Winterberg/Medebach/Hallenberg. In Winterberg dreht sich derzeit keine moderne Windkraftanlage. Das könnte sich bald ändern. Was die Stadtspitze dazu sagt und was sie befürchtet
Nordrhein-Westfalen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren von einer schwarz-grünen Regierung geführt. Bei den Sondierungsgesprächen haben sich beide Parteien darauf geeinigt, besonders die Klimaneutralität in den Fokus zu nehmen. 1000 neue Windkraftanlagen sollen gebaut werden - auch auf Industrie-, Gewerbe-, Forst- und Kalamitätsflächen sowie entlang von Verkehrswegen. Was bedeutet dies für die Region rund um Winterberg, Hallenberg und Medebach?
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„Aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses an einem beschleunigten Ausbau werden wir alle einschlägigen rechtlichen Regelungen grundlegend überprüfen und wenn notwendig ändern“, heißt es in dem Papier worin die Verhandler der Parteien die Eckdaten ihrer Pläne festhielten. Zudem solle die Landesplanung in Zukunft den Ausbau der Windenergienutzung „raum- und umweltverträglich“ ermöglichen und steuern. Außerdem: „Um die Betroffenheit der Anwohner zu minimieren, soll der Ausbau auf neue geeignete Flächen konzentriert werden.“ Auch die bisherige Abstandsregelung - bisher gilt in Wohngebieten mit Bebauungsplan ein Abstand von 1000 Metern - steht zur Disposition.
Entwicklung beobachten
Es sei derzeit noch offen, was es bedeutet, wenn in einem Sondierungspapier festgehalten werde, dass die Landesplanung in Zukunft den Ausbau der Windenergienutzung raum- und umweltverträglich ermöglichen und steuern soll, teilt die Stadt Winterberg mit. Nicht zuletzt aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Planungshoheit sei es wichtig, dass die Stadt Planungen weiterhin selbst steuern könne und keine Vorgaben erhalte, auf welchen Flächen im Stadtgebiet Windenergieanlagen entstehen sollen.
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Insofern gebe es aktuell einen rechtlichen Rahmen, in dem sich die Stadt Winterberg bewegt. „Letztlich müssen wir alle die konkreten Ergebnisse in einem möglichen Koalitionsvertrag abwarten, bewerten und dann im Sinne der Interessen unserer Stadt, der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft mitsamt der Arbeitsplätze handeln. Da aber noch kein Koalitionsvertrag unterzeichnet ist, werden wir die weitere Entwicklung beobachten inhaltlich und politisch“, so Bürgermeister Michael Beckmann.
Bürger sollen mitgenommen werden
Die Stadt Winterberg stehe für eine Planung, bei der die Bürgerinnen und Bürger eingebunden und mitgenommen würden. Solange die Städte und Gemeinden die Errichtung von Windenergieanlagen in ihren Stadtgebieten selbst steuern könnten, sei sichergestellt, dass Projekte realisiert würden, die dem Willen der Bürger entsprechen.
Sollte die Landesregierung in Erwägung ziehen, den Kommunen konkrete Vorgaben für die Errichtung von Windenergieanlagen in ihrem Stadtgebiet zu machen, würde dies bei der jetzigen Rechtslage in einem konkreten Planverfahren (Änderung Landesentwicklungsplan/Änderung Regionalplan) erfolgen, in dem die Kommunen beteiligt wären und ihre Belange mit Blick auf die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger einbringen würden, so die Stadt in ihrem Pressestatement. Nach derzeitigem Planungsstand soll im Stadtgebiet Winterberg eine Fläche im Bereich Altenfeld für Windenergieanlagen entwickelt werden. Doch Winterberg warnt: „Windkraftanlagen innerhalb der vom Tourismus geprägten Teile des Stadtgebietes beeinträchtigen wegen ihres industriellen Charakters nicht nur das Landschaftsbild in besonders massiver Weise, sondern tangieren auch das touristische Wohlbefinden und Wertegefühl der Erholungssuchenden besonders stark.“
Sorge um den Tourismus
Die Urlaubsqualität könnte nachhaltig negativ beeinträchtigt werden. Das wiederum könne Auswirkungen auf den Wirtschaftsfaktor Tourismus haben. Es gebe in Deutschland zahlreiche Befragungen und Gutachten, wie sich Windkraftanlagen auf das Verhalten potenzieller Gäste auswirke. Der Tenor sei, laut Stadt, überwiegend gleich: „Die Errichtung von Windkraftanlagen hat negative Auswirkungen auf den Tourismus.“ Die Einschätzung der Betroffenheit werde von Studie zu Studie naturgemäß differenziert betrachtet. Ob eine mögliche lokale Wertschöpfung von Windkraftanlagen den möglichen Verlust an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen aus dem Tourismus kompensieren könne, sei sicher fraglich. Vor diesem Hintergrund habe die Stadt Winterberg bereits im Jahre 2016 im Zuge der Konzentrationsplanung für Windenergieanlagen eine „Kernzone Tourismus“ entwickelt, um nicht aufgrund der vorhandenen Wirtschaftsstruktur Gefahr zu laufen, das wesentliche Standbein der wirtschaftlichen Entwicklung und größten finanziellen Einnahmequelle der Stadt zu gefährden.
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Aufgrund sich immer wieder ändernder Planungsvorgaben könne das seinerzeit eingeleitete Verfahren bis heute nicht abgeschlossen werden, so dass auch die „Kernzone Tourismus“ derzeit noch „kein formal zu berücksichtigendes Element“ darstelle. Sollten auf der Grundlage eines möglichen Koalitionsvertrages konkrete landesrechtliche Vorgaben vorliegen, die eine rechtssichere Planung ermöglichen, werde sicherlich in einer Stadt wie Winterberg die „Kernzone Tourismus“ weiterhin eine wichtige Rolle spielen, so die Stadt.
Positiv an den Ergebnissen der Sondierung sei aber, dass neben der Windkraft auch weitere regenerative Energien wie Photovoltaik und Geothermie bedeutende Rollen spielen werden. „Insbesondere bei der Photovoltaik sehen wir als Stadt Winterberg weiterhin unseren Beitrag zur Energiewende. Auch den Einsatz von Geothermie zur Versorgung von Wohngebieten werden wir prüfen“, so
Mit Augenmaß und intelligent
Der Bürgermeister von Medebach, Thomas Grosche, findet es gut, dass sich CDU und Grüne auf Landesebene in „guten Gesprächen“ befänden. Um die Energiewende zu schaffen, werde es nötig sein einen guten Mix aus regenerativen Energien hinzubekommen, sagt er. Ein Teil davon seien sicherlich auch die Windkraftanlagen auf See und an Land. „Ich halte es für sehr wichtig, die Umsetzung hierzu mit Augenmaß und intelligent anzugehen. Damit meine ich, dass man Windräder an dafür ausgewiesenen Stellen konzentrieren sollte. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen halte er diese Konzentrationszonen für deutlich sinnvoller, als die oft zitierte „Verspargelung“ der Landschaft.
Wenn es dann noch gelinge, dass die Allgemeinheit vor Ort an den Erträgen aus der Windenergie partizipiere und man die Bürgerinnen und Bürger transparent bei Standortentscheidungen für Windkraftanlagen einbinde, sei er sich sicher, dass man eine grundsätzliche Akzeptanz bei den Bürgern sowie den Gästen erreichen könne. Im Moment schauen wir zunächst einmal gespannt nach Berlin und Düsseldorf und müssen abwarten, welche konkreten Regelungen dort abschließend getroffen werden. Bisher sei das europäisches Vogelschutzgebiet „Medebacher Bucht“ ein so genanntes „hartes Tabukriterium“, welches Windkraftanlagen in unserem Stadtgebiet quasi ausgeschlossen habe. Ob sich dies durch die neuen Konstellationen in Bund und Land ändere, sei eine „spannende Frage“. „Sobald hierzu Klarheit herrscht, werden wir uns intensiv unter Einbindung aller Akteure mit dem Thema auseinandersetzen“, sagt er.
Sein Amtskollege Enrico Eppner, Bürgermeister von Hallenberg, sieht es ähnlich. „Man sollte hier nicht mit der Brechstange vorgehen“, sagt er. Wichtig sei es, Akzeptanz bei den Bürgern zu schaffen. „Der Bau einer Windkraftanlage muss sorgfältig und von langer Hand geplant sein“, sagt Eppner. Er bevorzuge es, solche Anlagen dort zu konzentrieren, wo bereits Windräder stehen. Bisher gebe es in Hallenberg, außer einer stillgelegten Anlage, kein Windrad.