Aachen/Wetter. Der Aufstieg ist seit Freitag Abend geschafft. Wie Heiner Backhaus Alemannia Aachen zurück in den Profifußball geführt hat:

Es geschah bereits am Freitag vom Sofa aus, nach der Niederlage von Konkurrent Wuppertaler SV bei Fortuna Köln: Heiner Backhaus aus Wetter/Ruhr hat Fußball-Regionalligist Alemannia Aachen nach einem Jahrzehnt zurück in den bezahlten Fußball geführt, in die 3. Liga. Der 42-jährige Trainer hat den früher in der Bundesliga beheimateten Traditionsklub nach seinem Einstieg im letzten Herbst aus dem Dornröschenschlaf geweckt - und im Dreiländereck eine enorme Euphorie entfacht. Und gleichzeitig hat der Fußball-Weltenbummler in Aachen eine sportliche Heimat gefunden, in der er länger verharren will: „Es ist mit Abstand die schönste Zeit in meiner gesamten Karriere, ob als Spieler oder als Trainer“, sagte Backhaus im Podcast der Aachener Zeitung vor der Saisonkrönung: „Weil ich mit dem Herzen hier bin und auch hier bleiben möchte.“

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Zu Beginn der laufenden Saison war Backhaus zwar auch Regionalliga-Trainer, aber in der Nordost-Staffel bei DDR-Rekordmeister BFC Dynamo Berlin. Dort verabschiedete sich der in Wengern aufgewachsene Coach aber überraschend im letzten September, um den frei gewordenen Job bei Alemannia Aachen zu übernehmen. Der mit Aufstiegsambitionen gestartete Ex-Bundesligist hatte seinen Trainer Helge Hohl nach einem Saison-Fehlstart entlassen, bei Backhaus angefragt. Dessen Interesse sorgte für Verstimmung in Berlin, man trennte sich von ihm zunächst wegen vermeintlich „vereinsschädigenden Verhaltens“, was den Coach sehr wumte. Und einigte sich dann auf eine Vertragsauflösung, bei der Backhaus sich selbst aus dem Vertrag in Berlin herauskaufte. Denn er wollte auch wegen der Nähe zur Heimat und Familie unbedingt nach Aachen und in den Fußball-Westen. „Mein Eigenheim steht in Wetter an der Ruhr, 200 Meter von der wunderschönen Ruhr weg“, erklärte Backhaus damals - und hob das „Gefühl, nach Hause zu kommen“ hervor: „Das kenne ich schon nicht mehr, seitdem ich 16 war, weil ich Fußballspieler war und in ganz vielen Vereinen quer über den Planeten gespielt habe.“

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Dass die Zahlung einer Ablösesumme nach Berlin für den Transfer in Richtung Heimat „eine gute Investition für mich war“, diese Überzeugung von Backhaus sollte sich schnell bestätigen. Denn die Aachener, die mit nur einem Sieg aus sechs Spielen schlecht gestartet waren, gewannen nun sehr regelmäßig. Und kletterten in der Regionalliga-Tabelle stetig, zogen nach Übernahme des Spitzenplatzes immer mehr davon, führen nun mit satten 14 Punkten vor dem Wuppertaler SV. In 24 Spielen coachte Backhaus die Alemannia, 20 Siege, drei Remis und nur eine Niederlage stehen in seiner Bilanz. Die kassierte man beim 1. FC Bocholt, gegen den man am Samstag nun den Aufstieg in die 3. Liga feiern kann, vor - für Regionalliga-Verhältnisse unfassbaren - 32.000 Zuschauern im ausverkauften Aachener Tivoli. Weil „Verfolger“ Wuppertaler SV am Freitag bei Fortuna Köln mit 1:2 verloren hat.

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Im Fall dieses Falles werde es aber keine Feier oder Party geben, hatte Backhaus zuvor betont, die volle Konzentration gelte dem Bocholt-Spiel. „Das sind wir auch den Fans schuldig, die Eintrittsgeld zahlen.“ Er kündigte „volle Intensität“ an, auch wenn man schon aufgestiegen sei. Was symptomatisch für den Trainer und seine Herangehensweise zu sein scheint, der auf Leidenschaft, Disziplin und vollen Einsatz in jeder Trainingseinheit sowie Demut und Respekt vor jedem Gegner setzt. „Wir machen viele Fehler, aber haben eine überragende Haltung“, erklärte er das Aachener Erfolgsgeheimnis: „Deshalb stehen wir auch vor Mannschaften, die vielleicht mehr Talent als wir haben.“ Man habe denselben Kader wie am Saisonbeginn, aber eine ganz andere Leistungsdisziplin. Es sei alles eine Frage der Haltung, die Backhaus so erklärt: „Du kannst nach vorne laufen und den Ball verlieren, das ist in Ordnung. Aber dann zurück nur zu gehen, das gibt es hier nicht.“

Da ist es nur folgerichtig, dass er noch nicht an die absehbare Aufstiegsfeier denkt. „Noch gibt es nichts zu feiern“, betont Backhaus: „Wir müssen erst über den Strich und dann werden wir die Alemannia auch gebührend hochleben lassen.“ Zumal er mit dem Verein noch einiges vor hat, bei dem er sich wohl fühlt: „Ich glaube, das strahle ich auch aus. Wenn man sich zu 100 Prozent mit einem Verein identifiziert und auch infiziert ist, dann kann man auch andere infizieren“, sagte Backhaus: „Das ist doch eine Win-Win-Situation für alle, das nutzen wir aus so lange es geht. Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte.“

Wir machen viele Fehler, aber haben eine überragende Haltung. Deshalb stehen wir auch vor Mannschaften, die vielleicht mehr Talent als wir haben.
Heiner Backhaus - Trainer Alemannia Aachen

Dass Backhaus, der einen Vertrag bis zum 30. Juni 2025 hat, angesichts seines Erfolgs Interesse bei anderen Zweit- und Drittligisten geweckt hat, ist auch den Alemannia-Verantwortlichen bewusst. „Ich weiß, dass da einige Klubs bei Heiner anfragen. Aber wir führen eine sehr offen Kommunikation und stehen alle zusammen“, sagte Sportchef Erdal Celik dem Reviersport und versicherte: „Ich weiß auch, dass Heiner nächstes Jahr unser Trainer sein wird.“ In der 3. Liga könnte Backhaus die Alemannia auch mit seiner aktuellen Lizenz zunächst coachen, denn für Trainer der Aufstiegsmannschaften wird eine Übergangsfrist gewährt. Aber der Wetteraner hat ohnehin im Januar den Pro-Lizenz-Lehrgang am DFB-Campus in Frankfurt begonnen - und strebt damit die höchste Trainer-Lizenz an. In einer Saison, in der er den „schlafenden Riesen“ Alemannia Aachen geweckt hat.