Hagen. Das Land will die Krankenhauslandschaft neu ordnen. Auch Experten raten zum Neubau einer Großklinik im Hochsauerland.

Längst wollte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen unter Dach und Fach haben. Zum 1. Januar 2021 sollte das „Dritte Gesetz zur Änderung des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen“ bereits in Kraft treten.

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Am kommenden Mittwoch werden im Gesundheitsausschuss im Landtag aber zunächst noch einmal Sachverständige gehört und der Gesetzentwurf der Landesregierung erneut diskutiert. Dabei sei eine Neugestaltung der Krankenhauslandschaft und deren Finanzierung aus Sicht von Experten dringend erforderlich. „Die Corona-Krise zeigt die Schwächen des Systems wie in einem Brennglas. Es fehlt an Transparenz“, sagt Reinhard Brücker, Chef der BKK Viactiv mit Sitz in Bochum.

Reinhard Brücker, Chef der BKK Viactiv mit rund 800.000 Kassenmitgliedern, kritisiert die Intransparenz im Gesundheitswesen insbesondere bei der Finanzierung der Krankenhäuser. In Coronazeiten seien die Fallzahlen gesunken und die Kosten gestiegen.
Reinhard Brücker, Chef der BKK Viactiv mit rund 800.000 Kassenmitgliedern, kritisiert die Intransparenz im Gesundheitswesen insbesondere bei der Finanzierung der Krankenhäuser. In Coronazeiten seien die Fallzahlen gesunken und die Kosten gestiegen. © WP | Jens Helmecke

Bis einschließlich des dritten Quartals (Ende September) haben die gesetzlichen Krankenkassen demnach mit knapp 60 Milliarden Euro zwar nicht viel mehr als im Vorjahreszeitraum für Krankenhausbehandlungen und stationäre Rehabilitation gezahlt, als 59,3 Milliarden flossen. Allerdings seien wegen Corona weitere 8,76 Milliarden Euro für Einnahmeausfallpauschalen an die Krankenhäuser gezahlt worden. „Eine Steigerungsrate von 15,8 Prozent“, wundert sich Brücker über höhere Kosten bei deutlich weniger Fällen. Die 589 Millionen Euro für den Aufbau von Intensivbetten sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Beim Laumann‘schen Gesetzentwurf geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um Qualität. Künftig soll die Planung nicht mehr auf Basis von Krankenhausbetten vorgenommen werden, sondern anhand von medizinischen Leistungen. Ein Ansatz, den Dirk Janssen, stellv. Vorsitzender des BKK-Landesverbands Nordwest, auch mit Blick auf das Sauerland für dringend notwendig hält: „Bisher entwickelt sich die Krankenhauslandschaft eher nach dem Zufallsprinzip: Immer dann, wenn ein Krankenhaus in eine wirtschaftliche Schieflage gerät, wird im Einzelfall eine Fusionslösung gesucht oder es kommt gar zur Schließung“, beobachtet Janssen, der eine Schwerpunktklinik im Hochsauerland statt vieler kleinerer Häuser für richtig hält.

Tobias Metten: „Ein Klinikneubau im Arnsberger Bereich wäre ideal.“

„Im Sauerland sind Landkreis und die verschiedenen Träger aufgerufen, ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept zu entwickeln, das sich nicht an den Einzelinteressen, sondern an der Versorgung der Bevölkerung und der Qualität orientiert. Dieses kann Modellcharakter auch im Hinblick auf die von der Landesregierung geplante neue Krankenhausplanung erhalten, wenn die stationären Kapazitäten zentral zusammengefasst und diese mit neuen ambulanten Versorgungszentren in den Regionen vernetzt werden“, erläutert Janssen.

Grundversorgung weiter wohnortnah

Laut Gutachten, das vom Landesgesundheitsministerium 2019 (www.mags.nrw/krankenhausplanung) veröffentlichtwurde, würde ein Neubau im HSK nicht bedeuten, dass Kliniken zwangsläufig geschlossen werden müssten. Sie sollen Grundversorgung bieten. Patienten sollen ein Krankenhaus auch in Zukunft innerhalb von 30 Minuten erreichen können, erklärte der Minister.

Ein Vorschlag, der auch in der Wirtschaft Anklang findet. Tobias Metten, Vorsitzender der Unternehmervereinigung Sauerland Initiativ, hält „einen großen Wurf im Gesundheitsbereich für nötig“. Es nütze wenig, den derzeitigen Stand im Krankenhauswesen im Hochsauerlandkreis zu unterfüttern: „Wir benötigen eine Schwerpunkt-Klinik, die die Zusammenarbeit mit Unikliniken verstärkt. Ein Neubau im Arnsberger Bereich wäre ideal“, meint der Unternehmer.

Eine andere Variante wäre die Stärkung des städtischen Krankenhauses Maria-Hilf in Brilon im östlichen Hochsauerlandkreis. Die Klinik schreibt nach eigenen Angaben seit zwei Jahren wieder schwarze Zahlen und konsolidiert. Die Idee, das insolvente Winterberger St. Franziskus Hospital in abgespeckter Form einzubinden und so zu erhalten, ist seit Freitag vom Tisch.

„Das Sauerland kann für die vom Land geplante Neuordnung eine Blaupause zeichnen. Arnsberg und Brilon sind dafür ideale Ausgangspunkte“, sagt René Thiemann, Interimsgeschäftsführer des städt. Krankenhauses in Brilon, außerdem Geschäftsführer des Dortmunder Hüttenhospitals.
„Das Sauerland kann für die vom Land geplante Neuordnung eine Blaupause zeichnen. Arnsberg und Brilon sind dafür ideale Ausgangspunkte“, sagt René Thiemann, Interimsgeschäftsführer des städt. Krankenhauses in Brilon, außerdem Geschäftsführer des Dortmunder Hüttenhospitals. © WP | Jens Helmecke

Ein entsprechendes Integrations-Konzept des Briloner Interimsgeschäftsführers René Thiemann wird vom Landesgesundheitsministerium finanziell nicht unterstützt. Nach Informationen dieser Zeitung kam dazu vor ein paar Tagen eine Absage aus Düsseldorf. Für das gerade erst wieder auf gesunde Füße gestellte Briloner Krankenhaus ist eine Eigenfinanzierung aber offenbar zu risikoreich.

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Zum Bedauern von Thiemann: „Wir benötigen im Sauerland ein gemeinsames Verständnis einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung. Spitzenmedizin zentralisiert und in der Fläche ergänzt durch ambulante und stationäre Leistungsangebote zur Sicherung der Notfall- und Basisversorgung. Das wird ganz im Sinne des zu erwartenden neuen Krankenhausplans sein. Das Sauerland kann dafür eine Blaupause zeichnen. Arnsberg und Brilon sind dafür ideale Ausgangspunkte.“

Vorerst vom Tisch: Integration des Winterberger Hospitals nach Brilon

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© Region Krankenhäuser | Manuela Nossutta / Funkegrafik NRW

Winterberg wäre nach Thiemanns Ansicht eine passende Ergänzung für Brilon gewesen. Nun wird sich möglicherweise der Hochsauerlandkreis um die Zukunft des Sankt Franziskus-Hauses und dessen Finanzierung kümmern müssen, um eine Schließung abzuwenden. „Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft sind gut beraten, ihre Kräfte zu bündeln, um wirtschaftlicher zu werden. Es bietet sich an, Management und zentrale Bereiche in verantwortungsvolle gemeinsame Hände zu geben. So gelingt ein wirtschaftlicher Betrieb mit gemeinsamem Blick auf die Versorgungsqualität. Eine systematische, gemeinsame Steuerung von Patienten, insbesondere in Katastrophen-/Pandemiesituationen wird möglich“, so Thiemann. Es bleibe dabei: „Wir brauchen eine Art ,regionalen bzw. kommunalen Gesundheitskonzern’ im Hochsauerland.“

Dies käme dem Sinn des geplanten NRW-Gesetzes nahe. Ob aber ein hochsensibles Thema wie Veränderung der Krankenhauslandschaft in den Wahljahren 2021 (Bund) und 2022 (Land) angegangen wird, ist fraglich.