Marsberg. Sollen Homosexuelle in der katholischen Kirche gesegnet werden? In der Propsteigemeinde Marsberg ist darüber ein öffentlicher Disput entbrannt.
Für Schlagzeilen sorgte erst Anfang der Woche, dass ein Priester aus dem Erzbistum Paderborn von der Bistumsleitung gerügt worden sei, weil er einem schwulen Paar den kirchlichen Segen gegeben hatte. In Marsberg im Hochsauerlandkreis wird das Thema Homo-Ehe beziehungsweise die Segnung von homosexuellen Paaren in der katholischen Kirche derzeit kontrovers debattiert zwischen dem Propst und dem Pfarrgemeinderat. Die Meinungen gehen deutlich auseinander.
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Dieses Thema beschäftigt schon lange den Pfarrgemeinderat St. Magnus Niedermarsberg mit seiner Vorsitzenden Marita Bickmann. Spätestens als die Erzdiözese Paderborn am 20. März seine Stellungnahme zu dem Thema abgab. „Die römische Verlautbarung ´Responsum ad dubium` der Glaubenskongregation über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts hat auch bei den gewählten und berufenen Mitgliedern des Pfarrgemeinderates der Propsteigemeinde Unverständnis und Ablehnung ausgelöst.“
Ausgiebig und offen diskutiert – dann zwei Stellungnahmen
Der Pfarrgemeinderat (PGR) Marsberg nahm das zum Anlass, innerhalb des Gremiums mit Propst Meinolf Kemper und Vikar Christian Fleiter das Thema ausgiebig und offen zu diskutieren. Nach drei Sitzungen sahen sich Pfarrgemeinderat und der Propst veranlasst, mit jeweils eigenen Stellungnahmen in den Pfarrnachrichten Nr. 18 für den Pastoralen Raum Marsberg ihre Meinung dazu, der Gemeinde kundzutun.
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Während der PGR klar Stellung gegen die Verlautbarung der Glaubenskongregation einnimmt, dürfe laut Propst Meinolf Kemper die Meinung der Weltkirche zu diesem Thema nicht außen vor bleiben. Er betont in seiner Stellungnahme, dass „alle Menschen, die es wünschen auch gesegnet werden. Aber: „Die Segnung einer Partnerschaft ist der Ehe als einer lebenslangen Verbindung von einem Mann und einer Frau, die von Jesus zur Würde eines Sakramentes erhoben wurde (Mt 19), vorbehalten.“
Kritik an Zwang gleichgeschlechtlichen Paaren kirchlichen Segen zu verweigern
Der Pfarrgemeinderat will „ein klares Zeichen setzen und zeigen, dass wir mit der Meinung nicht konform gehen.“ Marita Bickmann: „Kirche muss für alle da sein.“ Jedenfalls stehe für alle Menschen, die ein seelsorgliches Gespräch oder eine Begleitung wünschen, die Pfarrhaustür immer offen, betont Propst Kemper.
Für die Vorsitzende Marita Bickmann ist es längst an der Zeit, wie sie im Gespräch mit der WP sagt, dass sich die Kirche zu diesem Thema moderner und offener zeigt. „Weil der Kirche immer mehr Leute von der Fahne springen, auch wegen der Missbrauchsvorfälle. Und jetzt sollen auch noch die Geistlichen gezwungen werden, dass sie gleichgeschlechtlichen Paaren den kirchlichen Segen verweigern.“
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In seiner Stellungnahme schreibt der PRG: „Wir kritisieren, dass gleichgeschlechtlich liebende Menschen trotz anderslautender Bekundungen weiterhin mit ihren Partnerschaften und ihrer Liebe in der katholischen Kirche immer noch zurückgewiesen werden. Verständlicherweise wenden sich deshalb viele von der Kirche ab.“ Der PGR möchte sich deshalb mit dafür einsetzen, „dass Kirche allen Menschen Heimat geben und bleiben kann.“
Widerspruch zur Lebensrealität und zu der Botschaft Jesu
Für des PGR und für viele Engagierte bewirke die Verlautbarung der Glaubenskongregation aber das Gegenteil. „Es enttäuscht uns, dass keine neueren Erkenntnisse der Theologie und der Humanwissenschaften einbezogen worden sind.“ Insbesondere letztere würden zeigen, dass es ein breites Spektrum sexueller Orientierungen gebe. „Eine Offenheit für solche Erkenntnisse halten wir für unabdingbar.“ Theologie und damit auch die kirchliche Lehre könne und müsse sich auch weiterentwickeln. Einer der Erkenntnisorte der Theologie sei auch der Glaubenssinn der Gläubigen. Die wichtigen Erkenntnisse aus den Lebenserfahrungen der Menschen müssten in die aktuellen Diskurse einbezogen werden, fordert der PGR. Für viele Katholikinnen und Katholiken stehe das vatikanische Papier im deutlichen Widerspruch zur Lebensrealität und zu der lebenszugewandten Botschaft Jesu.
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Marita Bickmann: „Wir möchten alle Verantwortlichen in der Kirche ermutigen, zwischen der kirchlichen Lehre und der Lebenswelt der Katholikinnen und Katholiken belastbare Brücken zu bauen, um die frohe Botschaft glaubhaft verkünden zu können.“ Der Segen Gottes sei eine voraussetzungslose Zusage der Nähe und des Heils. „Wir erkennen in allen Partnerschaften, die von gegenseitiger Liebe, Treue und Verantwortung füreinander geprägt sind, den Willen Gottes und seine Nähe.“
Wenn Menschen ihre Partnerschaft unter Gottes Segen stellen wollen, solle die Kirche diesen nicht verweigern. „Liebe ist keine Sünde. Wir wünschen uns deshalb von unseren Seelsorgern eine Ergänzung und Bereicherung des Segensangebotes bei Bedarf auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften“, so der Beschluss in der PGR-Sitzung vom 26. August.
Stellungnahme Propst Kemper: Einheit der Weltkirche in dieser Frage wichtig
Propst Meinolf Kemper ist zurzeit in einer Reha. In seiner Stellungnahme schreibt er, dass es theologisch gesehen zu diesem Thema unterschiedliche Auffassungen gebe, nicht nur in der Kath. Kirche, sondern auch in den anderen Konfessionen.“ Schätzungsweise würden 85 Prozent der christlichen Kirchen und Gemeinschaften einer solchen Segnung nicht zustimmen. Propst Kemper: „Für mich ist die Einheit unserer Weltkirche auch in dieser Frage wichtig.“
Was den Wunsch des PGR nach einem Segensangebot betrifft, möchte er betonen, dass „alle Menschen, die es wünschen, gesegnet werden“; dieses sei möglich am Schluss einer jeden Heiligen Messe, Wort-Gottes-Feier oder Sakramentsandacht, bei den Segnungen im Lauf des Kirchenjahres oder etwa bei einer Haus- oder Wohnungssegnung. Auch Einzelsegnungen von Menschen seien jederzeit möglich und würden oft angefragt.
Propst Kemper: „Gleichgeschlechtlich veranlagte Menschen in unseren Gemeinden sind willkommen und es ist wohl wichtiger denn je, für sie eine Pastoral zu entwickeln, die ihnen hilft, in ihrer persönlichen Situation ihren Glauben zu leben.“ Es ist geplant, in einer der nächsten Dekanatspastoralkonferenzen dieses Thema gemeinsam zu erörtern.