Brilon/Arnsberg. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat sich mit der von CDU und SPD verabschiedeten neuen Regelung des Rederechts im Rat Brilon befasst.

Eines wollte Silke Camen, Vorsitzende Richterin der 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg, gleich am Anfang klarstellen: Dies sei „ein reines Rechtsgespräch“, das „nicht in den politischen Bereich“ abzudriften habe. Die Kammer beschäftigt sich zurzeit mit der Klage der fünf Ratsmitglieder von BBL, FDP und Die Linke gegen die am 13. Juli 2017 mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossene Redezeitbeschränkung. Erstes Zwischenergebnis: Das Verfahren wurde auf den Herbst vertagt.

Unfreiwillig stellte in der Auftaktverhandlung am Freitag einer der Kläger den Grund für die Änderung der Rats-Geschäftsordnung unter Beweis: Gefühlt redete BBL-Ratsherr Reinhard Loos in der gut anderthalbstündigen Sitzung so viel, wie Dr. Alexander Prange (FDP), Reinhard Prange (Die Linke) sowie ihr Anwalt zusammen.

Um was geht es? Mit seiner „Lex Loos“ hatte der Rat Brilon im Juli vergangenen Jahres auf Antrag der CDU das Rederecht in den Sitzungen der kommunalen Gremien von drei auf zwei Wortmeldungen pro Person zu einem Thema reduziert und auch die Länge des einzelnen Wortbeitrags von 10 auf „im Regelfall höchstens fünf Minuten“ beschränkt.

Damit wollten CDU und SPD „Ermüdungsreden“ einen Regel vorschieben, die - so die CDU damals in ihrem Antrag - in der jüngeren Vergangenheit „häufig einzig der Verschleppung der Sitzung“ führten, „ohne dass die meisten dieser Wortmeldungen zu konstruktiven Lösungen oder Erkenntnisgewinnen beigetragen hätten“.

Verstoß gegen „allgemeine demokratische Gepflogenheiten“?

Die Kläger ihrerseits argumentierten, dass mit diesen Beschränkungen „eine geordnete Debattenkultur nicht mehr möglich“ sei und deshalb der geänderte Paragraf 12 der der Geschäftsordnung „mit allgemeinen demokratischen Gepflogenheiten nicht mehr vereinbar“ sei.

Die Kammervorsitzende sagte, dass dem Rat „weite Ermessensspielräume“ bei der Gestaltung seiner Geschäftsordnung zustehen. Es komme nicht darauf an, ob zweimal fünf Minuten Redezeit „optimal“ seien, sondern ob dem in der Gemeindeordnung verankerten Rederecht „hinreichend Rechnung getragen“ werde.

Dies sei „entscheidend für den demokratischen Meinungsbildungsprozess“ und garantiere „gerade Minderheiten die Möglichkeit zur Einflussnahme“. Die Richterin: „Alle Abgeordneten sollen sich äußern können. Aber es sind auch vernünftige Grenzen nötig.“ Schließlich engagierten sich Kommunalpolitiker ehrenamtlich, da sei die Zeit - „anders als bei Bundestagsabgeordneten“ - beschränkt.

Sitzung mit 42 Tagesordnungspunkten

Die Richterin hatte sich im Ratsinformationssystem der Stadt - ihr Urteil: „Das ist sehr gut.“ - die öffentlich zugänglichen Sitzungsprotokolle und Tagesordnungen angeschaut. Ihr Eindruck: „Aus Sicht der Kammer gab es schon einen Anlass für eine Begrenzung.“ Sitzungen mit bis zu 3,5 bis 4 Stunden und Tagesordnungen mit bis zu 42 Punkten sind ihrer Ansicht nach „schon eine ganze Menge.“ Auch wenn es mit der Windkraft-Debatte und den damaligen Krankenhaus-Querelen „schwere Themen“ gegeben habe.

Die Kammer teile die Ansicht der Kläger nicht, dass wenigstens drei Wortbeiträge pro Mandatsträger zu einem Thema erforderlich seien. Dass die kleinen Parteien dabei generell weniger zum Zuge kommen, sei „dem Willen des Wählers geschuldet“. Im übrigen habe ja doch jedes Ratsmitglied die Möglichkeit, „Verständnisfragen im Vorfeld“ einer Sitzung zu klären. Davon, so der Anwalt der Stadt, Dr. Niggemeier, mache „vor allem der Kläger zu Nr.1 (Reinhard Loos, Anm. d. Red.) sehr umfänglich Gebrauch“. Das, so der prompte Konter von Reinhard Loos, stimme gar nicht; das komme lediglich „ vier bis fünf Mal pro Jahr“ vor.

Reinhard Loos und Dr. Alexander Prange sagten, dass weniger die Wortmeldungen, als vielmehr Fachvorträge - als Beispiel führten sie die einstündige Vorstellung eines neuen Feuerwehrfahrzeugs an, das zur Anschaffung anstand oder die Erläuterungen zur B7n - die Sitzungen über Gebühr in die Länge zögen.

Wenn es, so Dr. Prange, um „komplexe Sachverhalte“ gehe, etwa die drängenden Fragen rund um das Krankenhaus gehe, sei es „qualitativ besser“, mehrere Beiträge leisten zu können. Auch der Anwalt der klagenden Ratsmitglieder, Dr. Schiller, sagte, dass „eine sachliche Auseinandersetzung möglich“ sein müsse.

Ausnahmen aus besonderem Anlass möglich

Worauf der Anwalt der Stadt, Dr. Niggemeier, darauf hinwies, dass dies die Geschäftsordnung ja vorsehe: „Der Rat kann in außergewöhnlichen Situationen jederzeit mehr Wortbeiträge zulassen.

Die Vorsitzende Richterin sagte, dass es in den Geschäftsordnungen die unterschiedlichsten Festlegungen zur Redezeit gebe. Die Frage sei , ob die in Brilon getroffene Regelung ausreiche.

Reinhard Loos und Dr. Alexander Prange sagten, dass ihre Fraktionen nach der Verkleinerung der Mitwirkungsgremien der kommunalen Gesellschaften wie Krankenhaus und Stadtwerke von wesentlichen Informationen abgeschnitten worden seien. Dr. Prange: „Da sind wir politisch raus.“

Redezeit-Bandbreite reicht von 6 bis 30 Minuten

In den Kommunen des Altkreises Brilon ist das Rederecht unterschiedlich geregelt.

In Marsberg, Medebach und Olsberg darf ein Wortbeitrag bis zu 10 Minuten lang sein, jeder kann dreimal zu einem Thema sprechen.

In Hallenberg kann sich ein Ratsmitglied höchstens drei Minuten pro Wortmeldung auslassen, drei Wortmeldungen zu einem Punkt sind erlaubt.

In Winterberg ist die Redezeit auf drei Minuten beschränkt, jedes Ratsmitglied darf höchstens zweimal zu Wort kommen.

In allen Kommunen sind aus besonderem Anlass Ausnahmen möglich.

Der Anwalt der Stadt sagte, dass es bei der Geschäftsordnung eines Rates „nicht um optimale Lösungen, sondern um normative Festlegungen, um den Standard“ gehe. Er bezweifele, ob bei komplexen Fragen selbst die früher in der Geschäftsordnung des Briloner Rates möglichen drei Redebeiträge pro Person zu einem Thema ausreichend gewesen seien.

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Die Vorsitzende Richterin sagte, dass es zu diesem Thema „nicht viele Rechtssprechungen“ gebe. Offenbar sei dies kein allgemeines Problem; es gebe sogar Kommunen, die ohne besondere Rederegelungen auskommmen.

Die Kammer müsse klären, ob und wie weit die früheren Bestimmungen zum Rederecht tatsächlich zu überlangen Sitzungen geführt haben und so eventuell die Funktionsfähigkeit des Rates in Frage gestellt sei. Dazu habe, so Silke Camen, die Kammer in der mündlichen Verhandlung „einiges gesammelt“. Der „Respekt vor dem Rederecht“, so die Vorsitzende Richterin, gebiete es der Kammer, sich um weitere Erkenntnisse zu bemühen.