Hochsauerlandkreis. Die Frauenhilfe erklärt, wie sich die Fallzahlen der häuslichen Gewalt gegen Frauen verändert haben und welche Tabuthemen es noch immer gibt.

„Im ersten Lockdown war es zunächst ruhiger geworden. Die Polizei hatte weniger Einsätze wegen häuslicher Gewalt . Klienten erzählten uns, dass es schwierig war, unbeobachtet zu sein und versucht haben, durchzuhalten“, erklärt Karola Enners. Sie arbeitet bei der Frauenberatung in Arnsberg und beschreibt, wie sich Gewalt gegen Frauen zuletzt verändert hat und welche Tabuthemen es noch immer gibt.

Gewalt im HSK
Gewalt im HSK © Manuela Nossutta / Funkegrafik NRW

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Das Coronavirus mache es schwierig, nach draußen auszuweichen oder sich auf Wohnungssuche zu begeben, um eine Trennung vom Partner vornehmen zu können, der gewalttätig ist. Auch die Feiertage sieht Enners als schwierige Zeit an, weil man eng aufeinander sitzt und mit den Tagen ein hoher Erwartungsdruck einhergeht, der zusätzlich belastet. Bei der Frauenberatung erleben die Mitarbeiter unterschiedliche Vorkommnisse von denen erzählt wird. Schläge , schubsen, verbale Gewalt durch Beleidigungen, soziale Kontrolle mit Überwachung, sexualisierte Gewalt . „In manchen Beziehungen gehört Gewalt zum Alltag“, sagt Enners.

Schwerpunkt der Beratung liegt bei Gewalt

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20 Gespräche führt das Team circa am Tag, dabei geht es nicht nur um Gewalt , sondern auch um Co-Abhängigkeit, Trennung, Scheidung, Depression und mehr. Beziehungsgewalt ist aber definitiv ein Schwerpunkt, wie Enners erklärt. Die Menge der Gespräche nimmt ihrer Einschätzung nach nicht ab. Sie hätte gerne weniger zu tun, um die Hilfen noch engmaschiger fassen zu können, noch umfangreicher helfen zu können. Denn ihrer Auskunft nach erfährt jede vierte Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner. Die Frauenberatung versucht viel Präventionsarbeit zu leisten, weil oftmals gar nicht klar ist, dass Unrecht in der Beziehung passiert.

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Die Frauenhilfe arbeitet zunächst mit Telefon- oder Mailkontakt bevor es zu einem Einzelgespräch kommt, das meistens circa eine Stunde dauert. Dort wird die Situation dann erörtert und nach Hilfsmöglichkeiten geschaut. Die Betroffenen denken manchmal, dass andere Frauen größere Probleme haben, jemandem den Gesprächsplatz wegnehmen. „Wir helfen jedem. Losgehen ist der erste Schritt zur Veränderung. Frauen berichten oft, dass sie sprachlos sind, wenn sie diese andere Seite an ihrem Partner entdecken. Das wollen sie auch nicht erzählen, weil sie sich so gedemütigt fühlen und das einfach mitmachen. In dem Zusammenhang gibt es oft die Frage ‘wieso trennst du dich nicht einfach?’ und die Antwort ist, dass es eben gar nicht einfach ist“, weiß Enners. Es ist schwer sich zu lösen, wenn beispielsweise finanzielle Mittel fehlen oder die Unterstützung der Familie fehlt, weil der Partner nach außen hin so gutherzig wirkt. Die Frauen sind dann laut der Expertin isoliert. Ein Problem, dass sich durch alle Schichten und Kulturen zieht.

Alle Altersklassen sind betroffen

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„Meine älteste Klientin ist 80 Jahre alt, aber auch Mädchen in Familien sind betroffen“, sagt Enners. Letztere haben es schwer, weil sie nicht einfach so die Familie verlassen dürfen. Das Jugendamt unterstützt, findet Wohnräume, gegebenenfalls gibt es einen Platz in einem Mädchenhaus , „aber ohne Erwachsenen an deiner Seite ist das eine traurige Situation. Die Familie verlassen ist nicht einfach und es gibt auch wenige Mädchenhäuser .“ Das nächstgelegene ist in Bielefeld.

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Erwachsene haben die Möglichkeit ins Frauenhaus zu gehen. Auch mit Kind. Problematisch ist allerdings die Platzsituation. Ein Blick ins Internet zeigt, dass in NRW von 70 Frauenhäusern lediglich in 12 noch freie Plätze sind. In elf davon ist die Begleitung eines Kindes möglich. Auch die Unterkunft in Arnsberg ist mit ihren acht Plätzen gerade voll belegt. Kontakt zum Frauenhaus gibt es telefonisch, die Frauenberatung hilft aber gerne dabei.

Längerer Aufenthalt in Frauenhaus möglich

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Der Aufenthalt dort ist zunächst nicht an eine Zeitspanne gebunden. Wenn die Probleme groß sind oder beispielsweise keine Wohnung gefunden werden kann, dann kann sich der Aufenthalt entsprechend in die Länge ziehen. „Daher ist das Frauenhaus ideal für bedrohte Frauen. Niemand wird rausgeworfen. Sonst würden sich die Frauen sofort wieder in dieser schwierigen Situation befinden“, sagt auch Karola Enners. Die Polizei ist bei dem Thema ebenfalls sensibilisiert und kann schnell vor Ort sein, wenn ein Partner zum Beispiel für Ärger sorgt. Das kommt aber nicht oft vor.

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Ein Problem, dass laut der Diplom-Pädagogin noch immer tabu ist, sind Genitalverstümmelungen . 200 Millionen Frauen weltweit sind davon betroffen, Enners schätzt, dass es sogar doppelt so viele sind. Die Dunkelziffer ist groß. Auch im HSK gibt es ihrer Auskunft nach Fälle. „Die Mädchen fühlen sich nicht anders und denken, dass das zu ihrer Kultur dazugehört. Sie erkennen nicht, welches Unrecht da passiert.“ Im kommenden Jahr sollen zwei Veranstaltungen zu dem Thema im HSK stattfinden, damit auch Erzieher mögliche Gefahren in der Hinsicht erkennen können.