Brilon/Marsberg. In Brilon stehen Vater und Sohn aus Marsberg vor Gericht. Es geht um den blutigen Höhepunkt eines lange zwischen zwei Familien gärenden Streits.

Für das SchöffengerichtBrilon war es der „traurige Höhepunkt einer jahrelang schwelenden Fehde“: An einem Mai-Abend vergangenen Jahres nahmen ein 54 Jahre Mann und sein 23 Jahre alter Sohn auf einem Wirtschaftsweg im Raum Marsberg einen Landwirt (60) aus dem Nachbarort mit einem Spaten und mit den Fäusten ordentlich in die Mangel. Mehrere Gesichtsbrüche, Platzwunden am Kopf, ein zertrümmerter Unterarmknochen und heftige Prellungen setzten ihn wochenlang außer Gefecht.

Jetzt erhielten beide die Quittung: Wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilte das Schöffengericht Brilon den Vater zu einer zwei- und den Sohn zu einer einjährigen Freiheitsstrafe. Damit bleibt ihnen das Gefängnis noch einmal erspart, denn Staatsanwältin Subat hatte für beide jeweils drei Jahre Haft gefordert. Dann wäre eine Bewährung nicht mehr möglich gewesen.

Opfer in die Falle gelockt?

Die beiden Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert. Sie räumten ein, dass der 60-Jährige seine Verletzungen „natürlich nicht erfunden“ habe. Über den Hergang gebe es jedoch „im Kern zwei unterschiedliche Darstellungen“, so Rechtsanwalt Oberlies.

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In der Tat. Nach Schilderung der Angeklagten soll der 60-Jährige mit seinem Trecker den Wagen des Sohnes auf dem schmalen Wirtschaftsweg blockiert und mit einer Eisenstange auf den Wagen eingeschlagen haben. Der Sohn habe dann zuhause angerufen, worauf hin der Vater und die Frau des Sohnes mit zwei Wagen zu Hilfe kamen.

Die Frau will trotz ihrer Schwangerschaft am Ort des Geschehens als erste auf den wütenden 60-Jährigen losgegangen sein, um ihn zu bremsen. Dabei habe der 60-Jährige sie in den Bauch geboxt und auf den Boden gestoßen.

Spatenstiel zerbrach

Der Vater will sich aus dem Anhänger seines Wagens einen Spaten geschnappt haben, um etwas zur Verteidigung in der Hand zu haben. Der 60-Jährige habe mit der Eisenstange wild auf ihn eingedroschen, dabei sei sogar der Stiel des Spatens zerbrochen. Dann habe er „mit den beiden Teilen“ selbst „volles Rohr“ so lange auf den 60-Jährigen „draufgekloppt, bis er die Stange endlich wegwarf“.

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Das Opfer schilderte den Vorfall so: Er sei mit dem Trecker auf dem Weg nach Hause gewesen, als ihm von weitem der Wagen des Sohn auffiel. Der habe auffällig zurückgesetzt, sei in den Wirtschaftsweg gefahren, den er auch nehmen musste, habe nach einem kurzen Stück gedreht und sei ihm entgegengekommen und habe ihn blockiert.

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Dann seien von der anderen Seite auch schon die beiden Wagen mit dem Vater und der Frau des 23-Jährigen herangeschossen, alle seien auf seinen Trecker los, die beiden Angeklagten hätten ihn vom Trecker gezogen und der Vater habe mit dem Spaten auf ihn eingeschlagen. Gleich einer der ersten Schläge habe ihn so schwer am Knie getroffen, dass er vom Trecker fiel. Dann hätten beide weitergemacht - „Irgendwann wurde ich bewusstlos.“

Staatsanwältin: Sehr einseitiges Verletzungsbild

Gefunden wurde der Verletzte nur wenige Minuten später von seiner Frau und seinem Sohn. Dem 16-Jährigen war zufällig aufgefallen, dass der angeklagte Vater und dessen Schwiegertochter mit hoher Geschwindigkeit aus dem Dorf rasten - ein ungutes Gefühl beschlich ihn und er rief seinen Vater an, wo er denn bleibe. Als der antworte, dass ihm der jetzt angeklagte Sohn mit seinem Wagen den Weg versperre, fuhr er seinerseits gemeinsam mit seiner Mutter zu der beschriebenen Stelle. Dabei kamen ihnen die drei Fahrzeuge der verfeindeten Familie auch schon wieder entgegen. Am Tatort habe er dann den blutenden und bewusstlosen Vater gefunden und die Polizei alarmiert.

Für Staatsanwältin Subat stand fest, dass die beiden Angeklagten dem 60-Jährigen „eine Lektion erteilen“ wollten. Zu den Ungereimtheiten gehöre das „sehr einseitige Verletzungsbild“. Immerhin soll der an die zwei Meter große 60-Jährige „außer Rand und Band“ mit einer langen Eisenstange um sich geschlagen haben; auch am Auto des Sohnes seien keine daherrührenden Schäden festgestellt worden.

Verteidiger: Recht auf Notwehr

Die beiden Verteidiger Oberlies und Schwarze nahmen für ihre Mandanten das Notwehrrecht in Anspruch und plädierten auf Freispruch gemäß dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Wie die Feindschaft entstand, konnte niemand mehr sagen. Zur Sprache kamen gegenseitige Anzeigen beim Zoll, Finanzamt, Jugend- und Ordnungsamt, Polizei und Landwirtschaftskammer. Es hatte auch schon früher handfesten Streit gegeben, eine Mediation war gescheitert.