Brilon/Olsberg. Für die SPD ist der Kreistagsbeschluss zur Aufgabe der Notarztstandorte Brilon und Olsberg bedenklich. Für die CDU ist die Kritik „populistisch“.

Als Abstimmung „gegen die Bürgerinnen und Bürger im Ostkreis“ bezeichnet Hubertus Weber, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat Brilon und Kandidat für die Landtagswahl, die Entscheidung des Kreistags, den Rettungsdienstbedarfsplan wie von den Krankenkassen vorgeschlagen und vom Regierungspräsident beschieden umzusetzen.

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Das hatte, wie am Samstag berichtet, eine breite Mehrheit aus CDU, Linke, SBL sowie Teilen der Grünen und der FDP am Freitag in der Sitzung in der Bigger Schützenhalle beschlossen. Damit werden die beiden Notarztstandorte in Brilon und Olsberg aufgegeben und in Altenbüren ein für beide Kommunen zuständiger neuer zentraler Notarztsitz installiert.

Die erst 2009 am Briloner Krankenhaus gebaut Rettungswache soll an die Umgehungsstraße bei der Fa. Egger verlegt werden. Bisher ist der Notarzt im Krankenhaus stationiert. Er soll ebenso wie der in Olsberg aufgelöst und durch einen zentralen Standort in Altenbüren ersetzt werden.
Die erst 2009 am Briloner Krankenhaus gebaut Rettungswache soll an die Umgehungsstraße bei der Fa. Egger verlegt werden. Bisher ist der Notarzt im Krankenhaus stationiert. Er soll ebenso wie der in Olsberg aufgelöst und durch einen zentralen Standort in Altenbüren ersetzt werden. © WP | Jürgen Hendrichs

Die SPD dagegen hatte den Erhalt der beiden Standorte gefordert und, um den gesamten Rettungsdienstbedarfsplan nicht zu gefährden, vorgeschlagen, diesen strittigen Punkt aus der Beschlussfassung herauszunehmen.

Die den Kreistags-Beschluss tragende Mehrheit habe, so Hubertus Weber, damit gezeigt, dass ihr „eine wohnortnahe und erreichbare Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum nur in Sonntagsreden wichtig zu sein scheint“.

Was beschert der Krankenhausbedarfsplan der Region?

Und was Weber gemeinsam mit dem zweiten SPD-Landtagskandidaten aus dem HSK, Frank Neuhaus (Arnsberg), befürchtet: „Die gesundheitspolitischen Fehlentscheidungen der Landesregierung mit Blick auf den neuen Krankenhausbedarfsplan werden die Gesundheitsversorgung vor Ort möglicherweise erneut schwächen.“ Beide betonen, dass „nicht nur die Kosten das ausschlaggebende Kriterium“ in der Gesundheitsversorgung sein dürfen.

Bei der Abstimmung im Kreistag war das Briloner CDU-Kreistagsmitglied Wolfgang Diekmann ausgeschert und hatte aus dem gleichen Grund wie die SPD gegen die Fortschreibung gestimmt. Das zweite CDU-Kreistagsmitglied aus Brilon, Eberhard Fisch, hatte für den Gesamtplan gestimmt, weil – so Fisch zur WP – das Rettungswesen eine „Pflichtaufgabe des Kreises zur Erfüllung nach Weisung“ sei.

Antwort der CDU: „Populistisch“

Vor diesem Hintergrund sei die Zusammenlegung der beiden Notarztstandorte durch die Bezirksregierung „abschließend entschieden und deshalb gerichtlich nicht mehr anfechtbar“ – wenngleich er selbst die Entscheidung aus Arnsberg „für falsch“ halte. Die öffentliche Kritik der beiden SPD-Kommunalpolitiker bezeichnete Fisch als „populistisch“.

In dem Bericht am Samstag war SBL-Kreistagsmitglied Reinhard Loos (Brilon) dahingehend zitiert worden, dass bei 29 Prozent der Rettungsdiensteinsätze „kein Notarzt“ hinzugezogen werde. Loos hatte jedoch gesagt, dass in 29 Prozent der Fälle „ein Notarzt“ mit herausfahre. Der Reduzierung der Notarztstandorte von kreisweit neun auf sieben stellte Loos die Verbesserung bei den Rettungswachen von 12 auf 14 Standorte entgegen.

Neue Schule für neues Berufsbild in Enste

Zudem gebe es durch das Notfallsanitätergesetz weitreichende Verbesserungen bei Ausbildung und Qualifikation der RTW-Besatzungen. Die bisherigen Rettungsassistenten können sich noch bis Ende 2023 zu Notfallsanitätern in insgesamt 960 Stunden nachschulen. Während die Ausbildung von Rettungsassistenten aus einer einjährigen Schulphase und einem anschließenden praktischen Jahr bestand, beträgt sie bei Notfallsanitätern drei Jahre.

Neben den Notfallsanitätern und Rettungsassistenten gibt es – um die Verwirrung für Nicht-Insider komplett zu machen – auch Rettungssanitäter. Ihre Ausbildung besteht aus einem 13-wöchigen Lehrgang, es handelt sich dabei nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf.

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Ab 1. Februar 2027 müssen alle Rettungswagen (RTW) und Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) mit mindestens einem Notfallsanitäter oder einer -sanitäterin besetzt werden.

Das Notarzteinsatzfahrzeug dient dazu, den Notarzt im Rahmen des sogenannten Rendezvous-System zum Einsatzort zu bringen, der parallel von einem RTW angefahren wird.

Der Hochsauerlandkreis hat zum Schuljahr 2019/20 im Rettungszentrum Enste die Rettungsdienstschule eingerichtet. Im kommenden Sommer beendet der erste Jahrgang die Ausbildung. Die Klassen sind auf bis zu 20 Personen ausgelegt. Der aktuelle Einstiegsjahrgang besteht aus 15 Teilnehmenden. Aus den Absolventen rekrutieren der HSK und die Stadt Arnsberg ihr Personal für den Rettungsdienst.

Was kostet 10-Minuten-Hilfsfrist?

Im Zuge der Diskussion des Rettungsdienstbedarfsplanes stellte SBL-Abgeordneter Loos den Antrag, dass der HSK in Anlehnung an die Vorgaben in Hessen, die Verkürzung der sog. Hilfsfrist – das ist die Zeit zwischen Alarmierung des Rettungsdienstes und dessen Eintreffen am Einsatzort – von bisher zwölf auf zehn Minuten einführen soll. Dazu, so Loos, müsse es „nur genug Rettungswachen und Rettungswagen geben“. Das ging dem Kreistag allerdings zu weit, immerhin sollen auf Vorschlag des Landrats aber mal die Kosten für eine derartige Aufstockung ermittelt werden.