Hochsauerlandkreis. Auch während der Corona-Pandemie sind Kitas geöffnet. Erzieherinnen aus dem HSK erzählen, von den Schwierigkeiten im beruflichen Alltag.

„Als Erzieherin nimmt man leider gerade unfreiwillig an einer Versuchsstudie teil“, lautet das Urteil einer anonymen Teilnehmerin am Corona-Check in der Westfalenpost Brilon. Die Zahlen sprechen eine eher neutrale Sprache. Während die Teilnehmer auf einer Skala von 1 (die Maßnahmen sind zu hart) bis 5 (die Maßnahmen sind nicht ausreichend) entscheiden konnten, beläuft sich der Mittelwert im Altkreis Brilon auf 3,12. Soweit also alles in Ordnung in den Kitas. Aber nicht, wenn Erzieherinnen von ihrem beruflichen Alltag in der Corona-Pandemie erzählen.

St. Martin Kita in Olsberg

Manuela Niglis, Leiterin der Kita S. Martin in Olsberg
Manuela Niglis, Leiterin der Kita S. Martin in Olsberg © Unbekannt | Privat

Manuela Niglis, Leiterin in der St. Martin Kita in Olsberg, kann den Frust der anonymen Teilnehmerin verstehen. Mit Lüften in den Räumen ist es ihrer Meinung nach nicht getan, wenn 78 Kinder vor Ort sind, was bedeuten kann, dass sich Kinder aus 78 Haushalten in den Räumlichkeiten aufhalten. Da derzeit der eingeschränkte Regelbetrieb gilt, können alle Eltern ihre Kinder vorbeibringen, sofern sie bestätigen, dass sie Betreuungsbedarf haben. Der einzige Unterschied zur Normalität ist, dass die Betreuungsstunden um 10 Stunden pro Woche reduziert sind. Zwei Mal pro Woche können Eltern ihre Kinder zuhause testen. Freiwillig. Manuela Niglis und ihr Team sprechen Eltern gezielt an, dennoch verweigern manche das Angebot. „Ein mulmiges Gefühl habe ich auf der Arbeit aber nicht mehr. Wir sind uns bewusst, dass wir einer Berufsgruppe angehören, die sehr nah an der Pandemie ist“, sagt sie. Auch weil sie in den Gruppen keine Mund-Nasen-Masken tragen. Nur wenn sie die Räume verlassen.

Kitas gehen in den Regelbetrieb zurück

Ab dem 7. Juni kehrt die Kindertagesbetreuung in NRW in den Regelbetrieb zurück.Alle Kinder haben einen uneingeschränkten Betreuungsanspruch im vertraglich vereinbarten Betreuungsumfang, pädagogische Konzepte können vollumfänglich umgesetzt werden. Die verbindliche Gruppentrennung ist aufgehoben. Es gelten weiterhin die Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen der Coronabetreuungsverordnung.Das freiwillige Testangebot für Kinder und Beschäftigte sowie Kindertagesbetreuungspersonen wird fortgesetzt.Ab dieser Woche erhalten die Einrichtungen und Kindertagespflegepersonen die kindgerechteren „Lolli“-Tests zur Eigenanwendung durch die Eltern.

Anstrengend sind die Rahmenbedingungen, die den Erziehern gegeben werden und sich oftmals ändern. Flexibilität ist gefragt, wenn das Ministerium innerhalb von wenigen Tagen ein Konzept wieder ersetzt. Das sorgte auch für eine angestrengte Atmosphäre im Team, denn bei dem kleinsten Stück Information, das Eltern in Bezug auf Kitas aufschnappten, gab es Rückfragen. Und die konnten die Mitarbeiter stellenweise selbst noch gar nicht beantworten. Das beeinflusst auch die Arbeit mit den Eltern, die die Einrichtungen nicht mehr betreten dürfen. Entwicklungsgespräche gibt es jetzt nur noch am Telefon, wichtige Informationen werden per Mail verschickt und wer keinen Mail-Account hat, erhält die Infos persönlich per Post. Ein zeitaufwendiges Unterfangen.

Umfassende Reinigungen in den Kitas

So wie das Hygienekonzept. Jeden Tag muss alles gereinigt und desinfiziert werden, was die Kinder angefasst haben. Von den Mitarbeitern alleine nicht zu stemmen. Dafür gibt es einen Alltagshelfer, der stundenweise in der Hinsicht anpackt. Diese Hilfe steht aber nur bis zum 31. Juli zur Verfügung. Wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest. Das Hygienekonzept sieht auch vor, dass die Kinder ihre eingeteilte Gruppe nicht verlassen können. „Normalerweise gäbe es gemeinsame Frühstücke und Kinder könnten sich frei bewegen. Das selbst entscheiden fällt für sie derzeit weg. Das ist schade“, sagt Manuela Niglis.

Mehr Entscheidungsmöglichkeiten haben da die Eltern in den vergangenen Monaten gehabt. Beispielsweise während der Bundesnotbremse, als Kitas entlastet werden sollten und nur eine Notbetreuung möglich war. Zumindest offiziell. Eltern konnten sich nämlich selbst bescheinigen, dass sie die Notbetreuung unbedingt in Anspruch nehmen müssen. Hinterfragt wurde das nicht. In Olsberg wurde es dennoch ruhiger. Circa 30 Kinder waren in der Zeit nur noch vor Ort. „Wir waren da und haben die Not wahrgenommen. Gleichzeitig ging es aber auch darum, die Kinder und die Mitarbeiter zu schützen. Das hat uns dann schon zwiegespalten, aber die Eltern waren verständnisvoll in dieser Situation“, erinnert sich Niglis.

Arbeit mit den Kindern funktioniert weiter gut

Doch bei der ungewohnten Situation gibt es auch Positives. „Die pädagogische Begleitung läuft weiter gut. Wir tauschen und aus, um Projekte zu planen und der Bildungsauftrag wird weiterhin erfüllt.“ Auch die Tests und Impfungen geben Manuela Niglis mehr Sicherheit in ihrer Arbeit. „Es war sehr beruhigend, dass unsere Berufsgruppe bei den Impfungen vorgezogen wurde. Ab Mitte Juni sind wir geschützt“, sagt sie. 50 Prozent der Belegschaft entschied sich für eine Spritze. Eine Infizierung gab es in der Kita nicht, ein Umstand für den die 57-Jährige sehr dankbar und demütig ist. Sie ist froh, dass die Kinder einen geregelten Ablauf in der Kita haben und eine Struktur im Alltag bekommen, während alles andere mit Homeoffice, Homeschooling, Lockdown und Co. von der Normalität abweicht. Die Kinder drücken sich entsprechend, wenn sie sich wieder sehen, freuen sich darüber Zeit miteinander verbringen zu können. Berührende Augenblicke für die Kita-Leiterin.

Sie würde sich wünschen, dass sich Erzieherinnen mehr aufbäumen würden. Zu lieb und zu nett sind sie ihrer Meinung nach. „Unser Berufsstand mache alles möglich und es ist selbstverständlich. Wir wollen natürlich auch, dass es den Kindern gut geht und wir haben die Bedarfe der Eltern im Blick.“

St. Markus Kita, Marsberg

Für Veronika Höflich und ihre Kollegen in der St. Markus Kita in Marsberg-Beringhausen gehörtCorona mittlerweile zur Normalität. Für die Kinder ebenso. „Zu Beginn der Pandemie war es sehr herausfordernd. Jeden Tag gab es gefühlt eine neue Verordnung und wir mussten die Eltern schnell erreichen. Jetzt sind wir alle Profis“, sagt Höflich. Zu Beginn war aber auch sie besorgt um ihre Gesundheit besorgt. Die Kita war immer voll. Höflich hat pflegebedürftige Eltern, die sie nicht anstecken möchte. Die Corona-Tests nach wenigen Wochen waren dann eine Hilfe und die 43-Jährige konnte ihrer Arbeit entspannter nachgehen. Routinen bildeten sich im Umgang mit der Pandemie. Jeder Schritt in jeder denkbaren Situation ist mittlerweile verinnerlicht.

Veronika Höflich ist Leiterin der Kita St. Markus Marsberg
Veronika Höflich ist Leiterin der Kita St. Markus Marsberg © Unbekannt | Privat

In der Kita sind 22 Kinder. Es gibt nur eine Gruppe. Die Veränderungen sind dort entsprechend nicht so einschneidend für die Kinder. Stellenweise kennen sie die Einrichtung auch gar nicht aus einer Zeit vor Corona. Auch während der Bundesnotbremse waren mindestens 70 Prozent der Kleinen in den Räumlichkeiten. „Die Eltern konnten selbst über ihren Bedarf entscheiden. Das konnte ich verstehen, aber für uns war das frustrierend. In den Medien wurde kommuniziert, dass Kitas geschlossen haben. Aber das war nicht der Fall. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass das Ministerium nicht wollte, dass wir überprüfen, ob es sich um eine selbstausgestellte Bescheinigung handelt oder eine vom Arbeitgeber“, so Höflich. Sie fühlt sich und ihre Berufsgruppe oft vergessen. Wenn Schulen schließen, fragt sie sich, ob das auch für Kitas gilt. Eltern geht es dann ihrer Erfahrung nach ähnlich. Die Wertschätzung fehlt ihr.

Erzieherinnen als Versuchsobjekte in der Pandemie

Wie ein Versuchsobjekt fühlte sie sich auch stellenweise. Auch in Bezug auf das Impfen. Welcher Impfstoff verabreicht wird, änderte sich zwischendurch. „Aber das sehe ich nicht so eng. Es kannte sich zu der Zeit eben auch kaum einer aus und dann passieren Fehler.“ Sie freut sich über das Impfangebot und darüber, dass sie und ihr Team weiterhin für die Kinder da sein können. Für Eltern gab es extra ein Nottelefon über das Höflich erreichbar war, wenn Informationen frisch an die Eltern herausgegeben wurden. Das Angebot wird auch heute noch in Anspruch genommen, wenn auch nicht so stark wie noch vor einigen Monaten.

St. Elisabeth Kita, Brilon

In der St. Elisabeth Kita in Brilon wurde Corona sehr schnell Realität. Leiterin Andela Zekovic’ infizierte sich direkt zu Beginn der Pandemie mit dem Virus und musste in Quarantäne. Dadurch, dass damals noch gruppenübergreifend gearbeitet wurde, mussten sich auch Kollegen plötzlich von der Außenwelt abschirmen. „Zu Beginn der Pandemie war die Panik bei manchen Kollegen auch groß, denn in unserem Beruf ist man nicht gut geschützt gewesen. Aber mittlerweile hat sich das geändert“, sagt die 25-Jährige. 77 Kinder können vorbeikommen, zwischen 50 und 60 sind es täglich, die in vier Gruppen von insgesamt 17 Fachkräften betreut werden. Viele Haushalte beinhalten auch ein erhöhtes Risiko. Im vergangenen Oktober gab es einen zweiten Coronafall in der Kita und eine Gruppe musste in Quarantäne.

Andela Zekovic' leitet die St. Elisabeth Kita Brilon
Andela Zekovic' leitet die St. Elisabeth Kita Brilon © Unbekannt | Privat

Während der Bundesnotbremse wurde es ruhiger in der Kita. 10 bis 14 Kinder waren nur noch in den Gruppen. „Die Eltern hatten ein gutes Händchen und schickten die Kinder wirklich nur im Bedarfsfall. Das lief richtig gut. Manche Eltern riefen aber auch an und sagten ‘Ich kann nicht mehr’“, sagt Zekovic’.

Das Testangebot wird von den Eltern hingegen nicht gut angenommen. Ein Umstand für den Zekovic’ Verständnis hat: „Es ist schwer, den Stäbchentest bei kleinen Kindern zu machen. Manche Eltern sagen, dass sie diese durchführen, wenn die Kinder schlafen. Ich kann verstehen, dass die Eltern die Beziehung zu ihrem Kind nicht aufs Spiel setzen wollen, indem sie es ständig mit einem Stäbchen in der Nase testen.“ Bald sollen die Lolli-Tests zur Verfügung stehen. Zekovic’ hofft, dass es dann besser wird. Sie bleibt tiefenentspannt und sagt, dass jeder in dieser einzigartigen Situation sein bestes gibt und man es nicht allen recht machen kann. Aber auch sie wünscht sich eine Gleichstellung mit den Schulen.

Verständnisvolle Eltern in Hallenberg

In Hallenberg werden die Corona-Maßnahmen laut der statistischen Auswertung tendenziell eher als zu hart eingestuft. Eine Leitung einer Kita im Raum Hallenberg macht in der Pandemie aber nicht die Erfahrung, dass Eltern beispielsweise unzufrieden sind. „Sie sind sehr verständnisvoll und bemühen sich auch, die Kinder zu Hause zu betreuen. Gleichzeitig ist aber auch der Wunsch nach den gewöhnten Betreuungszeiten da“, sagt die Frau, die lieber anonym bleiben möchte. In der Notbremse waren von 100 möglichen Plätzen nie mehr als 20 bis 30 belegt.