Hochsauerlandkreis/Marsberg. Rund 13 Prozent der Corona-Patienten leiden an Long-Covid. Die Sauerländer Mediziner Dr. Bradtke und Dr. Dellweg erklären, was dann zu tun ist.

Die Verläufe können ganz unterschiedlich sein. Die einen merken gar nicht, dass sie erkrankt sind und andere kostet eine Infektion mit Corona das leben. Und dann gibt es da auch noch diejenigen, die sich besonders lange mit den Folgen von einer Erkrankung herumschlagen müssen. Long-Covid, Post-Covid. Was ist das eigentlich genau? Womit haben ehemalige Corona-Patienten genau zu kämpfen? Das erklärten Dr. med. Norbert Bradtke, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin Gastroenterologie, Diabetologie und Geriatrie im St.-Marien-Hospital Marsberg und Privat Dozent Dr. Dominic Dellweg vom Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, das auch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Brilon hat.

Lesen Sie auch:Arzt aus dem Sauerland alarmiert: „Die Omikron-Wand ist da!“

Dr. med. Norbert Bradtke, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin Gastroenterologie, Diabetologie und Geriatrie im St.-Marien-Hospital Marsberg
Dr. med. Norbert Bradtke, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin Gastroenterologie, Diabetologie und Geriatrie im St.-Marien-Hospital Marsberg © Gerd Vieler

Die Rede von Long-Covid-Symptomen ist, wenn sie circa nach vier Wochen nach der Corona-Infektion auftreten. Nach drei Monaten spricht man hingegen von sogenannten Post-Covid-Symptomen. Die Begriffe richten sich also nach der jeweiligen anhaltenden Dauer. Circa 13 Prozent der Corona-Patienten machen Erfahrungen mit diesen Symptomen. Und welche sind das genau? „Müdigkeit, rasche Erschöpfung und Atembeschwerden wie Kurzatmigkeit zählen zu den häufigsten Beschwerden. Durch Veränderung der Atemfrequenz kann sich auch die Sprechstimme verändern“, sagt Dr. Bradtke. Zudem wurde seiner Aussage nach das Fatigue-Syndrom im Zusammenhang mit Long-Covid beobachtet. Als Fatigue-Syndrom bezeichnet man das oft kombinierte Auftreten von anhaltender Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Es führt zu einer nachhaltigen Einschränkung der Lebensqualität und auch ausreichende Erholungs- und Schlafphasen vermögen es nicht zu beseitigen. „In den meisten Fällen ähneln die Symptome denen einer Depression“, sagt Dr. Dellweg.

Lesen Sie auch: Winterberg: Neue Skihütte lockt mit grandiosem Panoramablick

Um feststellen zu können, ob eine Person nun an einer Depression leidet oder eben an Long-Covid, ist laut der Mediziner unbedingt eine fachärztliche Abklärung notwendig, wenn eines oder mehrere Symptome nach einer überstandenen Covid-Infektion auftreten. „Dabei spielt es auch keine Rolle, wie bedrohlich die Erkrankung in der Akutphase verlaufen ist. In einer Studie aus England mit circa 4000 Personen zeigte sich, dass Long-Covid-Symptome häufiger auftraten, wenn während der COVID-19-Erkrankung Durchfall auftrat, der Geruchsinn eingeschränkt war und nach der Infektion nur eine geringe Antikörperbildung nachzuweisen war“, erklärt Dr. Bradtke. Die Symptome stehen dabei nicht für eine eigene Krankheit. Zum Beispiel mit Belastungsuntersuchungen auf dem Fahrrad kann festgestellt werden, wie stark der Körper noch mit der Infektion zu kämpfen hat.

Lesen Sie auch:Maßnahmen-Liste: So kämpfen HSK-Städte gegen den Klimawandel

Dadurch, dass das Virus erst vor rund zwei Jahren auftrat, gibt es noch nicht alle Informationen darüber. Warum Patienten so lange überhaupt Symptome haben, ist daher nicht abschließend geklärt. Laut Dr. Dellweg ist das aber nicht untypisch für Infektionskrankheiten. „Was man aber sagen kann: Bei Autopsien von Corona-Patienten ist klar geworden, dass der Virus sich in vielen Organen festgesetzt hat.“

Wie lässt sich Long-Covid behandeln?

Die Behandlungsmöglichkeiten müssen individuell auf die Person abgestimmt werden, weil sich die Auswirkungen eben so vielfältig zeigen. Laut Dr. Bradtke erhalten die Patienten eine Kombination aus Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie. Ein Medikament gibt es nicht. Geduld ist also besonders wichtig. In der Zoe-Covid-Studie des King´s College in London wurden Daten von 1,2 Millionen Teilnehmern ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass gegenüber ungeimpften Teilnehmern bereits eine zweifache Impfung das Risiko an Long-Covid zu erkranken halbiert.

Lesen Sie auch:Verheerender Brand in Medebach: Polizei sperrt die Scheune

Selbsthilfegruppe im HSK geplant

Betroffene, die Interesse am Austausch und der Gründung eines Gesprächskreises zum Thema Long-/Post-Covid haben, melden sich bitte bei der Selbsthilfekontaktstelle AKIS im HSK, 02932 201-2270 oder per Mail an: selbsthilfe@arnsberg.de

Weitere Informationen zum Thema Long-/Post-Covid sind auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit unter www.zusammengegencorona.de zu finden.

Da auch im Hochsauerlandkreis immer mehr Menschen betroffen sind, plant die Selbsthilfekontaktstelle AKIS im HSK nun in Kooperation mit dem Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft und dem Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises eine Selbsthilfegruppe zum Thema „Long-/Post-Covid“.

Was sollten Betroffene also tun, wenn sie den Verdacht haben, dass sie an Long-Covid leiden? Dr. Bradtke: „Erstmal zum Hausarzt gehen, der eine gründliche Erstuntersuchung durchführt und dann weitere Schritte veranlasst.“ „Keinesfalls sollte man Bedenken haben, sich bei seinem Hausarzt zu melden, weil dieser eventuell die Symptome anders deutet. Ich habe auch schon gehört, dass Patienten Bedenken hatten, sich wegen Schläfrigkeit bei einem Arzt zu melden. Sie befürchten dann, man würde ihnen sagen, dass sie sich doch bitte nicht so anstellen sollen. Aber das ist nicht richtig. Man sollte durch einen Arzt abklären lassen, ob es Long-Covid ist oder nicht“, sagt Dr. Dellweg.