Winterberg. Eine Studie zeigt, dass Windräder keineswegs Touristen abschrecken. Doch die Winterberger Politik hat da deutlich unterschiedliche Ansichten:

Die Stadtverwaltung Winterberg unter der Führung von Bürgermeister Michael Beckmann betont seit längerer Zeit, dass der Ausbau von Windkraftanlagen dem Tourismus vor Ort schaden würde. Eine aktuelle Studie ist nun zu anderen Ergebnissen gekommen. Doch Beckmann überzeugen die Ergebnisse nicht. Die SPD dagegen sieht sich in ihrer Position bestärkt.

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SPD-Mann Lars Hiob
SPD-Mann Lars Hiob © SPD Winterberg

Fast jeder fünfte Tourist sieht den Ausbau der Windkraft in der Urlaubsregion Sauerland kritisch. Das geht aus einer von der Industrie- und Handelskammer Arnsberg in Auftrag gegebenen Befragung hervor. Positiv ausgedrückt: Etwa 80 Prozent der Übernachtungsgäste und Tagesausflügler stehen einem Ausbau der Windkraft aufgeschlossen gegenüber.

„Wir begrüßen, dass die IHK Arnsberg diese Studie beauftragt hat, da damit zum ersten Mal konkrete Daten zu Tourismus und Windenergie im Sauerland erhoben wurden“, kommentiert Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), die Studienergebnisse, „für den weiteren unverzichtbaren Ausbau der Windenergie in NRW sind die Flächen im Sauerland und in Südwestfalen absolut notwendig.“ Die Studie bietet nach seiner Einschätzung der künftigen Landesregierung „einen starken Rückhalt“ für den weiteren Windkraftausbau gerade im Sauerland, wo die Installation neuer Windturbinen zuletzt deutlich geschwächelt.

Bürgermeister zeigt sich skeptisch

Bürgermeister Michael Beckmann
Bürgermeister Michael Beckmann © Stadt Winterberg

Die Bewertung von Studien, Umfragen und Untersuchungen seien dagegen immer auch eine Frage der Perspektive, teilt Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann auf Anfrage mit. Deshalb könne man die Ergebnisse der Untersuchung auch anders bewerten. Der Bürgermeister rechnet vor: Wenn 68 Prozent der Befragten bestätigen, dass es ihr Reiseverhalten im Sauerland nicht beeinflusse, wenn sich Windkraftanlagen an Aussichtspunkten, Rad- und Wanderwegen oder in der Nähe von Talsperren befinden würden, hieße das nach Lesart des Bürgermeisters auch, dass das Reiseverhalten von 32 Prozent beeinflusst würden. „Fakt ist auch, kommen nur 20 Prozent weniger Gäste ins Sauerland nach Winterberg, bedeutet dies zum Beispiel 20 Prozent weniger Umsatz für die touristischen Unternehmen, damit 20 Prozent weniger Arbeitsplätze in diesen Unternehmen und am Ende auch 20 Prozent weniger Einnahmen für die Stadt“, sagt Beckmann.

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Und das sei für eine Stadt wie Winterberg, die auch von den Erträgen aus dem Bereich Tourismus lebt, eine weitere große Herausforderung. „Das haben wir erst bei Corona leidvoll feststellen müssen. Diese Umsätze fehlen dann konkret zum Beispiel für die wichtigen Investitionen in Schule und Bildung, in die Infrastruktur und Digitalisierung, die in den nächsten Jahren anstehen. Ich sehe nicht, wie wir einen solchen Ausfall finanziell kompensieren können“, so Beckmann.

Er verstehe natürlich, wenn ein Landesverband für Erneuerbare Energien gerade jetzt eine eigene Bewertung dieses Gutachtens in seinem Sinne vornehme. Das sei sein gutes Recht. „Ich habe aber eine durchaus differenziertere Sicht auf die Dinge und bin gerne bereit, die Expertise als Bürgermeister einer touristisch geprägten Stadt in die Diskussion sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene einzubringen“, so Bürgermeister Michael Beckmann.

SPD sieht sich bestätigt

Dagegen ist die Sicht der SPD auf das Gutachten eindeutig: Man könne sich als Stadt Winterberg nicht ewig der Energiewende verschließen und „Mauern“, schreibt der Pressesprecher der Stadtratsfraktion, Lars Hiob. Es reiche einfach nicht, schwerpunktmäßig nur auf Photovoltaik zu setzen, wie es Bürgermeister Michael Beckmann in der Vergangenheit immer propagiert habe, so Hiob. Mit den Plänen zum Einsatz von Photovoltaikanlagen sei die SPD-Fraktion zwar d’accord. Die zusätzliche Förderung privater Anlagen habe man folglich einstimmig mitgetragen. Außerdem habe man vor geraumer Zeit einen Antrag gestellt, alle öffentlichen Gebäude auf die Eignung hinsichtlich Photovoltaik zu prüfen.

Timo Bundkirchen
Timo Bundkirchen © CDU Winterberg

Die Photovoltaik sei allerdings nur eine „Säule der regenerativen Energien“. Man dürfe sich nicht auf den drei geplanten Windrädern in Altenfeld ausruhen, heißt es in dem Statement. Für die SPD Winterberg gehöre zur Energiewende eben auch die Windkraft. „Wir begrüßen es, dass es mit dem Gutachten der IHK Arnsberg nun schwarz auf weiß zu lesen ist und vermuten, dass eher die konservativen Lokalpolitiker und Lokalpolitikerinnen Ängste haben als vermeintlich die Touristen selbst. Denn rund 80 Prozent der touristischen Gäste befürworten auch an Ihrem Urlaubsziel, dem Sauerland, die Windkraft als Träger erneuerbarer Energie und stehen dem Thema positiv gegenüber“, schreibt Lars Hiob.

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Hornberger Schießen

Ähnliche Studienergebnisse hinsichtlich der Verträglichkeit der Windkraft mit dem Tourismus habe es in der Vergangenheit schon in den Urlaubsregionen an Nord- und Ostseeküste gegeben. Die Windkraft könnte zudem für die kommunalen und privaten Waldbesitzer ein weiteres Standbein sein, um die Verluste durch den Borkenkäfer auf ihren Kalamitätsflächen zumindest ein wenig aufzufangen.

„Wir als SPD-Fraktion wehren uns gegen den Vergleich für Winterberg ein „kleines gallisches Dorf“ zu sein, das sich der Windkraft verwehrt, wie es aus der Mehrheitsfraktion oft zu hören ist“, heißt es in dem Statement kämpferisch. Man sehe hier die absolute Notwendigkeit der Selbstbestimmung beim notwendigen Bau von Windrädern, um den man aus SPD-Sicht ohnehin nicht herumkomme. Man wollte verhindern, dass die Entscheidungen nicht von anderer Seite her aufgezwungen würden. Man wolle vermeiden, dass derartige Planungen „wie die bisherigen ausgehen wie das „Hornberger Schießen“.

Polarisierendes Thema

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Timo Bundkirchen weist darauf hin, dass Gutachten und Befragungen nicht immer „neutral“ seien und auch nicht immer das Stimmungsbild innerhalb der Bevölkerung widerspiegelten. Sondern diese würden „unter Umständen auch dem Zweck und der Absicht des Auftraggebers“ wiedergeben, so Bundkirchen. „Windkraft ist ein sehr polarisierendes Thema. Es gilt etwaige Vor- und Nachteile für die Region präzise abzuwägen“, schreibt der Fraktionsvorsitzende. Sollte das Thema für Winterberg und seine Ortschaften konkret werden, sei es unbedingt erforderlich, darüber angemessen zu informieren, zu beraten und zu debattieren.

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Dazu sollte unbedingt auf die Meinung und Expertise der Bürger zurückgegriffen werden. Denkbar wäre hier, laut Bundkirchen, ein Bürgerbeteiligungsprozess oder ein Bürgerentscheid. Ein falsches Signal seitens der neuen Landesregierung wäre es aus seiner Sicht, wenn man die Kommunen in den Diskussions- und Planungsprozess nicht hinreichend berücksichtigen oder der Kommune sogar das Planungsrecht entziehen würde, so der CDU-Fraktionsvorsitzender Timo Bundkirchen.

Die Akzeptanz zur Energiewende sei „selbstverständlich“ auch bei den Freien Wählern in Winterberg stark ausgeprägt, schreibt die Partei auf Anfrage. Dies müsse aber mit „Sinn und Verstand“ geschehen, so FWG-Fraktionsmitglied Heinrich Kräling. „Hier setzen wir unser Augenmerk zwecks „Verschandelung der Landschaft durch Windräder“ stark auf Alternativen, so zum Beispiels auf Photovoltaik“, schreibt Kräling.