Brilon. Kirche in der Krise: Das denkt Propst Dr. Reinhard Richter aus Brilon über Frauen als Priesterinnen und die Segnung der Ehe von Homosexuellen.
Wenn Propst Dr. Reinhard Richter spricht, dann wägt er seine Worte genau ab. Legt die flachen Hände aneinander. Ruhige Stimme. Klare Meinungen. Im zweiten Teil des Gesprächs mit dem Briloner Propst geht es um die Position der Katholischen Kirche gegenüber Frauen und Homosexuellen. Und die Kritik, dass die Kirche sich vielen Menschen nicht offen genug zeigt.
Die Missbrauchsskandale sind nicht die einzigen Themen, die im Zusammenhang mit der Kirche kritisiert werden. Viele bemängeln die fehlenden Möglichkeiten für Frauen, insbesondere bei der Priesterweihe.
Propst Dr. Reinhard Richter: Stimmt! Das ist ja nicht zu überhören. Übrigens, nicht nur seit heute! In unseren Briloner Kirchenbüros arbeiten wir Priester und Diakone mit mehr Frauen zusammen als mit Männern und das ist eine gute Zusammenarbeit, die ich sehr schätze. Wir sprechen viel über die hier angesprochenen Themen. Die Forderung nach der Weihe zur Diakonin oder Priesterin, zur Bischöfin lässt sich dann auch nicht ausschließen, ist aber im Hause bislang nicht auffällig geworden. Lautes Denken habe ich nicht verboten, wir umgehen auch nicht die Diskussion. Alle leben in ihren sozialen Bezügen (kfd, PGR, Maria 2.0 u.a.) und bringen die Themen mit, die wir hier besprechen.
Lesen Sie auch den ersten Teil des Gesprächs mit Propst Dr. Reinhard Richter:„Eine Krake im System. Schrecklich, oder?“
Sie sagen ja, dass Frauen ein besonderes Engagement zeigen und die Gemeinde am Laufen halten, wieso belohnt man sie nicht für ihr Engagement durch die Weihe?
Jesu ist ein Mann, kein Mischwesen. Seine Jünger und Apostel waren auch Männer. Die Kirche hat also nicht erkannt, dass sie Frauen aus der Geschichte heraus zu Priesterinnen machen sollte. Klingt sehr dogmatisch und lässt sich auch hinterfragen. Die sachkundige Diskussion muss geführt werden. Andererseits wehre ich mich, diese Frage auf die Frage nach Macht, Fähigkeiten und Können zu reduzieren, denn die geistlichen Berufe der Kirche beziehen sich auf das Sein Christi. Wenn ich ein schlechter Priester bin, höre ich nicht auf, Priester zu sein. Der Kabarettist Dieter Hildebrand sagte einen treffenden Satz: „Statt zu klagen, dass wir nicht alles haben, sollten wir lieber dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen.“ Ich bin bei Papst Johannes Paul II, der sich in „Ordinatio Sacerdotalis“ am 22. Mai 1994 klar ausgedrückt hat – dass die Kirche nicht die von Jesus übertragene Vollmacht hat, Frauen das Weihesakrament zu spenden. Es gibt kein Argument, dass Frauen das Recht gestattet, Priesterin zu werden. Vielleicht wird es wegen dieser Frage eine große Kirchenspaltung geben, oder wir haben sie schon. Auch wenn damit aus meiner Sicht ein klares Wort gesprochen ist, bleibt doch der Hinweis, dass viele Frauen in den kirchlichen Aufgaben tätig sind und das in vorgesetzten Positionen. Das wird vielfach übersehen. Die sogenannte Frauenfrage reduziert sich nicht auf die Frage nach der Weihe. Wir sind da innerkirchlich viel weiter.
Aber ist die Kirche dann noch zeitgemäß in einer Zeit mit Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau?
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Wenn die Kirche zeitgemäß wäre, wäre sie angepasst. Jesus war nicht angepasst, sonst wäre er nicht aufgefallen. Jesus war kantig, teilweise schroff und radikal, keineswegs unbarmherzig. Er war auch nicht tolerant, wie im heutigen Sinn. Doch lohnt es sich, das Frauenbild Jesu zu betrachten. Er hat sich da deutlich von den Schemata seiner Zeit abgehoben. Gottesebenbildlichkeit, Brautmystik und Frauen im engeren Kreis unterstreichen dieses. Und was heißt Gleichberechtigung? Gibt es die wirklich? Egal, von welcher Seite man guckt!
Mein Jesusbild ist geprägt davon, dass Jesus für alle Menschen da ist. Sei es für Männer, Frauen aber auch für Homosexuelle. Wieso verschließt sich die Kirche also vor der Segnung von homosexuellen Paaren?
Kurz gesagt: Sie kann es nicht und sie darf es nicht! Die Ehe im kirchlichen Verständnis ist nicht gleichzusetzen mit dem zivilrechtlichen Verständnis unserer Rechtsprechung. Daher rühren viele Missverständnisse in der gegenwärtigen Diskussion. Die Ehe ist ein Sakrament auf Grundlage der Schöpfungsordnung und der Jesusworte im Kontext seiner Brautmystik. Wir haben im Neuen Testament keinen Hinweis auf eine Eheschließung eines homosexuell empfindenden Paares. Andererseits wissen wir heute über die Psyche des Menschen, damit auch über die Sexualität mehr, als die Gelehrten der Antike. Was folgt daraus? Die Kirche segnet Menschen und sie kann nicht etwas zum Sakrament machen, was eben keines sein kann. Ich kann und will Homosexualität nicht ausreden, geschweige wegreden. Jede Fixierung auf etwas Fehlendes verletzt hier und bewirkt erst recht Schmerz und bleibende Verletzung. Es gibt Konversionstherapien in den fundamentalistischen Gruppen, die ich ganz schrecklich finde. Kritisch frage ich auch: Ab wann beginnt die Kirche so viel über Sexualität nachzudenken und zu schreiben? Hätte ein liebevolles Schweigen nicht mehr geholfen? Und noch ein „Vielleicht“: Vielleicht braucht die Kirche hier noch etwas Zeit. Ich kann mir Formen denken, die homosexuell empfindende Menschen in ein größeres Ja führt. Es gibt ja auch keinen Menschen nach Katalog!
Propst Reinhard Richter schaut auf die Uhr. Anderthalb Stunden sind vergangen. „Ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe noch einen Termin, den ich nicht aufschieben kann.“ Er schaut auf. Für eine letzte Frage nimmt er sich noch Zeit.
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Die Krise in der Kirche ist bedrohlich. Was setzen Sie persönlich dagegen?
Kirche sollte ihre Wurzeln wiederentdecken! Als Priester bewege ich mich manchmal als Partisan Gottes durch unsere Zeit, bleibe neugierig und suchend nach den Spuren Gottes und möchte davon etwas den hier lebenden Menschen mitgeben. Wir Geistliche haben uns gesagt, dass wir die Kirche in Brilon im Mitgehen und im Dazwischen sehen. Meine Aufgabe als Leiter des Pastoralverbundes ist eine andere als die meiner Vorgänger. Meine Perspektive ist ein Hinsehen, Darauf schauen und Begleiten! Das priesterliche Rollenbild hat sich nicht nur bei mir verändern müssen, sondern auch bei meinen Mitbrüdern. Die Kirche in Brilon steht ja erst am Anfang eines längeren Veränderungsprozesses, den wir nicht allein erfinden. Ich gehe von kleineren Seelsorgeeinheiten in einem ausgedehnten Raum aus, der vor Ort Menschen in eine geistliche Verantwortung und Mitsorge nimmt. Wir werden auch hier erleben, wie der katholische Glaube wie die Aa in untere Schichten abfällt und irgendwann und irgendwo wieder als erfrischendes und lebendiges Wasser aufspringt. Meine derzeitige Aufgabe ist die Rahmenbildung für Künftiges. Alles geht nur im Himmel! Ich bin da und wer mich braucht, kann mich anzapfen! Wir leben in interessanten Zeiten.
Er hebt einen ausgeschnittenen Zeitungsartikel auf, der auf seinem Tisch liegt. Titelzeile: „Queer-Gottesdienste?“ Propst Reinhard Richter nickt kräftig.
Warum nicht darüber nachdenken? Wir leben in einer interessanten und tollen Zeit mit ihren Fragen, die aufkommen. Die Katholische Kirche kennt ein Auf und Ab und wir sind mittendrin. Herzlichen Dank für Ihre Fragen, Frau Schopper!