Hagen. Emotionaler Sieg im Traditionsduell: Phoenix triumphiert über die Gießen 46ers. Tim Uhlemann überragt. Die Fans liefern sich ein hitziges Duell.

Nach einer kräfteraubenden Partie schleppten sich die Spieler von Phoenix Hagen am Sonntagabend erschöpft, aber glückselig noch die Treppenstufen zum Heuboden der Ischelandhalle hinauf. Die Fans hatten sie dorthin beordert – eine ehrenvolle Tradition, die nach einem Sieg die höchste Anerkennung der Hagener Anhänger symbolisiert. Auch diesmal mischten sich die ausgelaugten Hünen in den gelben Trikots unter ihre Fans, um gemeinsam die „Humba“ anzustimmen.

Allerdings verliefen die Feierlichkeiten nach dem 83:80-Sieg gegen die Gießen 46ers nicht ohne Störfrequenz: Aus dem Gästeblock hallten Sprechchöre wie „Ohne Gießen wäre hier gar nichts los!“. Eine Aussage, die auf Hagener Seite für Kopfschütteln und Gelächter sorgte, da an diesem Abend eigentlich auch ohne Gießen jede Menge „los“ war. Der Schlagabtausch zwischen den Fanlagern verlieh der ohnehin elektrisierenden Atmosphäre des Traditionsduells eine zusätzliche Würze. 3145 Zuschauer erlebten einen Abend, der die Essenz von Basketball am Ischeland einfing: Emotionen, Spannung, Leidenschaft.

Phoenix Hagen: Achter Heimsieg in Folge

Durch den knappen Erfolg gegen den ewigen Rivalen markierte Phoenix in dieser Saison der 2. Basketball-Bundesliga ProA einen vorläufigen Höhepunkt. Es war der vierte Sieg in Folge. Und der achte Heimsieg in Serie. Dadurch steht man in der Tabelle auf Platz vier, punktgleich mit dem Rangdritten aus Bremerhaven. Bereits am vorherigen Freitag hatte Phoenix im ersten Teil des Doppelspieltags bei den ART Giants Düsseldorf triumphiert und damit auch auswärts überzeugt. In der Ischelandhalle ist das Team erst recht eine Macht.

Feier unterm Hallendach: Das Phoenix-Team mischt sich unters Fanvolk.
Feier unterm Hallendach: Das Phoenix-Team mischt sich unters Fanvolk. © Jörg Laube | Jörg Laube

Das Spiel selbst war keine Schönheit, sondern geprägt von physischen Duellen, Fouls und Unterbrechungen durch die Schiedsrichter, die die Nerven beider Fanlager bisweilen strapazierten. Basketball, so sagt man eigentlich, ist ein Spiel der Läufe, aber die Floskel ließ sich auf dieses Duell nicht übertragen.

Im Hagener Angriff spielten wie auch schon gegen Düsseldorf zwei Akteure die Hauptrolle: Zum einen überragte Forward Tim Uhlemann gegen seinen Ex-Klub aus Hessen. Und das diesmal gar nicht so sehr von außen. Immer wieder zog er dynamisch zum Korb, ließ seine Gegenspieler ins Leere laufen und erarbeitete sich Fouls oder einfache Abschlüsse. Am Ende kam der gebürtige Gießener auf 21 Punkte und 8 Rebounds – und nach seinem eher schwachem Saisonstart fragt sich so mancher Phoenix-Fan, welchen Zaubertrank „Timbo“ seit ein paar Wochen trinkt. „Wir haben heute das gemacht, was Chris (Harris; Trainer von Phoenix Hagen) uns immer wieder predigt: Wir laufen so lange, bis der Gegner nicht mehr kann“, sagte Uhlemann nach Spielschluss. „Es fühlt sich überragend an, so eine Leistung gegen seinen Ex-Verein zu bringen. Das hat heute Bock gemacht.“

Carry und Uhlemann überragen

Überragend war überdies Sincere Carry, der mit 25 Punkten und 5 Assists zum Alptraum für die 46ers wurde. In der Schlussphase wirkte der Aufbauspieler wie ein Boxer, der trotz zwölf harter Runden einfach nicht K.o. gehen wollte. Carry war mit seiner physischen Spielweise oft nur mit Foul zu bremsen, traf 12 seiner 15 Freiwürfe – viele davon in der entscheidenden Phase. In der Verteidigung standen die Hagener, die erneut ohne Kapitän Dennis Nawrocki auskommen mussten, weitgehend kompakt, machten die Passwege dicht und zwangen die 46ers zu einer bescheidenen Dreierquote von 26 Prozent (6/23).

Ein Kraftpaket: Der Gießener Mladen Vujic setzt sich gegen die lange Hagener Garde um Lennart Boner durch.
Ein Kraftpaket: Der Gießener Mladen Vujic setzt sich gegen die lange Hagener Garde um Lennart Boner durch. © Jörg Laube | Jörg Laube

Auf Gießener Seite überzeugte Kevin McClain mit 20 Punkten und einer beeindruckenden Trefferquote im Zweierbereich (77 Prozent), sein Center Mladen Vujic war sogar perfekt aus der Nahdistanz (6/6; 14 Punkte) und stellte die Hagener Big Men vor Schwierigkeiten. Derweil tat Simon Krajcovic Phoenix vor allem aus der Distanz weh – auch in der Schlussphase. Als der Aufbauspieler in der 38. Minute fünf Punkte in Folge erzielte und seine Mannschaft mit 70:73 in Front brachte, drohte die Partie zugunsten der Hessen zu kippen. Doch Phoenix blieb defensiv stabil und zehrte im Angriff von Carrys Durchsetzungsstärke. Allerdings war Gießen auch im Pech: Viktor Kovacevic beging beim Reboundversuch einen fatalen Eigenkorb zum 78:74 für Phoenix. Wenig später hüpfte er beim Hagener Einwurf auf und ab und übertrat die Aus-Linie, was mit einem technischen Foul geahndet wurde. Der Gießener wurde für eine ähnliche Aktion bereits zuvor von einem Schiedsrichter verwarnt. Gewissermaßen war Kovacevic ein tragischer Held.

Matthias Killing als Hallensprecher

Besonders emotional war der Abend für ein bekanntes Hagener Gesicht: Matthias Killing, bekannt aus dem Sat.1-Morgenmagazin, erfüllte sich als Co-Hallensprecher an der Seite von Tom Schachtsiek einen lang gehegten Kindheitstraum. Nach Spielschluss zeigte er sich begeistert von der „lautesten Halle Deutschlands“ – ein Eindruck, zu dem er selbst wesentlich beitrug. Daran änderten auch die provokanten Rufe aus dem Gießener Gästeblock nichts.

Phoenix Hagen - Gießen 46ers 83:80

Phoenix Hagen: Kraushaar (13,3 Steals), McCall (4), Harris-Dyson, Pook, Binapfl (3), Touray, Stephenson-Moore (7), Uhlemann (21, 8 Rebounds), Bohannon (10), Boner, Hounnou, Carry (25, 5 Assists).

Gießen 46ers: McClain (20), Krajcovic (15), Vujic (14).

Zuschauer: 3145.

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