Hallenberg. Endlich mal wieder sorglos lachen: Was ein Mann in Frauenkleidern auf der Freilichtbühne Hallenberg treibt und wieso sich ein Theaterbesuch lohnt:
Es ist wie verhext. Der Student Jack ist unsterblich in die anmutige Kitty verliebt, seine Kommilitonen Charley und Willy haben sich in die hübschen Schwestern Amy und Dori verguckt. Und auch die drei Mädels sind diesen Avancen gegenüber durchaus nicht abgeneigt. Es könnte also alles ganz einfach sein, ist es aber nicht im englischen Oxford um 1900. WhatsApp ist noch nicht erfunden, so müssen die schmachtenden Liebesbriefe von Boten persönlich überbracht werden. Es fehlt zudem am nötigen Geld und – an einer Anstandsdame, die in gehobenen Kreisen zwingend erforderlich ist für ein sittsames Rendezvous. Weil Charleys reiche Erbtante aus Brasilien unverhofft für dieses Amt ausfällt, wird kurzerhand der gemeinsame Freund Babbs gefügig gemacht, um ihn in ein Kleid und damit diese Rolle zu stecken.
Freilichtbühne Hallenberg spielt Charley s Tante
Unglaubliches Textvolumen
Wem diese Geschichte bekannt vorkommt, liegt richtig: „Charley´s Tante“ ist weltweit eine der bekanntesten Komödien und wurde u.a. bereits mit Heinz Rühmann und Peter Alexander verfilmt. Diesen Sommer gastiert sie auf der Freilichtbühne in Hallenberg und feierte am Samstag ihre gelungene Premiere. Jonas Schöttler als Charleys verkleidete Tante und Medin Jakupovic als eloquenter Jack überzeugen in den Hauptrollen und verblüffen die Zuschauer mit einem unglaublichen Textvolumen. Auch das weitere Ensemble ist bis in die Nebenrollen treffsicher besetzt und sorgt beim Publikum für viele Lacher und Szenenapplaus. Inszeniert wird „Charley´s Tante“ von der Jugendgruppe der Freilichtbühne unter der Regie von Manuela Senger und Stefan Pippel.
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Junge Talente und alte Hasen
Fast alle Darsteller sind erst zwischen 13 und 25 Jahren alt. Trotz ihrer jungen Jahre sind viele von ihnen schon alte Bühnen-Hasen, haben im Kleinkindalter die ersten Auftritte gehabt und bereits Hauptrollen gespielt, so z.B. Franziska Mause (die echte Tante) in „My fair Lady“, Medin Jakupovic (Jack) als „Peter Pan“ oder Louis Stöber (Onkel) als todbringender Boandlkramer im „Brandner Kasper“.
Sehr zur Freude der Zuschauer läuft es bei den Schäferstündchen der verliebten Pärchen natürlich auch weiterhin nicht rund. Der jähzornige Onkel der drei Mädchen will die sich anbahnenden Verwicklungen vehement unterbinden, außerdem platzt Jacks Vater mit der Nachricht herein, dass er pleite ist. Die beiden ältlichen Herren sind von den Reizen und vor allem vom angeblichen Reichtum der skurrilen Tante sehr angetan und überschütten sie mit Heiratsanträgen. Um die Verstrickungen perfekt zu machen, taucht dann auch noch die richtige Tante auf. Es wird verwirrt, geirrt, betört und gestört; letztlich fliegt der ganze Schwindel mit einem großen Knall auf. Soviel sei schon vorab verraten: Die meisten vertragen und kriegen sich am Ende! Und sie stellen fest: „Sind die Kerle nicht dumm und die Frauen die reinsten Satansbraten?“
Weitere Spieltermine
Es gibt noch acht Gelegenheiten, „Charley’s Tante“ auf der Freilichtbühne Hallenberg zu besuchen: 28. Juli um 17 Uhr; 3. August um 17 Uhr; 7. August um 20 Uhr; 8. August um 15.30 Uhr; 11. August um 17 Uhr; 13. August um 20 Uhr; 14. August um 15.30 Uhr und am 15. August um 15.30 Uhr.
Alle Informationen, Reservierungsmöglichkeiten und die gültigen Corona-Regelungen finden sich unter freilichtbuehne-hallenberg.de.
Schwierige Rahmenbedingungen
Wer die jungen Schauspieler in voller Aktion auf der Bühne sieht, kann sich kaum vorstellen, unter welch schwierigen Rahmenbedingungen das Stück einstudiert worden ist. Bereits im vorigen Sommer fand das Casting statt mit dem Plan, „Charley´s Tante“ als traditionelles Winterstück im Februar in der Stadthalle zu spielen. Die Proben begannen, mussten aber schon bald wegen des Lockdowns im November unterbrochen werden - in der Hoffnung, einige Wochen später wieder durchstarten zu können. Im Dezember zeichnete sich jedoch ab, dass Theateraufführungen in geschlossenen Räumen auf lange Sicht utopisch sein würden. Also alles absagen?
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Erstmals drei Inszenierungen
Die Freilichtbühnen-Verantwortlichen entschieden sich, das Stück in den Sommer-Plan aufzunehmen und erstmals in der Geschichte drei verschiedene Aufführungen mit kleinen, jeweils in sich geschlossenen Teams vor und hinter den Kulissen anzubieten – immer mit der Unsicherheit im Nacken, ob die Pandemie-Entwicklung das Freilufttheater überhaupt zulassen würde.
Die Darsteller, die ja eigentlich Proben- und Spieltermine im Winter eingeplant hatten, zogen geschlossen mit, keiner sprang ab. Also wurden die Proben wieder aufgenommen, aber nur per Videokonferenz. Einige Schauspieler bauten sich zuhause sogar Requisiten auf, um vor dem Bildschirm ein Gefühl für die verschiedenen Szenen zu bekommen. Ab Mai durften dann Zweierszenen mit Abstand auf der Bühne selbst geprobt werden, Wochen später dann erst die Sequenzen mit mehr Schauspielern – immer mit aktuellem Test.
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Auch im Kostümfundus oder der Maske funktionierte alles nur auf Abstand und mit Einzelterminen, einmal mussten die Premieren für alle drei Stücke sogar verschoben werden. Die beiden Regisseure Stefan Pippel und Manuela Senger sprechen ihrem Team deshalb ein Riesenlob aus: „Alle haben trotz der Unsicherheit, ob wir überhaupt spielen können, ein Jahr lang die Spannung gehalten, teilweise ihren Sommer-Urlaub abgesagt und unter diesen Ausnahmebedingungen ein Wahnsinnsstück punktgenau auf die Beine gestellt.“
Das Premieren-Publikum wusste diesen Aufwand zu schätzen, ging von der ersten Minute an begeistert mit und bedankte sich am Schluss mit minutenlangen stehenden Ovationen. Das 75. Jubiläumsjahr der Freilichtbühne hat viele unerwartete Herausforderungen mit sich gebracht. Um eines braucht sie sich aber keine Sorgen machen: Bei solchen Jungschauspielern ist die Zukunft der Freilichtbühne ganz bestimmt gesichert.