Hochsauerland/Leitmar. War Katharina Geiser aus Leitmar die älteste Frau der USA? Das behauptet eine amerikanische Tageszeitung. Eine spannende Recherche aus dem HSK:
Stammt die älteste Frau der USA tatsächlich aus Leitmar? Heutzutage wäre eine solche Fragestellung ein Klickbringer im Internet. Vor 140 Jahren hatte das weltweite Netz die Medienlandschaft noch nicht auf den Kopf gestellt. Aber es gab Zeitungen. Und eine Lokal-Gazette aus dem Bundesstaat New York berichtete 1883: „Katharina Geiser stirbt im Alter von 110 Jahren – Ohne Zweifel: die älteste Person in den Vereinigten Staaten“.
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Auf Spurensuche
Und eben diese Katharina Geiser stammt aus dem Raum Marsberg. Wolfgang Meier vom Kulturbüro Sauerland ist auf Spurensuche gegangen. Nachzulesen ist die Geschichte im „Jahrbuch Hochsauerlandkreis 2023“.
Hobbymäßig geht Meier, der aus Giershagen stammt und in Olsberg lebt, immer wieder mal auf Stammbaum-Recherche. „Wenn man damit einmal anfängt, vergisst man die Zeit“, sagt er. Und dabei stößt er eines Tages auf den Namen „Geiser“, auf ihren Grabstein in den USA und auf jenen Zeitungsartikel, der so beginnt: „Letzten Freitagmorgen gegen 6 Uhr auf der Allegany Road unterhalb der Rennstrecke im Haus von Joseph Geiser hat Mrs. Maria Katrina Geiser das letzte Mal geatmet. Sie hat das beachtliche Alter von 110 Jahren erreicht Sie wurde im Jahr 1773 geboren. Monat und Tag sind nicht bekannt in dem Dorf Leidmar, Westfall, Kreis Brelon, Prussia und ist damit drei Jahre älter als die Vereinigten Staaten.“
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Ob jene Sauerländerin nun tatsächlich 110 Jahre alt geworden ist oder ob es doch nur 108 waren, wie auf dem Grabstein vermerkt, oder vielleicht auch nur 97, wenn man genau nachrechnet – all das ist heute nicht mehr ganz so einfach nachzuvollziehen. „Normalerweise ließe sich das anhand von Kirchenbüchern recherchieren. Aber Leitmar hatte zu der Zeit weder eine Kirche noch einen Pfarrer und gehörte zur Gemeinde Heddinghausen. Meier: „Wir wissen aber, dass besagte Maria einen Adam Geise(r) geheiratet haben soll. Da war sie aber erst 48 und nicht 59, wie es bei einer Geburt 1773 hätte sein müssen.“ Letztlich ist das aber auch zweitrangig.
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Thema Auswanderung
Denn über die Nachforschungen zu der Frau streift der Beitrag von Wolfgang Meier im Jahrbuch ein ganz anderes und sehr spannendes Thema: das der Auswanderer: Die Mitte des 19. Jahrhunderts war geprägt von Hunger und wirtschaftlichem Tiefststand. Etwa 52 Millionen Menschen verließen Europa, 32 Millionen davon in Richtung USA. Dabei stellten Deutsche die zahlenmäßig größte Gruppe unter ihnen. Wolfgang Meier: „Maria Kathrine Geiser war weder jung noch gut gebildet. Wenn man davon ausgeht, dass sie um 1784 geboren wurde war sie 1850 bereits über 65 Jahre alt - somit nach heutigen Maßstäben im Rentenalter. Die Lebensverhältnisse im Sauerland und speziell in Leitmar müssen in diesen Jahren sehr besorgniserregend gewesen sein. Maria lebte anscheinend bei der Familie ihres Stiefsohnes (…). Zusammen mit anderen Familien fassten sie den Beschluss zur Auswanderung. Mit vier minderjährigen Kindern und der betagten Stiefmutter nahmen sie den beschwerlichen und gefährlichen Weg auf sich.“
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Typisch Sauerland
In den USA landeten sie schließlich in Wyoming County, im Nordwesten des Staates New York. Denn dort lebten bereits mehrere Familien mit Namen wie Todt, Trilling, aber auch Geise, die ebenfalls aus Leitmar und Umgebung stammten. Zwei weitere, in der neuen Heimat geborene Kinder, vervollständigten das Familienglück.
„In ihrem Alter noch die Mühen und Risiken auf sich zu nehmen und sich an ein neues Land und eine andere Sprache zu gewöhnen, erforderte eine Menge Mut und Durchsetzungsvermögen. Maria hat das mit Bravour gemeistert und das bis zu einem Alter von fast hundert Jahren. Damit wurde sie zwar nicht die älteste Frau der USA. Ein für die damalige Zeit abenteuerliches mit vielen Veränderungen verbundenes, sehr langes Leben hat sie aber allemal geführt“, schreibt Wolfgang Meier.
39. Ausgabe des Jahrbuches
Das Jahrbuch erscheint in seiner 39. Ausgabe. Herausgeber ist der Landrat des HSK; Verlag und Vertrieb liegen in den Händen des Podszun-Verlages in Brilon. Verantwortlich für den Inhalt sind Kreisarchivarin Susi Frank und Wolfgang Meier (Kulturamt). Dort können sich auch Autoren/Autorinnen melden, die bei der nächsten Ausgabe mitmachen möchten.
Das thematische Spektrum des 143 Seiten starken Buches (Preis: 14,90 Euro), reicht von Zukunftsperspektiven für den Wald im HSK, über eine Standortbestimmung der Polizei bis zum ersten Röntgenzug, zur psychiatrischen Versorgung im Hochsauerlandkreis und zur Bobbahn Winterberg im Olympiaglanz.
Noch einmal zu jenem Zeitungsartikel von 1883, der immerhin gute 50 Zeilen lang ist. Frei übersetzt ist dort zu lesen: „ Mrs. Gaiser war immer eine hart arbeitende, fleißige Frau. Nichts schien ihr ein größeres Vergnügen zu bereiten, als trotz ihres hohen Alters auf dem Feld im Heu mit den Männern zu arbeiten. Sie war von freundlicher und sanfter Natur und war nicht nur bei ihren Freunden und Nachbarn beliebt, sondern ganz besonders bei ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln. Alle, die sie kannten, trauern aufrichtig um sie.“ Ein Nachwort, das auf fast jeden Sauerländer auch heute noch zutreffen würde.