Hagen. Im Gespräch auf dem Heuboden spricht Tim Uhlemann offen über seine Höhen und Tiefen als Spieler von Phoenix Hagen. Seine Leistungsexplosion kommt mit Ansage.
Tim Uhlemann sitzt auf dem Heuboden der Ischelandhalle. Normalerweise, wenn er diesen Ort betritt, geht die Post ab. Die Fans von Phoenix Hagen singen, pfeifen und klatschen, bis es in den Ohren klingelt. Nach einem Heimsieg bitten sie die Basketballer oft zur Humba – ein Feierritual, bei dem Fans und Spieler unterm Hallendach zu einer Einheit verschmelzen. „Der Heuboden – das ist für mich Tradition, Stimmung und pure Emotion“, sagt Uhlemann. Doch an diesem Montagnachmittag, eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn, ist es in der Halle fast mucksmäuschenstill. Zwischendurch hört man das Knarzen unter den Sohlen von Trainer Chris Harris, der über das Parkett latscht und Hütchen und Basketbälle an ihren Platz legt.
Beachtliche Leistungssteigerung
Der Heuboden am Ischeland ist einer der Lieblingsplätze vom Basketballer Tim Uhlemann, und vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis er hier oben wieder zum Feiern gebeten wird. Denn seine Leistungen drängen sich geradezu auf. Noch bis Mitte Dezember erzielte der 25-Jährige in der ProA durchschnittlich 6,2 Punkte pro Spiel, doch in den darauffolgenden Wochen explodierte er förmlich: In sechs Partien legte er 16,6 Punkte im Schnitt auf, drei davon endeten für ihn mit mehr als 20 Zählern. Uhlemann ist im Angriff eine Konstante und in Bestform. Er ist die Überraschung der Saison. Und das nicht nur wegen seiner großen Stärke, dem Drei-Punkte-Wurf. Die Leistungssteigerung mag für viele eine Überraschung sein, aber für Uhlemann ist sie eine logische Folge von Fleiß und einem klaren Plan: „Ich habe mir im letzten Sommer fest vorgenommen: Ich will wieder zurück zu meiner Rolle und Form aus dem ersten Jahr bei Phoenix“, sagt Uhlemann.
Phoenix zu Gast in Münster
Tim Uhlemann und Phoenix Hagen treffen am kommenden Samstag auswärts auf die Uni Baskets Münster (19.30 Uhr). „Sie haben uns im Hinspiel gezeigt, wie gut sie sind. Das wird ein richtiger ‚Dogfight‘“, sagt Uhlemann.
Der Forward erzielte im jüngsten Heimspiel gegen Nürnberg keinen Punkt, allerdings legte ihn auch ein grippaler Effekt lahm. Jetzt ist er laut eigener Aussage wieder fit und bereit fürs Westfalenderby in Münster.
Das erste Jahr bei Phoenix – in diesem hat sich der 2,03 Meter große und 107 Kilogramm schwere Flügelspieler am Ischeland sofort einen Namen gemacht. Als verlässlicher Scorer und Energiebündel. „Timbo“, wie ihn seine Mitspieler nennen, lieferte ab. Doch im Winter derselben Saison (2022/23) folgte ein Einbruch – seine Leistungen ließen nach, das Selbstbewusstsein schwand. „Irgendwann war ich etwas frustriert“, erinnert sich Uhlemann. Auch in seiner zweiten Saison war er mehr in der Reservistenrolle, deutete sein großes Talent im Angriff oftmals nur an. In der Defense offenbarte er Schwächen. Für den ehrgeizigen Flügelspieler keine zufriedenstellende Situation. Also nahm er sich im vergangenen Sommer vor allem eines vor: Er wollte fitter werden. „Jonas (Müller-Preuss; Physiotherapeut und Athletiktrainer) und ich haben viele extra Einheiten eingelegt, ich war viel auf dem sogenannten Airbike, um meine Belastbarkeit zu steigern“, erklärt der Flügelspieler. „Dadurch kann ich das Feld schneller und länger hoch und runterlaufen. Das macht vieles einfacher – auch meinen Wurf – und gibt mir mehr Selbstvertrauen.“
Uhlemann verändert sein Spiel
Zum anderen wollte sich Tim Uhlemann nicht mehr so sehr auf seinen Distanzwurf verlassen. Er wollte wieder mehr „inside spielen“, sagt er, also in Korbnähe gefährlich sein. Variabler und weniger berechenbar. „Das funktioniert auch ganz gut“, sagt Uhlemann. Ein gutes Beispiel war dafür seine 21-Punkte-Performance gegen seinen Heimatverein Gießen 46ers, als er immer wieder an seinen Gegnern vorbeizog – und alle sechs genommenen Nahdistanzwürfe im Korb unterbrachte.
Doch eines war auch in Uhlemanns schwierigen Phasen immer beständig: seine Energie und Emotionen. „Johannes, unser Co-Trainer, sagt immer: Die Energie ist meine Spezialwaffe. Er sagt, wenn ich diese Energie ausstrahle, dann wird es ein gutes Spiel.“ Diese Energie spürt auch das Publikum. Wenn der Flügelspieler einen Dreier trifft, spannt er die Muskeln an, dreht sich zu den Fans und brüllt seine Freude heraus – was dazu führt, dass die Zuschauer ihn anbrüllen. So mancher Phoenix-Anhänger spricht dann vom „Uhlemonster“, das die Gegner in Angst und Schrecken versetzt. Keine Frage: Tim Uhlemann ist ein Typ, für den Fans in die Halle gehen.
Ein ruhiger Geselle
Abseits des Gebrülls auf dem Basketballfeld zeigt sich ein anderes Bild. Uhlemann ist niemand, der laute Töne spuckt, er ist ein ruhiger, reflektierter und höflicher Geselle. Er geht gerne im Stadtgarten spazieren oder mit Freunden brunchen. Und wenn es der eng getaktete Kalender eines Profisportlers zulässt, dann geht er auch mal eine Runde Golfen. Hagen ist inzwischen seine zweite Heimat, in der er sich „sehr wohlfühlt“. Immer wieder schwärmt er von den Hagener Fans und der Teamchemie innerhalb der Phoenix-Familie. „Die Fans machen uns hier zu einer echten Macht und kitzeln die letzten paar Prozentpunkte aus uns heraus“, sagt Uhlemann.
Was in dieser Saison möglich ist für ihn und sein Team? „Einiges“, sagt Tim Uhlemann, möchte sich aber mit Begriffen wie „Aufstieg“ und „Meisterschaft“ nicht allzu sehr befassen. „Wenn wir mit viel Energie, können wir jeden schlagen – egal wo. Wenn das in den Playoffs passieren sollte, wer weiß, wohin die Reise führt.“ Wohin sie idealerweise führen sollte, ist für ihn klar: hoch auf den Heuboden am Ischeland.