Brilon/Olsberg/Meschede/Bestwig. Die Stadtwerke Brilon und die Hochsauerlandenergie nehmen derzeit keine Kunden an. Die Erklärung offenbart eine fatale Entwicklung auf dem Markt.
Auch im Hochsauerlandkreis müssen sich viele Haushalte nach einem neuen Energieversorger umsehen. Insgesamt 39 Lieferanten haben in diesem Jahr der Bundesnetzagentur die Einstellung ihres Betriebes mitgeteilt. „Aufgrund der historisch einmaligen Preisentwicklung im Strommarkt“ hat sich in der Weihnachtswoche die Stromio GmbH „gezwungen“ gesehen, alle Stromlieferverträge einzustellen. Folge: Die betroffenen Haushalte stranden in der teuren Grund- und Ersatzversorgung. Wer in dieser mießlichen Lage lokal zu denken beginnt und bei seinem kommunalen Versorger unterkommen will, hat Pech: Weder die Stadtwerke Brilon noch die in Olsberg, Bestwig und Meschede engagierte Hochsauerlandenergie nehmen neue Vertragskunden an.
Preise derzeit jenseits von Gut und Böse
Während die Stadtwerke Brilon dies auf ihrer Homepage nur mit dem Hinweis „Leider können wir Ihnen aktuell keine Gas- und Stromtarife anbieten“ erwähnen und auf Rückfrage von „Problemen mit der IT“ sprechen, kommuniziert die Hochsauerlandenergie (HE) dies frank und frei: „Aufgrund der derzeitigen Marktsituation mit zurzeit völlig ausufernden Beschaffungspreisen für Gas und Strom an den Börsen können und wollen wir Ihnen zurzeit keine neuen Lieferverträge (Sonderverträge) für unsere Produkte anbieten.“ Die Preise dafür lägen „leider jenseits von Gut und Böse“.
Lesen Sie auch:Muskelschwund – Robin aus Olsberg hofft auf Spezialhandschuh
Lesen Sie auch: Eventplaner aus Olsberg – „Wofür existieren wir dann noch?“
Seit Anfang April, so HE-Sprecher Jörg Fröhling, hätten sich die Beschaffungspreise für Gas und Strom „zum Teil mehr als versechsfacht - Tendenz immer noch steigend“. Damit gehe das Geschäftsmodell von Energie-Discountern, die sich in Zeiten relativ stabiler Einkaufspreise am kurzfristigen Spotmarkt sehr günstig mit Strom eindecken konnten, nicht mehr auf und es entpuppe sich als „wenig verlässlich und auch unseriös“.
Der Markt und die Billiganbieter
Dass etliche Billiganbieter ihre Kunden „im Stich gelassen haben“, so der HE-Sprecher weiter, sei an den gestiegenen Kundenkontakten abzulesen. Allein seit dem 1. Oktober bis zum Montag dieser Woche ist die Zahl der Kunden in der Grundversorgung von 331 auf 489 angestiegen.
Lesen Sie auch:HSK-Händler: „Einen Lockdown können wir uns nicht leisten“
Lesen Sie auch:Corona-Spaziergänge im HSK: Wie die Polizei jetzt reagiert
Auch die Verbraucherberatung Arnsberg registriert zurzeit „eine Reihe Anfragen“ rund um die Gas- und Stromverträge, wie Energieberater Volker Mahlich gegenüber der WP sagte. Sorge, keinen Strom oder kein Gas mehr zu bekommen, brauche niemand zu haben. Da stehe der örtliche Grundversorger - das ist jene Gesellschaft, die im Strom- bzw. Gassektor in einer Kommune die meisten Kunden hat - gesetzlich in der Pflicht zur sogenannten Ersatzversorgung. Pferdefuß: Da kommt zu dem ohnehin höheren Grundversorgungstarif noch ein Aufschlag hinzu. Volker Mahlich rät deshalb allen Betroffenen, sich möglichst schnell um einem neuen Vertrag zu kümmern. Angesichts der aktuellen Preissituation sollte man sich nach flexiblen Verträgen erkundigen und sich jedenfalls nicht gleich zwei Jahre binden.
Vertragsstopp endet erst, wenn eine Beruhigung des Marktumfeldes eintritt
Der unerwartete Anstieg der Grundversorgungskunden und der damit verbundene höhere Umsatz bereitet den Unternehmen allerdings nicht die reine Freude. Da diese Mengen, so HE-Sprecher Fröhling, „weder bekannt noch planbar“ gewesen seien, müssen sie kurzfristig beschafft werden. Das sei angesichts der aktuellen Entwicklung an den Energiemärkten „eine wirtschaftliche Herausforderung“. Um die Notwendigkeit des kurzfristigen Zukaufs noch weiterer Energiemengen zu begrenzen, nehme die Hochsauerlandenergie deshalb derzeit außerhalb der Grund- und Ersatzversorgung keine neuen Kunden auf - „auch um ihre treuen Bestandskundinnen und -kunden vor weiteren Belastungen zu schützen“.
Lesen Sie auch: Wo der Impfturbo im HSK noch stottert
Lesen Sie auch:Rotten Place bei Brilon gibt Rätsel auf
Der Vertragsstopp werde erst enden, „wenn eine Beruhigung des Marktumfeldes eingetreten“ sei.
Die Hochsauerlandenergie belieferte am 1. Dezember 24.066 Abnahmestellen mit insgesamt 17.271 Kunden. Davon entfielen 17.382 Verträge auf den Strom- und 6684 Verträge auf die Gassparte. Die HE ist in Olsberg seit 2019 Grundversorger im Gasbereich und übernimmt diese Rolle jetzt auch in Meschede. In Bestwig ist die HE Grundversorger für Gas und Strom.
Grundversorger im heimischen Raum ist nach wie vor Eon
Preise in Grundversorgung steigen drastisch
Die Stadtwerke Brilon erhöhen in der Gas-Grundversorgung den Preis bei 5001 bis 20.000 kWh für Bestandskunden von 8,75 ct/kWh auf 11,13 kWh, der Grundpreis bleibt mit 119 Euro/Jahr konstant. Wer jetzt als „Neukunde“ in die Grundversorgung rutscht, ab Januar 18,86 ct/kWh plus 214,20 Euro zahlen. Die Hochsauerlandenergie erhöht bei Bestandskunden in der Grundversorgung den Preis von 7,10 ct/kWh auf 13,05 ct/kWh, hinzu kommen unterschiedliche Zählergebühren. Neukunden müssen in Olsberg und Bestwig 18,40 ct/kWh zahlen.Eon berechnet ab 1.1. in der Gas-Grundversorgung ab 5000 kWh 8,66 ct/kWh plus einen Grundpreis von 220,44 Euro.Im Bereich Strom ist Eon einziger Grundversorger im Altkreis Brilon. Arbeitspreis bis 15.000 kWh ab Januar 31,22 ct/kWh plus 138,74 Euro Grundpreis.
In Brilon sind die Stadtwerke Grundversorger im Gas-Sektor. Dort, so der Leiter der Abteilung Vertrieb und Marketing, Christoph Höing, sei die Zahl dieser Verträge in letzter Zeit von rund 150 auf etwa 200 gestiegen. Insgesamt beziehen in Brilon rund 3000 Kunden Gas und etwa 6000 Kunden Strom.
Größter Grundversorger im heimischen Raum ist nach wie vor Eon. Zu konkreten Kundenzahlen würde man sich „grundsätzlich nicht äußern“, so Unternehmenssprecher Stefan Moriße auf Anfrage der WP. Deutschlandweit versorge Eon rund 14 Millionen Kunden mit Strom und Erdgas.
Für die Stromkunden im HSK ändere sich zum Jahreswechsel nichts, auch nicht für die Gas-Vertragskunden. Allerdings werde in der Gas-Grundversorgung bei einem Jahresverbrauch von 18.000 kWh im Monat 19,10 Euro netto mehr fällig. Moriße begrüßt, dass „die Politik ihre Verantwortung wahrnimmt, im entsprechenden Rahmen zu einer Beruhigung an den Energiemärkten beizutragen“.
Verbraucherberater Volker Mahlich rät von dem Lieferstopp Betroffenen, von ihren Versorgern die Wiederaufnahme der Belieferung zu verlangen: „Für die Einstellung gibt es keine Rechtsgrundlage.“ Weitere Tipps gibt es auf der Homepage der Verbraucherberatung - auch, dass man seinen Versorger auf Schadenersatz verklagen kann.