Winterberg/Arnsberg. Am Landgericht in Arnsberg muss sich ein Mann aus Winterberg wegen Totschlags verantworten. Das Verfahren sorgte für ungeklärte Fragen.
Der über vier lange Verhandlungstage dauernde Strafprozess vor der 4. Großen Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichtes Arnsberg war selbst für dieses Gericht außergewöhnlich. Einem 48-jährigen Mann aus Winterberg-Grönebach wird von der Staatsanwaltschaft versuchter Totschlag vorgeworfen. Er soll inTötungsabsicht seinem 65-jährigen Wohnungsnachbarn, mit dem er zerstritten war, zwischen dem 28. Und 30. Dezember 2020 zwei Messerschnitte am Hals beigebracht und ihm ein Kissen aufs Gesicht gedrückt haben.
Tage vor der Tat soll der Angeklagte die Wohnung des späteren Opfers und eines weiteren Nachbarn mit einer Axt verwüstet haben. In der Wohnung des 65-Jährigen fand manDNA-Spuren des Beschuldigten, die aber keine Beweiskraft hatten, weil sie altersmäßig nicht eingeschätzt werden konnten. Der Angeklagte geriet schnell in Tatverdacht und wurde vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
Angeklagter aus Winterberg schweigt zum vermeintlichen Totschlag
Weder zum Tatgeschehen noch zu seiner Person machte er Angaben. Während der gesamten vier Verhandlungstage sprach der Angeklagte nicht ein einziges Wort, saß regungslos mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank. Es hatte den Anschein, dass die Verhandlung an ihm vorbeiginge.
Ein Gerichtsmediziner stellte fest, dass weder die Halsschnitte noch das Auflegen des Kissens zum Tod geführt hätten. Er diagnostizierte ein übergroßes Herz, ein Herzinfarkt könnte auch zum Tod geführt haben. Im Blut des Opfers wurden Alkohol und Spuren von Drogen gefunden. Mit letzter Sicherheit allerdings war die tatsächlicheTodesursache nicht feststellbar. Die mögliche Selbstbeibringung der Halsschnitte wurde verworfen, weil sich dann das Schnittwerkzeug in der Nähe des Toten hätte befinden müssen. Ein solches Werkzeug wurde nicht gefunden.
Nach seiner Unterbringung hatte der Tatverdächtige einem Psychologen gegenüber angegeben, damals unter Drogenwahn gestanden zu haben. Er höre Stimmen. Diese Angaben machte ebenfalls der eingeschaltete Gutachter, ein Facharzt für Psychiatrie. Der Patient habe ihm gegenüber geäußert, er habe sich im Haus belästigt und bedroht gefühlt. Die Stimmen höre er seit seinem achten Lebensjahr. Er habe in der Gastronomie gearbeitet und sei früh mit Drogen in Kontakt geraten. Auf die Frage des Arztes, was er denn konsumiere habe der Angeklagte damals geantwortet: „Fragen sie mich lieber, was ich nicht nehme.“
Winterberger ist schuldunfähig
Dem Angeklagten wurde Schuldunfähigkeit attestiert. Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei notwendig. Der Staatsanwalt in seinem Plädoyer: „Die Beweisaufnahme war überaus schwierig. Es bleibt einiges im Unklaren. Woran der 65-Jährige letztlich gestorben ist, bleibt unsicher.“ Es stehe für ihn jedoch fest, dass der Tod aufgrund von einer Fremdeinwirkung stattgefunden haben müsse, für die nur der Angeklagte infrage komme. Da er aber schuldunfähig sei, könne er nicht bestraft werden. Man komme an einer Unterbringung nicht vorbei.
Der Verteidiger Oliver Brock aus Brilon sah das aber anders: „Oft hat man in ähnlichen Prozessen den Mörder und keine Leiche. Hier haben wir eine Leiche und keinen Mörder. Weil man keine eindeutige Beweislage für die Täterschaft hat, ist mein Mandant freizusprechen.“
Angeklagter wird zum Teil freigesprochen
Das machte die Kammer auch, aber nur hinsichtlich des Vorwurfes des Totschlages. Rechtlich bleibe aber durch den Einsatz eines gefährlichen Werkzeuges und einer das Leben gefährdenden Behandlung eine gefährliche Körperverletzung, die der Angeklagte begangen habe.
Wegen seiner Schuldunfähigkeit könne er nicht bestraft werden. Da er jedoch wegen seiner psychischen Erkrankung, wie attestiert, für die Allgemeinheit gefährlich ist und weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind, wurde von der Kammer die freiheitsentziehende Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ferner wurde die Entnahme von DNA-Material zur Lagerung beim Bundeskriminalamt veranlasst.