Brilon. Nico Klassen hat sich eine Alternative zu illegalen Autorennen überlegt und bringt Viertel-Meilen-Rennen nach Brilon. Grund ist ein Todesfall.
Rückblickend bezeichnet Nico Klassen es als eine Sucht. Die Gier nach Schnelligkeit. Der Wille den Kontrahenten zu besiegen. Mit 15 Jahren gab es die ersten Berührungspunkte mit illegalen Straßenrennen. Damals war er noch auf dem Mofa unterwegs und schaute aus sicherer Distanz zu, aber die Faszination war da, als die aufgemotzten Boliden in einem Industriegebiet in Hamm Rennen fuhren. Kaum 18 und den Führerschein in der Hand, ging er zwei Tage später erstmals selbst an den Start. Der Eintritt in eine Welt, die sein Leben nachhaltig veränderte, Verlust mit sich brachte und den Wunsch etwas Gutes zu tun.
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„Es hatte mich einfach gepackt. Das ist schwer zu beschreiben. Vielleicht ist es wie bei einem Drogenabhängigen, der auf der Suche nach dem nächsten Schuss ist“, sagt Klassen. Sein erstes Rennen verlor er. Der ausgeliehene Wagen vom ahnungslosen Vater reichte nicht, aber der Jungspund wollte besser werden, holte sich Tipps vom KFZ-Meister bei dem er in der Lehre war.
Die Gedanken kreisen schon um das nächste Rennen
Alles drehte sich um Rennen fahren. Dienstags begannen schon die Überlegungen für die Duelle am kommenden Wochenende. Anderthalb Jahre lang war die Geschwindigkeit der Lebensmittelpunkt des gebürtigen Hammer. Bis zu jenem Tag, als ein Freund mit einem Motorrad ein Rennen fuhr. Klassen sah ihn nicht und hörte stattdessen nur ein Geräusch, das falsch klang und sich bis heute in sein Gedächtnis eingebrannt hat. Wie ein Schneeball, der gegen ein Verkehrsschild prallt. Was nach gefrorenem Wasser klang, war in Wirklichkeit der Kinnschutz des Helmes. Klassens Freund starb an diesem Tag und mit ihm das Bedürfnis weiter das Gaspedal tief durchzudrücken.
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„Ich stand da und fragte mich, warum mache ich das?“ Er gewann Abstand zur Szene, beschäftigte sich aber als Kfz-Mechaniker weiter mit Autos, las Zeitschriften und erfuhr so von Viertel-Meilen-Rennen in Amerika. Ende der 90er Jahre war es für den heute 42-Jährigen schwierig diese Duelle auf Flugplätzen auch in Deutschland möglich zu machen, aber mit der Zeit reifte die Idee bis zum ersten Rennen 2007 in Höxter. 402 Meter im Kampf gegen die Zeit, einen Freund oder einen fremden Kontrahenten. Die Premiere sorgte für viel Zulauf.
Verkehrsunfälle mit Autorennen verhindern
Klassen möchte so Verkehrsunfälle verhindern, Leute in der Szene wachrütteln, zeigen, dass es Alternativen gibt in einem geschützten Umfeld ohne potenziell unschuldige Beteiligte, die zu Schaden kommen könnten. „Aber drei bis vier Veranstaltungen im Jahr decken diese Sucht nicht ab. Aber vielleicht hält es den ein oder anderen davon ab, Rennen auf der Straße zu fahren“, hofft der Veranstalter von EFR-Germany, der seit 2009 auch jährlich Rennen in Brilon möglich macht. Am 13. und 14. August erwartet der Veranstalter am LSV-Brilon Flugplatz circa 3000 Besucher und viele Fahrer.
Der Staat setzt auf Abschreckung. Nach der Häufung tödlicher Unfälle durch illegale Autorennen hatte die Bundesregierung im Oktober 2017 das Gesetz verschärft. Rasen ist seitdem keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat: Nach Paragraf 315d drohen nun bis zu zehn Jahre Gefängnis, Autos können eingezogen werden. Laut Klassen zeigt das keine Wirkung und brachte keine Veränderung. Zu gering sei der Kontrolldruck, zu viele Ressourcen seien nötig, um Autobahnen und umliegende Straßen für Raser unattraktiv zu machen.
Nico Klassen hat das Rasen hinter sich gelassen
Klassen kann dem Geschwindigkeitsrausch hinter dem Steuer nichts mehr abgewinnen und bleibt lieber in einer Zuschauerrolle. „Für mich ist die Sache gegessen. Ich habe es 2010 noch mal am Nürburgring probiert, aber nach der Hälfte der Strecke hatte ich mich schon mehr aufs Zuschauen und die Wurst vom Grill gefreut. Die Fahrerei hat mir nichts mehr gegeben. Heute sagt meine Freundin zu mir, dass ich einen Lkw auch ruhig überholen kann, wenn ich wieder hinter einem her rolle.“