Hallenberg. Was wird aus den Passionsspielen auf der Hallenberger Freilichtbühne? Welche Alternativen hat das Theater? Was ist für 2021 geplant?

Traurige Nachricht für die Theaterfreunde nicht nur im Hochsauerland . Die Freilichtbühne wird auch 2021 keine Passion spielen. Schon in diesem Jahr hatte der Verein die Aufführung der Geschichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu Christi wegen der Corona-Pandemie verschoben. Gerade die Passion ist eine Inszenierung mit weit über 100 Akteuren auf dem riesigen Theater-Gelände und rund 40.000 Menschen pro Saison im Zuschauerraum. Wann sie nachgeholt wird, ist noch unklar. Spätestens 2025 soll sie aber wieder über die Bühne gehen. Alternativ will das Ensemble in diesem Jahr drei Stücke spielen – in kleinerer Besetzung und statt 1400 dürfen maximal 600 Zuschauer pro Aufführung ins Theater. Das hängt natürlich von den bis dahin geltenden Regeln ab.

Entscheidung nicht leicht gemacht

„Wir haben lange überlegt und uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Bühnensprecher Georg Glade. Aber dann habe erst der geschäftsführende Vorstand und dann auch das erweiterte Gremium keine andere Möglichkeit gesehen, als das Stück erneut zu verschieben. „Die Passion lebt von Emotionen. Und alle von uns hängen mit dem Herzen daran. Aber wenn Maria meterweit von ihrem Sohn Jesus entfernt steht, weil sie Mindestabstände einhalten müssen, dann geht das einfach nicht.“ Bei vielen Darstellern auf und hinter der Bühne wäre auch innerhalb der Spielschar immer ein ungutes Gefühl geblieben. Und man habe niemanden einer Gefahr aussetzen wollen.

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„Aufgrund der derzeitigen und noch nicht absehbaren Situation können Intensität, Authentizität, Emotionen, die wirkliche Geschichte und dadurch die Botschaft und Lehre der Passion nicht adäquat umgesetzt werden“, sagt Regisseur Florian Hinxlage. Vor allem sei aber auch die Probensituation wie sie bisher war, so nicht umsetzbar. „Wir werden uns auf Blockproben an Wochenenden anhand eines Hygienekonzeptes einstellen müssen, damit in 2021 überhaupt Produktionen möglich sein können.“

Passion 2010: Auch im kommenden Jahr wird die Passion nicht gespielt.
Passion 2010: Auch im kommenden Jahr wird die Passion nicht gespielt. © WP | Thomas Winterberg

Drei Stücke im Jubiläumsjahr

Die Freilichtbühne blickt 2021 auf ihr 75-jähriges Bestehen zurück. Dass ein Stück abgesetzt werden musste, das hatte es in dem Dreivierteljahrhundert noch nie gegeben. Seit 1950, anlässlich des Heiligen Jahres, spielt und lebt eine ganze Stadt alle zehn Jahre diese Passion. 1965 brach die Bühne mit dem Zehn-Jahres-Rhythmus, weil ein neues Heiliges Jahr ausgerufen wurde. Die Inszenierung jetzt wäre somit die neunte gewesen, die auf dem „Golgatha des Sauerlandes“ gespielt hätte. Hier ist der christliche Gedanke noch tief verwurzelt. Die erneute Absage ist daher mehr als nur ein Strich durch den Spielplan.

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Umso wichtiger ist es nun, auch den Akteuren Perspektiven aufzuzeigen. Und die sieht der Vorstand in drei Inszenierungen. Das ist wirklich neu. Im Januar hätte ohnehin die Jugendgruppe des Theaters ein Stück in der Stadthalle aufgeführt. Unter Corona-Auflagen hatten die Nachwuchs-Schauspieler bereits für „Charley’s Tante“ geprobt. „Es ist klar, dass wir das im Winter nicht spielen können. Daher soll es im Sommer Premiere feiern“, sagt Glade.

Proben nach Hygienekonzept

Kommende Woche wollen sich die Verantwortlichen mit Bärbel Kandziora (Familienstück) und Florian Hinxlage (Erwachsenentheater) zusammensetzen. „Für Familien denken wir an ein Stück wie ,Räuber Hotzenplotz‘ oder ,Max und Moritz‘. Das soll natürlich keine hausbackene Adaption eines verstaubten Kinderbuches werden, sondern eine pfiffige und moderne Inszenierung. Dafür ist Bärbel Kandziora bekannt“, verrät Glade. Und wer Musicalfachmann Florian Hinxlage kennt, der weiß, dass er ein Stück mit Musik vorschlagen wird. Was das sein wird, steht noch nicht fest. Das letzte Wort hat ohnehin der Spielausschuss.

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Hinxlage: „In enger Zusammenarbeit mit der Bühne habe ich ein Konzept entworfen, wie man 2021 einen Spielplan realisieren kann. Das Konzept wurde etwas modifiziert und in den nächsten zwei bis drei Wochen werden wir versuchen, eine Stückauswahl zu treffen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen: coronakonform und eines Jubiläums würdig“.

„Ich bin enttäuscht, aber Hoffnung stirbt zuletzt“

Für Philipp Mause sollte es die Rolle seines Lebens werden. Er hatte sich im Casting als Jesus durchgesetzt. Seine Reaktion zur erneuten Absage: „Dass wir die Passion auch 2021 nicht spielen können, ist super schade. Aber ich glaube, in der momentanen Situation ist das die richtige Entscheidung. Auch wenn wir schon etwas Erfahrung mit einem Pandemiesommer sammeln konnten, bleibt eine gewisse Ungewissheit. Ich finde eine Passion unter diesen Umständen nicht machbar. Die Gruppen dürfen sich nicht durchmischen, die Abstände müssen gewahrt bleiben. Das kann den allgemeinen Ansprüchen und auch meinen persönlichen Ansprüchen an eine Passion nicht gerecht werden. Da würden die Emotionen fehlen.“ Für ihn bedeutet das - wie schon im Frühjahr nach der ersten Absage - er kann wieder zum Friseur gehen und sich die Haare schneiden lassen. „Ansonsten bin ich natürlich enttäuscht. Ich war lange positiv gestimmt, dass eine Passion 2021 stattfinden würde. Nicht zuletzt durch die propagierten Ergebnisse des potenziellen Impfstoffes. Aber mehr als Enttäuschung empfinde ich jetzt nicht.“ Es mache mit ihm auch persönlich nichts. Niemand sei ja verantwortlich an der jetzigen Situation und die Möglichkeit die Passion, doch noch zur Aufführung zu bringen und zwar auch in der Besetzung bestehe ja weiterhin zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Dekade.

„Es bleibt eigentlich nur wieder das Sprichwort, das ich im Frühjahr schon als Schlusswort in einem Interview mit der WP verwendet habe: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Drei Inszenierungen bedeuten in Zeiten von Corona auch drei völlig für sich abgeschottete Ensembles. Wer in Stück A mitspielt, ist nicht auch in Stück B oder C dabei. Es gibt für jede Inszenierung ein eigenes Masken- oder Technik-Team. Alle drei Ensembles sollen sich auch bei den Proben gar nicht erst begegnen, um ein mögliches Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Auf die Bühne kommen außerdem jede Menge logistische Herausforderungen zu. Wie kann der Zuschauer sicher und ohne großen Begegnungsverkehr vom Parkplatz bis zur Kasse und von dort bis zu seinem Platz geleitet werden? Was passiert in der Pause? Kann man Ein- und Ausgang separieren? Glade: „All das sind Fragen, mit denen wir uns in nächster Zeit beschäftigen werden.“

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Thomas Winterberg zur Entscheidung der Freilichtbühne Hallenberg, die Passion erneut zu verschieben
Von von Thomas Winterberg zur Passion

Da der Spielplan für 2021 bereits steht, verteilen sich die Termine für die drei Stücke auf die bereits geblockten Tage. Premiere wäre also am 30. Mai. Wer Karten für die Passion gebucht hat - es sind bereits über 5000 Tickets - muss zwangsläufig umbuchen oder bekommt sein Geld zurück.

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Bleibt noch die Frage, was mit dem Tempel passiert, den die Bühnenbauer als sichtbares Zeichen dafür, dass es irgendwie weitergeht, schon im Herbst gebaut hatten? Vielleicht tummeln sich dort Max und Moritz auf dem Dach oder der Zahlkellner Leopold schmachtet der Frau Wirtin im Weißen Rössel hinterher? Abwarten!