Winterberg. Eine Studie warnt davor, dass wegen der Krise Innenstädte wie Winterberg ausbluten. Eine Umfrage unter Händler spiegelt die Stimmung wieder.
Laut einer aktuellen Studie der Beratungsfirma Cima sieht es düster aus für deutsche Innenstädte. Mit 20 Prozent weniger Besucher als in der Zeit vor Corona kalkulieren die Autoren, weil immer weniger kaufkräftige Bürger in die Geschäfte kämen. Dabei drohe ein Ausbluten der Innenstädte. Auch in Winterberg macht man sich unter den Geschäftsleuten Gedanken. Denn aufgrund der Ukrainekrieg, der steigenden Inflation und die allgemeine Unsicherheit der Verbraucher könnte das Geld bei vielen Bürgern nicht mehr so locker sitzen, befürchten viele.
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Hoffnung auf schneereiche Skisaison
Alexandra Brenne verkauft in ihrer Liftstation in der Hauptstraße in Winterberg, einem Snowboard- und Skateshop, modische und stylishe Kleidung. Auch die 40-Jährige hat bemerkt, dass im Moment weniger Kunden in ihrem Geschäft unterwegs sind. Die Krisenstimmung mache sich auch bei ihren Kunden bemerkbar. Doch so ganz negativ möchte sie nicht nach vorne blicken. Denn die Skisaison stehe ja erst noch bevor, sagt sie. Dennoch mache sie sich schon ihre Gedanken: „Noch kann man ja nicht viel sagen, aber ich rechne schon mit einem schwächeren Winter als vor der Pandemie“, sagt sie. Hauptsächlich Touristen kämen in ihren Laden, um sich beispielsweise mit neuen Hosen oder Skibekleidung zu versorgen. Deshalb hoffe sie auf eine gute und schneereiche Skisaison. Zumal bei ihr die Sommersaison auch „in Ordnung“ gewesen sei. „Eigentlich bin ich ganz positiv gestimmt“, sagt sie zum Abschied.
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Sorge vor dem Ungewissen
Angela Nieder von der Buchhandlung WortReich sagt, dass es grundsätzlich schwierig sei, sich über Wasser zu halten. Dennoch sei in ihrem Geschäft während der Sommerferien „gut was los gewesen“. Sie hoffe deshalb, dass sich die Krise nicht weiter verschlimmere. „Trotzdem machen wir uns schon Sorgen, was da noch auf uns zu kommt“, sagt sie
Ein paar Meter weiter in der Straße Am Waltenberg, kümmert sich Stefanie Laven um ihre Kunden. Sie arbeitet als Verkäuferin im Modeladen Camel Active Store - einer Franchisefiliale. Die schlechtere Konsumstimmung bemerke sie deutlich. „Wir machen uns Sorgen, denn das Kaufverhalten hat sich bei einigen schon sehr verändert. Manche versuchen schon zu Handeln“, sagt sie. Man spüre förmlich, dass die Leute Sorge vor dem Ungewissen hätten. Auch die Art der Urlauber habe sich verändert. „Das ist ein ganz anderes Publikum als früher. Viele kommen mittlerweile nur noch zum Gucken in unseren Laden“, sagt Laven. Die Menschen hätten zunächst Angst wegen Corona gehabt, nun seien es die stark gestiegenen Energiepreise, die die Menschen beschäftigten. „Die fragen sich auch, wie viel mehr sie im nächsten Jahr zahlen müssen“, sagt Laven.
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Dessousgeschäft trotzt der Krise
Der 58-jährige Frank Mitzerschling ist Verkäufer bei IS-Moden. Im Moment sei eigentlich viel los, berichtet er. Bis Ende Oktober sei das aber normal. Erst ab November flaue das Publikumsinteresse bis zur Skisaison etwas ab. „Zu uns kommen viele Touristen und kaufen auch. Doch die schauen immer öfters und genauer auf das Preisschild“, sagt er. Dafür habe er aber Verständnis. Denn die meisten hätten schon jetzt die Abbuchungen im kommenden Jahr vor Augen. Die Krise sei dabei immer auch ein großes Thema bei der Kommunikation mit den Ladenbesuchern. „Früher haben wir über das Wetter gesprochen, jetzt sprechen wir über die steigenden Energiekosten“, berichtet der Modeverkäufer. Er selbst habe keinerlei Existenzängste.
Die 48-jährige Schmallenbergerin Anke Gerling betreibt das Dessous- und Wäschegeschäft West 15c Lingerie. Sie spüre von der momentanen Krise in ihrem Geschäft wenig bis gar nichts. Das habe einen Grund. Denn ihre Artikel seien nun mal zum allergrößten Teil Bedarfsartikel des täglichen Lebens. „Ich habe nicht nur hochpreisige Dessous im Angebot, sondern auch einfach normale Wäsche“, sagt sie. Trotzdem bemerke auch sie, dass die Kunden verstärkt nach den preisgünstigeren Angeboten fragen würden. Doch Gerling sieht die Krise zunächst erst einmal weiterhin gelassen. „Existenzangst? Nein! Man braucht uns. Außerdem haben wir Corona geschafft. Dann schaffen wir das jetzt auch“, sagt sie.
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Seit 2020 im Krisenmodus
Die Pressesprecherin der Stadt Winterberg, Rabea Kappen, verweist darauf, dass sich Winterberg bereits seit 2020 im Krisenmodus befinde. Dennoch sei die Stimmung bei den Einzelhändlern während einer Versammlung Mitte August noch optimistisch gewesen, wenn gleich Energiekrise und Konsumzurückhaltung den Geschäftsleuten Sorge bereite. „Mit einem Ausbluten unserer Innenstadt rechnen wir nicht, da wir bereits seit Jahren gemeinsam mit Stadtmarketingverein, Einzelhändlern und Immobilienbesitzern daran arbeiten, mit Veranstaltungen und Maßnahmen Frequenz in die Innenstadt zu bringen“, sagt Kappen.
Im Gegensatz zu anderen Städten habe Winterberg keine Hilfsgelder der Bundesregierung erhalten. Deshalb sei man dem Land Nordrhein-Westfalen dankbar rund 300.000 Euro an Förderung aus dem Sofortprogramm Innenstadt bekommen zu haben. Ein großer Teil hieraus fließe in die Winterberger Innenstadt. Mit der Förderung können man Ladenlokale anmieten und günstig weitervermieten. Die Förderung habe unter anderem den Weiterbetrieb der Postfiliale in Winterberg ermöglicht, so die Pressesprecherin.
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Auch werde die Winterberger Innenstadt in den nächsten Wochen weiterhin unter anderem durch 21 neue „Winterberg Bänke“ aufgewertet. Alle Maßnahmen zielten darauf ab, die Aufenthaltsqualität der Innenstadt zu steigern und damit auch Einzelhandel und Gastronomie zu unterstützen.
Bürgermeister Michael Beckmann verweist darauf, dass die Stimmungslage bei den Einzelhändlern noch optimistisch sei. Trotzdem bleibe man bei seiner Forderung an den Bund, das Energiekostendämpfungsprogramm so anzupassen, dass auch die kleinen mittelstädtischen Unternehmen wie zum Beispiel Bäckereien, gastronomische Betriebe und der Einzelhandel berücksichtigt werden. „Gerade diese Unternehmen sind es, die unsere Innenstädte so lebendig und attraktiv machen“, sagt Beckmann