Hallenberg. . Es gibt große Rollen an der Freilichtbühne und kleine - aber beide sind wichtig. Professor Higgins und vier Pferde erzählen vom Bühnenalltag.

„Is dett nich wundascheeen!“ Das Musical „My fair Lady“ füllt der Hallenberger Freilichtbühne die Ränge. Durchschnittlich 1000 Zuschauer pro Aufführung sind hin und weg, wenn das Blumenmädchen Eliza Doolittle und der Sprachforscher Henry Higgins durch die Straßen Londons wirbeln. Ein wahnsinniges Textpensum und nahezu ständige Bühnenpräsenz hat Thomas Knecht, der den exzentrischen Professor spielt. Kaum bis keinen Text haben dagegen die Darsteller, die kleine, aber dennoch unverzichtbare Rollen übernehmen. Wir stellen beide Seiten vor:

Der Zweibein-Galopp

„Ich spiele Rennpferd in ,My fair Lady’!“ Wer kann das schon von sich behaupten? Herbert Pippel, Gerhard Knecht, Reinhard Biber und Medin Jakupovic stülpen sich für zwei kurze Szenen die Gummi-Pferde-Köpfe über und traben als vermeintliche Galopper von Ascot über die Rennbahn. Das Publikum johlt. Es gibt Inszenierungen, in denen nur wildes Pferdegetrappel von links nach rechts zu hören, aber kein Tier zu sehen ist.

Die vier Pferde aus My fair Lady: Gerhard Knecht, Reinhard Biber, Herbert Pippel und Medin Jakupovic (v.l.).
Die vier Pferde aus My fair Lady: Gerhard Knecht, Reinhard Biber, Herbert Pippel und Medin Jakupovic (v.l.). © Thomas Winterberg

Regisseur Florian Hinxlage hat sich für vier „echte“ Zossen und den Zweibein-Galopp entschieden. „Es weiß ja eigentlich niemand, wer unter der Maske steckt. Auch beim Schluss-Applaus outen wir uns nicht“, stellt Freilichtbühnen-Urgestein Herbert Pippel das Licht der Rösser mit den Startnummern der Winterberger Bobbahn unter den Scheffel. Aber spätestens durch diesen Beitrag ist das Pferde-Geheimnis gelüftet.

Eine Frage der Logistik

Um sich vor der großen Tanz-Szene zu drücken, haben einige der Vier lieber aufs Pferd gesetzt. „Pferd ist besser als tanzen“, sagt Reinhard Biber. „Für mich würde eine größere Rolle nicht zuletzt auch ein logistisches Problem bedeuten, denn mein Arbeitsplatz liegt 130 Kilometer entfernt“, erklärt Gerhard Knecht. „Ich bin das erste Mal dabei und über meine Freunde zur Bühne gekommen. Aber ich könnte mir auch vorstellen, später mal eine Sprechrolle zu spielen“, ist Medin Jakupovic begeistert.

Die Vier sind neben der Pferderolle aber auch noch in vielen anderen Szenen zu sehen – zum Beispiel als Saufkumpel von Alfred P. Doolittle. Aber selbst beim kleinsten Bild ist es wichtig, immer konzentriert bei der Sache zu sein. Dass sie n u r kleine Rollen spielen, schmälert in keiner Weise das Zusammengehörigkeitsgefühl oder das Ansehen unter den Akteuren. „Wir sind hier eine gemeinsame Truppe und da kommt es nicht drauf an, ob man eine große oder kleine Rolle spielt“, sagt Herbert Pippel, der außerdem auch noch für die Requisite zuständig ist.

Als Baby über die Bühne getragen

Seit 32 Jahren spielt Thomas Knecht auf der Bühne mit: „Als Einjähriger bin ich das erste Mal über die Bühne getragen worden und seitdem ohne Unterbrechung dabei.“ Was er diesmal als Professor Higgins an Texten und Melodien im Kopf haben muss, ist ein nahezu unmenschliches Pensum: „Ja, es ist hier und da schon ein wenig anstrengend. Ich kann mir relativ viel bei den Proben einprägen und muss zu Hause nur noch die Stellen nacharbeiten, die weniger gut klappen. Und dann gibt es noch Textpassagen, bei denen man auf keinen Fall nachdenken darf. Die müssen einfach wie von selbst rauskommen, weil sie so schnell sind. Ansonsten hilft mir einfach das Talent zum Auswendiglernen.“

Anfang September ist Saisonende

Genauso erfolgreich wie „My fair Lady" ist das Familienstück „Heidi“, das ebenfalls auf rund 1000 Besucher je Vorstellung kommt.

Nächster Termin für „My fair Lady“ ist am Freitag um 20 Uhr und für „Heidi“ heute um 17 Uhr.

Karten unter www.freilichbuehne-hallenberg.de oder unter 02984 929190 oder info@freilichtbuehne-hallenberg.de

Der 33-Jährige hat zunächst auch mit kleinen Rollen angefangen. „Lange Zeit war der Hilfskellner „Piccolo“ im ,Weißen Rössel’ mein Favorit. Vielleicht, weil es meine erste Sprechrolle im Erwachsenentheater war. Aber auch die Daphne letztes Jahr in ,Manche mögen’s heiß’ oder eben jetzt der Higgins sind für mich ganz fantastische Rollen, weil sie wahnsinnig viel Spaß machen.“

Eine Aufführung bedeutet für ihn und die anderen Akteure inzwischen einen Zeitaufwand von fünf Stunden. 90 Minuten vor jedem Stück wird ein Soundcheck gemacht. „Mit unseren eigenen Ansprüchen wächst auch diese Vorbereitung. Die Stimme muss warm sein. Einfach so rausgehen und singen, kann funktionieren, muss aber nicht. Gute Vorbereitung gibt Routine, Sicherheit und garantiert damit auch Qualität“, sagt der CAD-Konstrukteur.

Thomas Knecht mit Regisseur Florian Hinxlage und Franziska Mause, die die Eliza spielt.
Thomas Knecht mit Regisseur Florian Hinxlage und Franziska Mause, die die Eliza spielt. © Rita Maurer

Obwohl der 33-Jährige auf der Bühne gegenüber Frauen sehr uncharmant ist, hat ihm noch niemand Prügel angedroht. „Aber es ist immer wieder schön zu erleben, wie das Publikum auf den einen oder anderen Satz von mir reagiert. Es gibt eine Stelle, da werde ich ausgebuht und ausgepfiffen. Innerlich lache ich darüber, denn das zeigt mir, dass das, was ich auf der Bühne mache, auch funktioniert.“

Mehr als Routine

Trotz aller Routine ist für Thomas Knecht längst nicht jede Aufführung gleich: „Ein Publikum, das mehr mitgeht, das wir als Spieler selbst mehr wahrnehmen, pusht einen natürlich auf der Bühne, um noch mehr Gas zu geben. Aber ganz viel macht natürlich auch die individuelle Tagesform aus.“

Die Umstellung auf einen anderen Regisseur hat Thomas Knecht nichts ausgemacht. „Ihm war es wichtig, dass ich den Higgins gebe, mich aber stimmlich oder spielerisch nicht älter mache als ich bin. Ich darf also auch ein großes Stück ich selbst sein.“ Naja, das stimmt nicht ganz - denn in natura ist der Thomas kein cholerischer Akademiker, sondern ein ganz Netter...

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