Herdecke. Als BVB-Torjäger hat sich Niclas Füllkrug in Herdecke auf die EM vorbeitet. Seinen Wechsel zu West Ham bedauert ein Verein besonders
Für eine Überraschung sorgte West Ham United nicht mehr, als der Premier-League-Klub am frühen Montagabend Niclas Füllkrug als Zugang für die neue Saison vorstellte. Der Wechsel des Nationalstürmers von Borussia Dortmund nach London bahnte sich über Tage an, Füllkrug unterschrieb in der Premier League einen Vertrag über vier Jahre. Und verabschiedete sich nach einem Jahr bei den BVB-Fans. „Es war eine kurze, aber intensive Zeit“, sagte der 31-Jährige: „Ganz besonders für die Champions-League-Nächte, leider ohne Happy End, aber mit ganz besonderen Ereignissen.“ Besonders beim FC Herdecke-Ende dürfte man den Abgang Füllkrugs bedauern, „unserem Fülle“ hatte der Verein bei der EM besonders die Daumen gedrückt, nachdem dieser am Ender Kalkheck fürs Nationalteam trainiert hatte.
Bisher gab es den „Geist von Spiez“, der vor 70 Jahren zum „Wunder von Bern“ führte, zwei Jahrzehnte später den „Geist von Malente“ und vor zehn Jahren jenen von Campo Bahia, der die deutschen Fußballer jeweils zu Weltmeisterschafts-Triumphen führte. Wäre auch die Europameisterschaft 2024 mit der Krone für Deutschland geendet, spätestens dann hätte sich hier der „Spirit von Ende“ eingereiht. Vor allem dann, wenn Niclas Füllkrug dabei eine maßgebliche Rolle gespielt hätte. Das tat der Angreifer von Borussia Dortmund etwa im Frankfurter EM-Stadion, als er in der Nachspielzeit per Kopfball das 1:1 gegen die Schweiz erzielte und dem deutschen Team doch noch den Gruppensieg bescherte. In Vorstandskreisen des FC Herdecke-Ende war man sich sofort sicher, wie Klubchef Marcel Schünke tags darauf bekannte: „Das ist der Spirit von Ende“. Denn auf dem Sportplatz des Herdecker Vereins am Kalkheck hat Füllkrug in den Wochen zuvor in individuellen Extra-Trainingseinheiten an der Form gefeilt.
„Heimatnah und ein bisschen anonym“
Von der Personal Trainer Agentur, mit der Niclas Füllkrug zusammenarbeit, hatte der bisherige Ender Klubchef Uwe Hölterhoff die Anfrage erhalten. „Man suchte einen Platz, um dort Spezialtraining für Nationalspieler vor der WM zu absolvieren“, erinnert sich der im April nicht zur Wiederwahl als 1. Vorsitzender angetretene Hölterhoff, der die Anfrage angesichts des Umbruchs im Vorstand weiterleitete. Für den im Sommer 2023 von Werder Bremen nach Dortmund gekommenen BVB-Stürmer, der nach WP-Informationen auch in Herdecke wohnt, suchte man einen etwas abgelegenen Platz mit kurzer Anreise, bei dem die Trainingseinheiten nicht von vielen Zaungästen verfolgt werden. „Heimatnah und ein bisschen anonym“, weiß Hölterhoff-Nachfolger Marcel Schünke.
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Nur Ender Vorstand ist informiert
Am Kalkheck, der Rasen und Kunstrasen gleichermaßen bietet, wurde man fündig, regelmäßig kamen Füllkrug und zwei, drei Übungsleiter nun vormittags zu Übungseinheiten. „Etwa sechs bis acht Wochen vor dem Champions-League-Finale ging das los, das letzte Training fand noch in der Woche vor dem DFB-Trainingslager in Herzogenaurach hier statt“, sagt Schünke, meist kurzfristig kam die konkrete Anfrage, ein Ender Vorstandsmitglied schloss die Anlage auf. „Wir haben das ganz bewusst im Vorstand gehalten, auch im Verein niemand informiert“, sagt der FC-Klubchef, „er sollte ja in Ruhe arbeiten können.“ Nur ein paar Kinder aus der Nachbarschaft bekamen den prominenten Gast mit, baten um Autogramme. Viel Koordinationstraining absolvierten die Personal Trainer mit dem Nationalspieler, aber auch spezielles Torschusstraining, filmten regelmßig die Bewegungsabläufe. „Es war spannend zu sehen, wie Füllkrug aus allen Lagen den Ball in den Winkel haute“, staunte Schünke, „da merkt man schon den Unterschied zu uns Amateurfußballern - und dass der Mann damit sein Geld verdient.“
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Dass die Herdecker Luft den Nationalstürmer zu besonderen Leistungen beflügelte, wunderte die Ender Vorständler also nicht. Und dass Füllkrug mit seinem zweiten Joker-Tor bei der EM - mit wuchtigem und platzierten Kopfball nach punktgenauer Flanke in den Strafraum vom ebenfalls eingewechselten Linksaußen David Raum zum sehr späten 1:1 gegen die Schweiz - nach dem 4:0 beim Auftaktspiel gegen Schottland Geschichte geschrieben hat. Denn insgesamt viermal hat er im DFB-Dress bei Welt- und Europameisterschaften nun als Einwechselspieler getroffen, das hat vor ihm noch keiner geschafft. „Eigentlich bin ich es nicht gewohnt, als Joker zu spielen“, meinte Füllkrug nach dem Spiel vor den Fernsehkameras zwar - und: „Es gibt kein Geheimnis, denn eigentlich bin ich es ja nicht gewohnt, eingewechselt zu werden.“ Es sei „Freud und Leid für ihn zugleich“, dass Füllkrug seine Joker-Rolle gut erfülle, ergänzte Bundestrainer Julian Nagelsmann: „Das sind Momente, wo wir ihn brauchen.“
Sieben Joker-Tore
Niclas Füllkrug steht nun bei 13 Treffern in 19 Länderspielen. Diese beeindruckende Quote wird noch beeindruckender unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er 13-mal nur eingewechselt wurde und dabei sieben Tore schoss.
Im Achtelfinale im Heimatstadion Dortmund
Denn Füllkrug sorgte zwar mit seinem Tor dafür, dass das deutsche Team nun als Gruppensieger in seinem Heimatstadion in Dortmund (21 Uhr) den Zweiten der Gruppe C zum Achtelfinale erwartete. Ob er aber erstmals den Sprung in die Startelf etwa statt Kai Havertz schafft, war damals offen. „Er liefert Argumente für beide Sachen, weiter als Joker zu fungieren oder auch von Anfang an“, sagte Nagelsmann. Füllkrug habe wie Havertz „eine Woche Zeit, Gas zu geben. Dann schauen wir, wen wir haben.“ Der BVB-Angreifer aus Herdecke nahm es gelassen: „So oder so – ich freue mich riesig auf das Achtelfinale in Dortmund.“ Auch wenn nach dem Sieg dort gegen Dänemark im Viertelfinale gegen den späteren Europameister Spanien die EM beendet war.
„Es war spannend zu sehen, wie Füllkrug aus allen Lagen den Ball in den Winkel haute.“