Brilon/Arnsberg. Die neue Redeordnung der Stadt Brilon ist zwar für den Rat rechtens, allerdings soll künftig den Ausschüssen mehr Gewicht eingeräumt werden.

Die Beschränkung der Redezeit auf zwei Wortbeiträge von jeweils höchsten fünf Minuten pro Tagesordnungspunkt ist für Sitzungen des Rates rechtens, den Ausschüssen muss jedoch mehr Raum für den fachlichen Meinungsaustausch und die politische Willensbildung eingeräumt werden. Das hat das Verwaltungsgericht Arnsberg entschieden und damit der Klage der fünf Ratsmitglieder von BBL, FDP und Die Linke zum Teil stattgegeben.

Damit betritt Brilon möglicherweise kommunalpolitische Neuland. Denn wie der NRW-Städte- und Gemeindebund auf Anfrage mitteilt, seien Geschäftsordnungen, „in denen die Redezeit nach Rat und Ausschuss differenziert vorgegeben ist, nicht bekannt“. Wobei: „Dies schließt allerdings nicht aus, dass es sie mancherorts gibt.“

Auf Antrag der CDU war mit den Stimmen der SPD im Sommer 2017 die Redezeit von bis dahin dreimal zehn Minuten eingeschränkt worden. Anlass dazu hatten damals, so die CDU, vor allem die von BBL-Stadtrat Reinhard Loos gehaltenen „Ermüdungsreden“ geboten, die - so hieß es in dem Antrag - die überwiegend nicht zu „konstruktiven Lösungen oder Erkenntnisgewinnen beigetragen“ hätten.

Mit „zeitlichen Ressourcen“ der Ratsmitglieder „verantwortungsvoll umgehen“

Dagegen hatten die fünf Ratsmitglieder Klage eingereicht. Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts stellt nun fest, dass das Rederecht „nicht unbeschränkt“ gelte, sondern „durch die Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Rates begrenzt“ und zur „Sicherung der Effektivität und Funktionsfähigkeit des Rates“ zeitlich begrenzt werden könne. Die Redeordnung diene dazu, mit den „zeitlichen Ressourcen“ der Stadtvertreter „verantwortungsvoll umzugehen“; sie sollen weder „ergebnislose Endlosdebatten erleichtern oder befördern noch den lebendigen Austausch der Argumente mit Blick auf vermeintliche Effektivitätsgewinne ersticken“. Insofern sei die von CDU und SPD beschlossenen zweimal maximal fünf Minuten für die Ratssitzungen „(noch) nicht überschritten.

Themen in Fachausschüssen vorberaten und aufarbeiten

Im Hinblick auf die Ausschüsse allerdings werden die fünf Kläger nach Ansicht des Gerichts „in ihrem organschaftlichen Rederecht verletzt‘. Eine derartig enge Redezeit stehe „mit der Funktion des Ausschusses im kommunalen Gefüge nicht in Einklang“. Aufgabe der Ausschüsse sei es ja, „in einem kleinen Gremium wichtige Fragen vorzuberaten, dadurch den Rat zu entlasten und seine entscheidende Beschlussfassung vorzuberaten. Und weiter heißt es in dem Urteil wörtlich: „Die bezweckte Entlastung des Rates ist umso besser, je mehr Erörterungen und Diskussionen in den Sitzungen des Rates entbehrlich werden.“

Disziplin im Rat erforderlich

Selbst wenn der Rat abschließende Entscheidungen treffe, finde - so das Gericht - „die inhaltliche Befassung und Diskussion vor allem in den Ausschüssen“ statt. Dort säßen schließlich Kommunalpolitiker, die sich „auf das jeweilige Fachgebiet spezialisiert bzw. hieran ein besonderes Interesse haben“. Das Gericht: „Auf der Grundlage der Beratungen in den Ausschüssen wird dann im Rat in der Regel nur noch abgestimmt.“ Dies gelte umso mehr, als „gerade die umfassende und erschöpfende Erörterung in den Ausschüssen eine konzentrierte Debatte im Rat - auch einhergehend mit entsprechenden Redezeitbeschränkungen - ermöglicht“. Eine derartiger politischer Diskurs werde „auf der Grundlage der Redezeitbeschränkungen unterbunden“.

In Winterberg nur zweimal drei Minuten

In den anderen Kommunen des Altkreises Brilon ist das Rederecht wie folgt geregelt:

In Marsberg, Medebach und Olsberg darf ein Wortbeitrag bis zu 10 Minuten lange sein, jedes Ratsmitglied kann dreimal zu einem Thema sprechen; in Hallenberg kann ein Ratsmitglied dreimal bis zu drei Minuten lang reden; in Winterberg ist die Redezeit auf zweimal drei Minuten beschränkt.

Mit dem Urteil können sich offenbar alle Beteiligten arrangieren. „Damit kann man leben“, so CDU-Fraktionssprecher Eberhard Fisch zur WP. Für ihn sei wichtig, dass sich mit dem Urteil und der nun vorzunehmenden Änderung des Rederechts für die Ausschüsse auch BBL-Ratsvertreter Loos „endlich an die demokratischen Spielregeln hält“. Das Urteil werte die Arbeit der Fachausschüsse auf und deren Votum sei letztlich in der Regel vom Rat zu akzeptieren. Wobei es sicher „hin und wieder“ auch im Rat zu kontroversen Diskussionen kommen dürfe.

Reaktionen

Auch für SPD-Sprecher Hubertus Weber war die Festschreibung der Redezeit im Rat wichtig. Dieser für die SPD wichtigste Punkt sei „gut gelaufen“. Jetzt seien alle am Zug, die Redezeit auch für die Ausschüsse zu regeln und sich „vernünftig zu einigen“. Weber hält dort eine Rückkehr zu der früheren Festlegung von maximal drei Wortmeldungen zu je zehn Minuten für auskömmlich; so habe es auch die Richterin gesehen.

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Für Bürgermeister Dr. Christof Bartsch steht die jetzt gerichtliche bestätigte „Lenkungswirkung“ der reduzierten Redezeit für den Ablauf von Ratssitzungen ganz vorne. Die Verlagerung der inhaltlichen Diskussion in die Fachausschüsse sei richtig. Der Rat, so Dr. Bartsch, müsse die Arbeit der Ausschüsse aber auch ernst nehmen; das würde sich zum Beispiel zeigen, indem er sich den dort formulierten Beschlussempfehlungen anschließe.

„Einvernehmliche Regelung“

An „einer einvernehmlichen Regelung interessiert“ ist Reinhard Prange, Ratsherr der Linken. Die könnte zum Beispiel in der Rückkehr zu den dreimal zehn Minuten für die Arbeit in den Ausschüssen bestehen. Prange erinnerte daran, dass die drei Kläger der Stadt und dem Gericht für die Änderung eine dreimonatige Frist setzen lassen wollten; davon finde sich weder in der Entscheidung noch im Sitzungsprotokoll etwas wieder. Das hatte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember abgelehnt.

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Die WP hatte auch Reinhard Loos für die BBL und Dr. Alexander Prange (FDP) um ein Statement gebeten. Beide teilten mit, dass sie wegen anderweitiger Verpflichtungen dazu erst am späten Abend und somit erst nach Redaktionsschluss Zeit hätten.

Bereits am 12. Juli hatte sich das Gericht erstmals mit der Klage befasst, die Verhandlung dann aber vertagt.