Hochsauerlandkreis. Fachärzte gibt es genug, doch die Auslastung ist groß, Wartezeiten werden lang. Menschen aus dem HSK berichten von ihren Leidensgeschichten.

Einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen, kann lange dauern. Zwar herrscht im HSK kein ausdrücklicher Facharzt-Mangel, wie die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe erklärt, trotzdem kann es für einige Patienten schwer werden, an einen frühzeitigen Termin zu kommen oder einen Arzt in der Nähe zu finden.

Der Arzt drückt mir zwei Überweisungen in die Hand. Zwei Fachärzte soll ich besuchen. Anruf bei dem ersten Facharzt. Besetzt. Erneuter Versuch. Besetzt. Insgesamt zwölf Mal rufe ich an, bis ich jemanden erreiche. Termin – in vier Wochen. Selbst, als ich leicht wehleidig ins Telefon wispere, dass ich akute Beschwerden habe, kann die Arzthelferin mir keinen früheren Termin anbieten. Sie entschuldigt sich aufrichtig. Trotzdem, nicht möglich. Den zweiten Facharzt erreiche ich schneller. Terminangebot – in einem Dreivierteljahr. Ich versuche es in einer anderen Praxis. Besetzt – bis heute immer dann, wenn ich versuche anzurufen. Wie mir geht es zahlreichen Menschen im HSK, die auf einen Termin beim Facharzt warten oder schlicht keinen finden, der leicht zu erreichen wäre. Die häufigsten Probleme schildern Menschen aus dem HSK auf eine WP-Anfrage via Facebook.

Problem 1: Die Wartezeit bei Fachärzten im HSK

Gertrudis Hirsch aus Winterberg wartet zwischen vier und sechs Monaten auf einen Termin in der Reumatologie, beim Augenarzt drei Monate.

Ursula Balugani aus Winterberg wartet fünf Monate auf einen Termin beim Kardiologen in Winterberg.

Renate Muehlenbein aus Marsberg wartet drei Monate, manchmal ein halbes Jahr auf einen Termin beim Augenarzt. „Mit Akuten Problemen hat man manchmal schlechte Karten.“

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Steffan Nick Klöss aus Marsberg bekommt seine Diagnose während eines Krankenhausaufenthaltes vor etwas mehr als einer Woche. Aufklärender Facharzttermin: 7. Januar 2022, mehr als drei Monate später. „Das ist einfach zu lange. Wenn man eine Diagnose relativ früh bekommt, sollte man nicht so viel Zeit vergehen lassen, bis man zum Facharzt kann.“

Und wie kommt man doch an schnelle Termine?

Vanessa Pudlo, Sprecherin der KVWL, erklärt: „Handelt es sich um eine Routine- oder Vorsorgeuntersuchung, können diese genau terminiert werden. Dabei kann es, je nachdem wie groß der Patientenzulauf der Praxis ist, auch zu Wartezeiten kommen.“

Bei dringenden Beschwerden kann der behandelnde Hausarzt eine dringliche Überweisung ausstellen. Die Terminservicestelle der KVWL, unter der Telefonnummer 116 117, vermittelt den Patienten einen Termin in einer Facharztpraxis mit freien Kapazitäten innerhalb der nächsten vier Wochen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich nicht um einen Wunschtermin in der Wunschpraxis handeln kann.

Weitere Infos finden Sie hier: https://www.kvwl.de/patient/terminservice/

Drei Beispiele, die von zahlreichen Menschen aus dem Hochsauerlandkreis mit ihren Leidensgeschichten bestätigt werden. Janina Schmidt aus Marsberg schreibt, sie habe zum Orthopäden gewollt. „Da ruft man da an, weil man starke Schmerzen hat und bekommt gesagt, dass man frühestens in drei Monaten kommen kann.“ Sowas kenne sie sonst nur, wenn man bei entsprechendem Arzt noch kein Patient gewesen sei oder es nicht dränge. „Aber hier scheinen starke Schmerzen und eine bestehende Krankenakte kein Argument für ein Termin zu sein. Schon traurig, dass man so abgefertigt wird.“ Ihre Enttäuschung teilt ein Marsberger, der via Facebook unter Pseudonym Xe Uddy schreibt. „Ich hatte mal einen allergischen Asthmaanfall. Bin zum Hausarzt, dieser meinte, ich sollte mal zum Pneumologen und das unbedingt kontrollieren. Habe am selben Tag angerufen und drei Monate später einen Termin bekommen. Da waren dann die Beschwerden natürlich weg - da der Auslöser aus der Natur auch verschwunden war.“ Aufklärung? Fehlanzeige.

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Juanita H. Lino aus Marsberg schildert ihre Geschichte. Vor einiger Zeit klagt sie über akute Schmerzen im Fuß, kann kaum laufen. „Bin echt nicht der Typ, der wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt läuft, also hatte ich es auch schon zwei Wochen rausgezögert in der Hoffnung, dass sich das Problem von selbst löst.“ Dann aber doch ein Anruf beim Orthopäden. Ein Termin, trotz schlagartig akuter Schmerzen – in drei Wochen. „Als ich noch einmal nachfragte, ob es keine Möglichkeit gibt, dass es schneller geht, weil ich wirklich Schmerzen hatte, bekam ich eine ziemlich biestige Antwort: „Dann suchen Sie sich doch einen anderen Arzt“.“ Juanita H. Lino fährt in die Notaufnahme. „Obwohl ich es schade fand, die Notaufnahme mit so einer Nichtigkeit aufhalten zu müssen. Ich denke, aus solchen Gründen werden die Notaufnahmen unnötig belastet.“ Esther Liesmann aus Brilon hatte teils bessere Erfahrungen: „Bei einigen klappt das wunderbar, andere Fachärzte sind entweder überlaufen oder ich weiß es nicht. Wer dann möglichst schnell einen Termin braucht – z.B nach einem Schlaganfall beim Neurologen – der ist schlecht dran. Nächster freie Termin: Mai 22 in Meschede. Ein Witz.“ Schlimmer sehe es wohl bei Psychotherapeuten und vergebens bei der Traumatherapie aus. „Da kann man sich mal zwei Jahre anstellen und das ist bei aller Liebe ein Ding, was nicht geht. Das Gesundheitssystem ist alles, aber nicht mehr gut.“

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Angela Kröger aus Marsberg schildert lange Wartezeiten bei akuten Beschwerden ihrer Tochter. „Meine Tochter bekam bei einer U-Untersuchung Fehlsichtigkeit diagnostiziert. Sie war zu der Zeit bereits in der Schule und klagte ständig über Kopfschmerzen.“ Ein Zustand, der ihr das Lesenlernen erheblich erschwert habe. Es sei ein Termin zur Klärung beim Augenarzt nötig, hieß es. „Ergebnis war, das ich auf einen Termin beim Augenarzt sechs Monate hätte warten müssen. Wir sind dann zu einem Augenarzt nach Dortmund gefahren. Dort bekam unsere Tochter innerhalb von 14 Tagen, den so wichtigen Termin zur Untersuchung und eine Brille.“

Problem 2: Die Aufnahme bei Fachärzten im HSK

Barbara Egervari aus Marsberg beklagt, dass eine Aufnahme beim Facharzt schier unmöglich sei, die Praxen seien überfüllt. „Termin bekommen ist die eine Sache, oft werden keine neuen Patienten aufgenommen. So darf man dann Anfang des Jahres anrufen und nachfragen, ob man dann eventuell aufgenommen wird. So hatte ich das beim Rheumatologen und Augenarzt.“

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Ann-Kathrin Vogel aus Marsberg berichtet ähnliches: „Ich benötige einen neuen Frauenarzt, da meine nach dem Umzug doch zu weit entfernt ist. Jetzt stehe ich in Brilon auf einer sehr langen Warteliste und hoffe doch bald, da aufgenommen zu werden. Das selbe ist mit einem Augenarzt in Brilon.“

Problem 3: Die lange Fahrt zu Fachärzten außerhalb des HSK

„Also, von Winterberg aus ist es schon schwierig“, schreibt Natascha Benhiba über die Erreichbarkeit von Fachärzten. „Meist etwas weiter weg, mit dem Auto ab 20 Minuten Fahrzeit und länger. ÖPNV ist auch nicht grad günstig und die Anbindung, na ja.“ Das sei schon immer ein Problem.

Julia Weinert aus Marsberg habe einige Facharzttermine wahrnehmen müssen. „Ich habe direkt welche bekommen. Der erste fünf Wochen nach Erstdiagnose, der andere zehn Wochen nach Diagnose. Die Fachärzte sind übrigens in Paderborn und Kassel.“

Gertrudis Hirsch aus Winterberg, die so lang auf Reumatologe und Augenarzt warten muss, muss für Behandlungen weit reisen. Arnsberg, Brilon, Paderborn, Korbach. „Und je älter man wird, umso schwerer fällt es.