Dortmund/Herdecke. Peter Henes begleitet die EM-Schiedsrichter rund um die Uhr. Wie der Herdecker heute Argentinien-Trio in Dortmunds Stadion einführt:
Sein erster Einsatz bei der Europameisterschaft 2024 dauerte etwas länger als geplant. Denn Peter Henes hing nachts auf dem Dortmunder Wall fest. Nicht nur der frühere Herdecker Fußball-Unparteiische mit internationaler Erfahrung, sondern mit ihm auch das komplette Schiedsrichter-Gespann des ersten von sechs EM-Spielen im BVB Stadion Dortmund um Deutschlands Top-Referee Felix Zwayer. Denn Henes, der bei der EM als „Referee Liaison Officer“ (RLO) - also als Schiedsrichter-Begleitperson - bei allen Partien in Dortmund eingesetzt ist, und die Unparteiischen des Duells zwischen Italien und Albanien steckten auf dem Weg zum Teamhotel der Schiedsrichter auf dem Dortmunder Innenstadt-Ring fest. Zur am Wochenende hier üblichen Rader- und Poserszene kamen diesmal noch Tausende albanische Fans, die per Auotokorso feierten. „Es war chaotisch nach dem ersten Spiel“, berichtet Henes, „da konnte uns auch die uns begleitende Polizei nicht helfen. Ganz Dortmund war rot.“ Insgesamt rund 50.000 Albaner sind nach Polizeiangaben am Samstag in Dortmund gewesen, zwischenzeitlich musste nachts der Wall gesperrt werden.
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Zuvor im Stadion hatte Henes zu seiner EM-Premiere ein zwar emotionales Duell erlebt, in dem aber die von ihm und Rene Kunsleben aus Hamm betreuten Schiedsrichter - Felix Zwayer, Stefan Lupp und Marco Achmüller - nicht mit strittigen Entscheidungen die Leidenschaften anfeuerten. „Es war ein Spiel, wie es sich ein Schiri wünscht“, sagt Henes, „die VAR wurden nicht gebraucht.“ Die Aufgabe als Schiedsrichter-Begleiter kennt der 62-jährige Herdecker aus langjähriger Tätigkeit nach seiner eigenen Referee-Karriere seit mehr als einem Jahrzehnt in der Bundesliga in Dortmund und den europäischen Pokal-Wettbewerben und Länderspielen in allen NRW-Standorten. Die EM allerdings, das räumt er nach der Premiere dort ein, sei noch ein anderes Erlebnis. „Alle sind ein bisschen aufgeregter“, sagt er, „der gesamte Ablauf ist minutiös getaktet, alles ist vorgegeben, das gibt es in der Bundesliga oder Champions League so nicht. Auch die Route unseres Klein-Busses zum Stadion ist genau vorgeschrieben, dazu werden wir von Polizei begleitet.“
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Das ist eine Erfahrung, die der Herdecker am Dienstag erneut machen wird, dann steht im BVB Stadion bereits das Vorrundenduell zwischen Türkei und Georgien an. Bereits am Tag zuvor ist Henes im Einsatz, nimmt die während der Europameisterschaft zusammen in Frankfurt in einem Camp untergebrachten Schiedsrichter in Dortmund gemeinsam mit RLO-Kollege Kunsleben in Empfang. Nach dem deutschen Trio beim Italien-Albanien-Spiel ist es diesmal das einzige nicht-europäische Gespann: Der Argentinier Facundo Tello wird die Pertie gemeinsam mit seinen Landsleuten Gabriel Chade und Ezequiel Brailovsky leiten. „Wir haben das Glück, nach dem deutschen Gespann nun die Gäste aus Südamerika zu betreuen“, sagt Henes: „Felix Zwayer und viele europäische Kollegen kennen das Stadion in Dortmund natürlich, bei den Argentiniern wird das nicht so sein.“
„Wir haben das Glück, nach dem deutschen Gespann nun die Gäste aus Südamerika zu betreuen.“
Der Ablauf ist bei allen sechs Spielen in Dortmund - noch die Vorrundenpartien Türkei - Portugal (22. Juni) und Frankreich - Polen (25. Juni) sowie Achtelfinale (29. Juni) und Halbfinale (10. Juli) - gleich. Nach der mittäglichen Ankunft in Dortmund checkt das fünfköpfige Schiedsrichter-Team neben dem Trio auf dem Platz noch 4. Offizieller und Ersatz - im Dortmunder Leonardo-Hotel am Wall ein, danach steht noch eine Trainingseinheit im Stadion, streng getrennt von den beiden Mannschaften, an. Tags darauf folgt um 10.30 Uhr das Meeting zum Briefing durch „Observer“ (Schiedsrichter-Beobachter) Howard Webb, Referee-Legende aus England, ehe es mit zwei Vans zum Spiel ins Stadion geht. Und danach zurück ins Schiri-Hotel zu Spielanalyse und Late Night Dinner. „Vom ersten Fußtritt ins Hotel bis zur Abreise zurück nach Frankfurt betreuen wir die Schiedsrichter“, sagt Henes, die Unparteiischen sollen sich nicht um administrative Aufgaben kümmern müssen, sondern den Fokus nur auf ihre Spielleitung richten.
Zur Person: Peter Henes
Insgesamt 1591 Spiele als Unparteiischer hat Peter Henes von der TSG Herdecke absolviert, 334 mal war er als Schieds- oder Linienrichter im DFB-Bereich oder international aktiv. Bei der TSG Herdecke war der 62-Jährige bereits Jugendtrainer und Jugendgeschäftsführer, vor gut einem Jahrzehnt fungierte er nach Ende seiner Schiedrichter-Karriere noch einmal als Geschäftsführer. Vor zwei Jahren wurde er vom Bleichstein-Klub, bei dem sein Bruder Frank Henes nun wieder als Trainer der ersten Mannschaft fungiert, für 50 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet.
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Für Peter Henes, der bis 2008 als Schieds- oder Linienrichter im DFB-Bereich und international insgesamt 334 Spiele leitete, ist die Euro 2004 die erste internationale Meisterschaft. „Als Schiri hatte ich nie das Glück, dabei zu sein“, sagt der ehemalige Unparteiische der TSG Herdecke, „da ist die EM quasi vor der Haustür schon ein Event, das ich so gerne mitnehme. Also die Kirsche auf der Sahne.“ Zumal er die sechs Spiele in Dortmund aus erster Reihe fast komplett sehen kann. „Ich kann die Spiele ganz normal genießen, nur den Abpfiff nicht“, sagt er: „Fünf Minuten vor Halbzeit und vor Ende gehen wir in den Kabinentrakt, um die Schiedsrichter in der Mixed Zone in Empfang zu nehmen.“ Denn auch die Referees nach dem Schlusspfiff vor möglicherweise aufgebrachten Spielern oder Verantwortlichen der Mannschaften abzuschirmen, gehört zu den Aufgaben. Im ersten Spiel war das nicht notwendig, auf volle Straßen in Dortmunds City müssen Henes und die Schiedsrichter sich aber bestimmt erneut einstellen: „Bei den beiden Türkei-Spielen wird das vielleicht noch getoppt.“