Seemeilen vor sich. Plötzlich lässt ein dumpfer Schlag den Rumpf der Segelyacht erzittern: sie sind mit einem Wal kollidiert. Simon sieht das Tier noch abtauchen und eine Blutlache im Meer, als die Alarmsignale der Geräte losschrillen - das Schiff ist schwer beschädigt. Nur 18 Minuten später versinkt die „Raindancer“ spurlos im Ozean.
Innerhalb weniger Minuten läuft das Schiff mit Wasser voll
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Was wie ein Abenteuerfilm klingt, erlebt der 26- Jährige aus Bredelar hautnah mit. Der Backpacker ist eines der vier Crew-Mitglieder, die an Bord der „Raindancer“ sind, unterwegs von den Galapagosinseln nach Französisch-Polynesien. Über ein Onlineinserat hatte der Kapitän Rick Rodriguez eine Crew für eine Pazifiküberquerung gesucht - seitdem ist Simon an Bord. Sie haben mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als die ca. 13 Meter lange Yacht am Montag, 13. März gegen 14 Uhr plötzlich mit einem Wal zusammenstößt. „Wir hatten sehr gute Bedingungen und waren Richtung Westen unterwegs, es war super Stimmung. Dann gab es plötzlich eine Erschütterung. Im ersten Moment wusste keiner, was los war. Bis Alana aus der Crew plötzlich rief: ‘We hit a whale!’ - Wir haben einen Wal getroffen!“ Simon fühlt sich wie in einem Alptraum: „Das war absolut surreal. Mein erster Gedanke war, dass ich das nur träume. Dass es einfach nicht sein kann, dass das jetzt gerade passiert.“
Durch zentimetergroße Risse im Propellerschacht dringt das Wasser ein. „Es ging ziemlich rasant bergab. Ich erinnere mich an das Piepen der Bilgepumpen, sofort ging der Alarm für den kritischen Wasserstand an. Ich hab den Motorenraum abgecheckt, überall war Wasser.“ Die Bilge, der tiefste Punkt des Bootes, sei innerhalb von Minuten vollgelaufen, auch aus der Kapitänskajüte im hinteren Teil des Schiffs sei extrem viel Wasser gekommen. „Dann hat Rick gesagt, dass wir von Bord gehen müssen. In der Sekunde wurde es erst richtig real für mich. Es war klar, dass wir das Boot nicht retten können.“
Die Crew muss das Schiff aufgeben - es folgen dramatische Stunden
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Als nächstes bringen Simon und seine beiden Crew-Kolleginnen Alana und Bianca alles, was sie mitnehmen müssen, ins Cockpit, während Rick das Rettungsboot vorbereitet und einen Notruf absetzt. Simon erinnert sich: „Rick hat dann ‘Mayday!’ gerufen und ‘Wir haben einen Wal getroffen, wir sinken!’. Über ein Lokalisationssystem wurde die amerikanische Küstenwache alarmiert.“ Solange die elektronischen Pumpen noch funktionieren, füllen sie so viel Trinkwasser wie möglich von den großen Tanks an Bord in Flaschen, Kanister und Töpfe: „Alles, was wir finden konnten, haben wir befüllt. Wir wussten nicht, wie lange wir auf See treiben würden.“ Hinzu kommen zwei Taschen voller Lebensmittelkonserven und ein Notfallrucksack mit zusätzlichem Wasser, Medikamenten und einem kleinen VHF-Radio.
Währenddessen steht ihnen das Wasser schon bis zu den Knien. „Ich konnte meine persönlichen Sachen nicht mehr sichern, habe nur ein paar Langarm-Shirts und Kappen als Sonnenschutz gegriffen.“ Ausgerüstet mit dem Nötigsten steigen sie in das Rettungsboot. Dazu gehören auch die wichtigsten elektronischen Geräte, ein Satellitentelefon, ein Iridium-Modem, Stirnlampen und eine Powerbank: „Die Geräte waren leider nicht komplett aufgeladen, es war ja mitten am Tag: Das Iridium hatte noch etwa 28 Prozent Akku und die Powerbank noch einen Balken. Das war eine knappe Geschichte.“ Für Angst sei in der Situation jedoch kein Raum gewesen: „Ich war voller Adrenalin. Wir waren alle hellwach und wussten, was zu tun wahr. Rick hat uns die besten Anweisungen gegeben und uns durch seine blitzschnelle Reaktion aus dem Schockmoment rausgezogen. Von da haben wir als Team unglaublich gut funktioniert. Angst war nicht da.“
Acht Stunden treiben sie im Rettungsboot auf dem offenen Meer
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Innerhalb von 18 Minuten ist die „Raindancer“ vollständig gesunken. Von da an sitzen die vier Crewmitglieder in dem Rettungsboot und einem kleinen Beiboot, die sie miteinander verzurren. Acht Stunden treiben sie auf dem Meer, bis sie von der „Rolling Stones“, einer anderen Yacht, gerettet werden. Bis dahin ist es längst Nacht geworden. „Das war schon ein seltsames Gefühl: Vorher hatte man dieses schwere große Boot, das Sicherheit gab, und dann das lebensrettende Floß, das sehr wackelig war. Wie eine halb aufgepumpte Luftmatratze.“ In den Stunden, die das Team auf dem Rettungsboot ausharrt, bleiben alle gelassen: „Wir wussten, dass uns innerhalb von zwei Tagen jemand finden würde. Wegen der Welt-ARC-Rally, die gerade stattfindet, waren mindestens 26 Boote auf der gleichen Route zur gleichen Zeit unterwegs wie wir. Das war für uns einfach wichtig, diese Gewissheit: Wir werden in spätestens ein oder zwei Tagen gerettet.“ Diese Erfahrung habe Simon aber auch gezeigt, was ihm persönlich wichtig ist: „Ich habe da viel an meine Familie zuhause gedacht und gehofft, dass ich da wieder hinkommen und alle wiedersehen kann.“
Aktuell befinden sich die Schiffsbrüchigen noch an Bord des Katamarans „Rolling Stones“ und reisen weiter nach Französisch-Polynesien, wo sie planmäßig innerhalb der nächsten zwei Tage ankommen werden. Für Simon ist noch nicht klar, wie es dann weitergeht: „Ursprünglich wären wir mit der Raindancer noch drei Monate durch die Inseln gesegelt. Wir überlegen noch, was wir jetzt machen.“ Als nächstes wolle er aber weiter nach Tahiti, um dort in der Deutschen Botschaft einen neuen Pass zu bekommen, damit er nach Hause fliegen kann. „Da muss ich dann erstmal meine Papiersachen und die verlorenen Gegenstände wieder zusammenstellen.“
Die Tage auf See nach dem Unglück sind schwer: Kein Vertrauen mehr in das Meer
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Bis zur Ankunft im Hafen bleibt der 26-Jährige jedoch vorerst noch auf See. Eine Situation, an die er sich erst wieder gewöhnen musste: „Mir geht es jetzt schon deutlich besser. Die ersten zwei Tage waren stressig, auch der psychische Stress war hoch.“ Er habe sich zuerst an Bord nicht mehr sicher gefühlt: „Auf einmal war das ganze Vertrauen in das Meer und in das Boot weg. Die ersten zwei Tage auf dem neuen Schiff waren wir immer in Alarmbereitschaft, mein Puls war hoch. Aber das ist jetzt wieder besser, ich fühle mich wieder deutlich wohler auf dem Ozean.“
Was er erlebt hat, hat Simon nachhaltig geprägt: „Die Menschen, die uns hier aufgenommen und uns geholfen haben, all die Menschen, die uns unterstützt haben, Verwandte und Freunde, an die wir gedacht haben: All das hat mir einfach gezeigt, wie sehr mein Leben mit anderen Menschen verknüpft ist und wie wertvoll Freundschaften und Gemeinschaften sind. Wie selbstverständlich die Menschen für einander einstehen und einander helfen.“ Er habe die Erfahrung gemacht, dass man sich auf die Hilfsbereitschaft anderer verlassen kann, wenn es wirklich darauf ankommt. Das ist auch etwas, dass er weitergeben möchte: „Für diese Hilfsbereitschaft sollte man immer dankbar sein und das sollte man immer auch zurückgeben.“