Brilon. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat sich als erste Instanz mit der von CDU und SPD beschlossenen Änderung der Rats-Geschäftsordnung zu befassen.

  • Fünf Stadtvertreter gehen gegen die von CDU und SPD beschlossene Rederechtsbeschränkung vor
  • In der Änderung der Geschäftsordnung Eingriff in die Debattenkultur und Mandatsausübung gesehen
  • Zwei Ratssitzungen fielen in diesem Jahr extrem aus dem üblichen zeitlichen Rahmen heraus

BBL, FDP und Die Linke fechten die im Juli vom Rat beschlossene Redezeitverkürzung juristisch an. Sie haben vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg Klage gegen den Rat, vertreten durch dessen Vorsitzenden, Bürgermeister Dr. Bartsch, eingereicht. Ihr über die Kanzlei Hüttenbrink & Partner (Münster) formulierter Antrag: Das Gericht möge feststellen, dass die neue Geschäftsordnung die fünf Stadtvertreter „in ihren Mitgliedschaftsrechten als Ratsmitglied verletzt“ und unwirksam ist

Wie berichtet, hatte der Rat auf Antrag der CDU mit 29 Ja-Stimmen von CDU und SPD bei drei Enthaltungen und fünf Gegenstimmen am 13. Juli beschlossen, die Dauer einer Wortmeldung von 10 auf fünf Minuten zu reduzieren und zudem jedes Ratsmitglied nur noch zwei- statt dreimal zu einem Tagesordnungspunkt sprechen zu lassen.

Redezeiten von 6 bis 30 Minuten

Marsberg, Medebach und Olsberg haben als Regelredezeit drei Wortmeldungen pro Ratsmitglied von jeweils 10 Minuten zu einem Thema festgesetzt.

Hallenberg lässt ein Ratsmitglied maximal dreimal je drei Minuten lang zu Wort kommen.

Winterberg hat die restriktivste Redeordnung: lediglich zweimal pro Ratsmitglied und das maximal jeweils drei Minuten.

Da SPD und CDU aufgrund ihrer Fraktionsgröße jeweils mehrere Mitglieder zu einem Thema wiederholt zu Wort kommen lassen können, müssten die Kleinen z. B. mit einer Verständnisfrage oder Stellungnahmen zu den Beiträgen anderer Ratsmitglieder ihr Rederecht verbrauchen; in Ausschüssen sind FDP und BBL nur mit einem Mitglied vertreten: „Dies schadet nicht nur der Debattenkultur, sondern verhindert auch eine sachgerechte Auseinandersetzung mit den anstehenden Sachthemen“, heißt es in der Klageschrift. Deshalb sei der neu gefasste Rederechts-Paragraf „mit allgemeinen demokratischen Gepflogenheiten nicht mehr vereinbar“.

Die CDU hatte ihren Antrag damit begründet, dass die Redeordnung „immer häufiger dazu genutzt“ worden sei, „die Sitzungen durch mehrfache und überlange Wortbeiträge unnötig in die Länge zu ziehen, ohne dass die meisten dieser Wortmeldungen zu konstruktiven Lösungen oder Erkenntnisgewinnen beigetragen hätten“. Häufig einziges Ziel dieser „Ermüdungsreden“: die „Verschleppung der Sitzung“. Vor allem im Visier: BBL-Ratsherr Reinhard Loos.

Extremfall: Erst um 23 Uhr Schluss

BBL, FDP und Die Linke verweisen in ihrer Klage auf einen Standardkommentar zur Gemeindeordnung, in dem es heißt, dass die Festlegung von Redezeiten „zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Rates nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegenüber den Rechten der einzelnen Ratsmitglieder“ zulässig sei.

Das, so meinen, die Kläger, könne sicher „in einem großen Stadtrat wie z.B. in Köln mit 90 Ratsmitgliedern und zehn Fraktionen und sehr langen Tagesordnungen im Einzelfall angemessen“, aber nicht in Brilon.

Die CDU hatte ihren Antrag am 8. Juni gestellt. Da war allen sicher noch die Ratssitzung vom 11. Mai präsent. Dauer: Von 17.30 Uhr bis 23 Uhr - und da war für einige Stadtvertreter immer noch nicht Feierabend. Sitzungen von Krankenhaus-Aufsichtsrat und -Gesellschafterversammlung schlossen sich aus aktuellem Anlass noch an.

Und auch die Sitzung vom 13. Juli dauerte ungewöhnlich lang, nämlich - so ist es protokolliert - bis 21.57 Uhr. Dabei, so die fünf Kläger, sei die Tagesordnung „ausnahmsweise länger als üblich“ gewesen. Das habe daran gelegen, weil diese Sitzung die letzte vor der kommunalpolitischen Sommerpause und „die einzige innerhalb eines längeren Zeitraumes von etwa vier Monaten“ gewesen sei: „Dies liegt aber nicht in der Verantwortung der klagenden Ratsmitglieder.“

Wie Organstreitverfahren

Einen Knackpunkt ihrer Klage sprechen die Kläger selbst an: Die Geschäftsordnung des Rates ist, da sie nicht öffentlich bekannt gemacht zu werden braucht, keine klassische Satzung im Sinne des § 7 der Gemeindeordnung. Gleichwohl, so die Münsteraner Kanzlei, stellt sie „verbindliche Rechtsnormen“ für die Ratsmitglieder auf. Deshalb könne sie auch Gegenstand eines „kommunalverfassungsrechtlichen Organstreitverfahrens“ und somit grundsätzlich einer gerichtlichen Klärung zugänglich“ sein.

Wobei für BBL-Ratsherrn Reinhard Loos eines schon jetzt klar ist: „Ich gehe davon aus, dass das vor dem OVG (Oberverwaltungsgericht, Berufungsinstanz, Anm. d. Red.) landet.“

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