Freilichtbühne Hallenberg lädt zum gestiefelten Kater ein
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Hallenberg. Nach langer Pause konnten Besucher der Freilichtbühne in Hallenberg die Premiere von „Der gestiefelte Kater“ sehen. Die verlief nicht einfach.
Wenn Ihnen demnächst jemand Nudeln mit Tomatensoße als hochherrschaftliches Festessen anpreisen will, dann kennt Ihr Gegenüber die ganz aktuellen Gesetze. Und er bzw. sie war im Familienstück „Der gestiefelte Kater“ der Freilichtbühne Hallenberg. Denn dort gibt es einen neuen Erlass für das Volk: Nudeln mit Tomatensoße gelten ab sofort als königliches Mahl.
Der gestiefelte Kater in Hallenberg
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Am Wochenende startete die Freilichtbühne in ihrem 75. Jubiläumsjahr in die lang ersehnte Sommersaison. Endlich ertönte wieder das markante Fanfaren-Signal, das den Zuschauern seit Jahrzehnten den unmittelbaren Beginn eines Stückes ankündigt, endlich lag wieder die typische Sommertheater-Stimmung in der Luft. Sowohl allen Aktiven auf und hinter der Bühne als auch den Zuschauern war die Freude darüber deutlich anzumerken, dass es nach der corona-bedingten Zwangspause im vergangenen Jahr und der langen Unsicherheit bei den Proben in diesem Jahr nun doch mit einem Hygienekonzept losgehen konnte.
Freilichtbühne Hallenberg reagiert auf Corona
Regisseurin Bärbel Kandziora hatte als Familienstück das Märchen „Der gestiefelte Kater“ den Gegebenheiten der Freilichtbühne auf den Leib geschrieben und zudem so angepasst, dass es auch unter Pandemie-Bedingungen mit einer deutlich reduzierten Spielerschar und vielen Einzelszenen auf Abstand gut funktionierte. Als geübter und damit massenszenen-verwöhnter Freilichtbühnen-Besucher fragte man sich vorab natürlich, ob 30 Darsteller und damit rund ein Drittel der sonst üblichen Spielerzahl es schaffen, die 90 Meter breite Naturbühne so auszufüllen, dass kein Gefühl von Leere entsteht. Ohne zuviel zu verraten: Sie schaffen es und zwar so gut, dass die besonderen Rahmenbedingungen sofort vergessen sind.
Die Zuschauer fiebern mit, ob der naive Hans (Til Althaus) letztlich sein Glück und seine große Liebe, die bildhübsche Prinzessin Rosa (Sophia Nebert) finden wird. Auf dem Weg dahin geht natürlich eine Menge schief, aber Hans´ Erbe, der gewiefte Kater (Mia Mütze), hat immer wieder im letzten Moment eine Idee, den schrulligen König (Ulrich Cappel) auf seine Seite zu bringen, die quirligen Rebhühner doch zu kriegen oder den großen bösen Zauberer (Frank Gehrisch) auszuschalten.
Viel zu sehen für Groß und Klein
Für die kleinen Besucher gibt es dabei in gut anderthalb Stunden incl. Pause viel zu gucken, zu staunen und zu lachen; die Großen haben ihren Spaß an originellen Wortspielereien oder Seitenhieben auf aktuelle und lokale Gegebenheiten. Sogar die Pandemie wird mit einbezogen: Denn der König hat sichtbar Ärger mit Corona, seiner übermächtigen Krone, die ihn ständig in seiner Bewegungsfreiheit beeinträchtigt. Abhilfe schafft seine Schärpe, die sich als überdimensionale OP-Maske entpuppt, und zum Glück hat seine Köchin immer eine Flasche Desinfektionsmittel in ihrer Schürze für ihn parat.
Die bühneneigene Schneiderei hat sich mit ihren bis ins Detail stimmigen und größtenteils im Homeoffice genähten Kostümen mal wieder selbst übertroffen – allen voran die unheimlich aufwendig gestalteten Rebhühner, der prächtige König oder das zauberhafte Prinzessinnenkleid, das genau den Charakter seiner Trägerin mit einer Mischung aus burschikos und lieblich trifft. Auch die Technik sorgt für Hingucker: Es prufft und knallt, wenn der böse Zauberer auftritt, die Musik, extra geschrieben von Stefan Wurz, schlägt unheilvolle Töne an, Funken sprühen und Qualmwolken vernebeln die Sicht.
Regen und Gewitter sorgen für Herausforderungen
Freilichtbühnen-Schauspieler müssen nicht nur ihre Rollen beherrschen, sondern auch mit äußeren Störfaktoren umgehen können. Am Sonntag ließen sich die Akteure weder vom Platzregen, noch von Blitz und Donner aus der Ruhe bringen. Es wurde souverän darüber hinweg gespielt, wenn das Kleid der Prinzessin nicht wie vorgesehen staubte, weil es zu nass war, oder wenn die Mikros im Dauerregen förmlich absoffen.
Glückliche Regisseurin
Glücklich und erleichtert zeigte sich Bärbel Kandziora nach der gelungenen Premiere und der anstrengenden Phase mit Proben per Videokonferenz, in der lange Zeit nicht klar war, ob die Corona-Inzidenzen überhaupt Aufführungen zulassen würden: „Ich bin sehr froh, dass sich das Risiko, das die Freilichtbühne eingegangen ist, indem sie die Saison nicht direkt abgesagt hat, jetzt ausgezahlt hat und wir tatsächlich spielen dürfen.“ Erst im Mai konnte damit begonnen werden, einzelne Szenen zu zweit auf der Bühne selbst zu proben und anschließend ab Juni wie ein Puzzle zusammenzusetzen: „Es war ein sehr intensives Arbeiten für uns alle. Ein Riesenlob an alle Ehrenamtlichen, die sich dieser Herausforderung gestellt haben!“
Das Publikum honorierte diesen Einsatz, gab reichlich Zwischenapplaus und ließ sich sehr gern zum huldvollen Volk des Königs machen. Und so gab es am Ende des Premierenwochenendes sowohl bei den Freilichtbühnen-Aktiven als auch bei den Gästen überall glückliche Gesichter. „Das war echt spitze“, lobte z.B. eine Familie aus Frankenberg: „Noch besser als Kino!“ Oder, um es mit den Worten des Königs zu sagen: „Prächtig, prächtig!“
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