Winterberg. Bei der Bob-DM in Winterberg war auch Sandra Kiriasis, die ehemalige Top-Pilotin, wieder am Eiskanal. Aber nicht ohne Grund.

Sie war nahezu unscheinbar. Denn Sandra Kiriasis trug weder eine auffällige Winterjacke, noch eine besondere Mütze. Die einst erfolgreichste Bobpilotin der Welt unterschied sich kurz vor der Siegerehrung der deutschen Meisterschaften im Zielbereich der Veltins-EisArena in Winterberg null komma null von x-beliebigen Zuschauern. Doch die 48-Jährige weilte mitnichten nur aus Spaß in ihrer ehemaligen Heimat im Hochsauerland. Sie warf auf eine Pilotin ein besonderes Augenmerk.

Kiriasis holt Olympia-Gold 2006

Bis 2007 startete Sandra Kiriasis, die 1975 in Dresden geboren wurde, für den BSC Winterberg. Danach fuhr sie für die RSG Sauerland, bevor sie 2013 zum neu gegründeten Bob-Club Stuttgart Solitude wechselte. Ihre Vita liest sich eindrucksvoll: Siebenfache Weltmeisterin und Rekord-Gesamtweltcupsiegerin mit neun Triumphen. 2006 gewann Kiriasis bei den Olympischen Winterspielen in Turin mit Anschieberin Anja Schneiderheinze die Goldmedaille im Zweierbob. Seitdem wartete das Sauerland auf die nächste Bob-Medaille - bis Laura Nolte (BSC Winterberg) mit Anschieberin Deborah Levi 2022 bei den Olympischen Winterspielen in Peking zu Gold raste.

Pilotin Leona Klein (rechts/BSC Winterberg) startete mit Cecilia Kuntz bei der DM in Winterberg.
Pilotin Leona Klein (rechts/BSC Winterberg) startete mit Cecilia Kuntz bei der DM in Winterberg. © Dietmar Reker

Doch Nolte ist nicht die Pilotin, der Sandra Kiriasis seit dieser Saison mit Rat und Tat bei Fragen zu Fahrten im Eiskanal zur Seite steht. Kiriasis, die insgesamt vier Olympische Winterspiele als Pilotin erlebte und nach Rang fünf 2014 in Sotschi in die sportliche Rente ging, fungiert als Trainerin der Nachwuchspilotin Leona Klein. Die 22-jährige Athletin des BSC Winterberg befindet sich derzeit in der Ausbildung zur Pilotin und blickt auf einen ungewöhnlichen Sportartenwechsel zurück.

Mehr zum Thema Bob:

Denn Klein entstammt nicht der Leichtathletik wie so viele Bobpilotinnen oder -Anschieberinnen, sondern war eine erfolgreiche Turnerin. „Der Sportartenwechsel ist ein bisschen verrückt. Ich glaube, es gibt keine Turnerin, die Bob fährt“, sagte die Frankfurterin. „Es war so: Ich habe in Köln zu studieren begonnen. In Corona-Zeiten waren die Hallen blockiert, es durfte nur die Turn-A-Nationalmannschaft trainieren. Dann hat mich ein Bobfahrer mit zum Training genommen. Ich dachte die ganze Zeit, dass es ein Witz ist, dass ich jetzt einen Bob anschieben soll. Das dachte ich auch noch bis zum Zeitpunkt, als ich am Schlitten stand und angeschoben habe“, ergänzte sie.

Sandra Kiriasis während der deutschen Meisterschaften in Winterberg.
Sandra Kiriasis während der deutschen Meisterschaften in Winterberg. © Dietmar Reker

Weil die Fahrten Spaß machten, vollzog sie den Wechsel von der Turnmatte in den Eiskanal. Und zufällig wurde aus der Anschieberin schnell eine Pilotin. „Mein damaliger und auch jetziger Athletiktrainer, Thomas Prange, hat gesagt: „Du warst Turnerin und hast ein gutes Körpergefühl. Ich kann mir vorstellen, dass Du eine gute Pilotin wärst.“ Ich habe es gewagt, der Wechsel vom Turnen zum Bobsport war schon verrückt genug. Verlieren kann ich nichts mehr“, erklärte Klein.

Kiriasis lobt Klein

Über die Kooperation des Stützpunktes in Winterberg mit dem TuS Hachenburg in Rheinland-Pfalz kam schließlich die Zusammenarbeit mit Sandra Kiriasis zustande. „Ich bin dort seit dem 1. Oktober als Trainerin“, sagte die ehemalige Top-Pilotin am Rande der deutschen Meisterschaft. „Leona macht das sehr gut und hat großes Potenzial“, ergänzte sie mit Blick auf Klein.

Wann immer Kiriasis Zeit hat, berät sie die Nachwuchspilotin auch an den Bahnen. „In erster Linie benötigt sie jetzt Kilometer, damit sie Erfahrungen sammelt und noch mehr Gefühl für den Bob entwickelt“, sagte Kiriasis. Dem pflichtete die 22-Jährige natürlich bei. „Ich habe im letzten Jahr knapp 100 Fahrten im Mono gemacht. Ich bin dann in den Zweier umgestiegen. Ich habe in Winterberg 15 Fahren im Zweier und dann noch 15 Fahrten in Innsbruck. Viele Zweierfahrten habe ich also noch nicht“, sagte sie. Mit ihrem Start bei der DM war die junge BSC-Pilotin ebenso zufrieden wie ihre Trainerin.

Ich kann von ihrer Erfahrung und ihren Tipps natürlich sehr profitieren.
Leona Klein, Bobpilotin, über Sandra Kiriasis

Dass eine lebende Bob-Legende wie Kiriasis ihr mit Rat und Tat zur Seite steht, motiviert Klein zusätzlich. „Das ist für mich ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Ich kann von ihrer Erfahrung und ihren Tipps natürlich sehr profitieren“, sagte Klein. Und etwas outete Sandra Kiriasis dann doch als „Teammitglied“: der kleine Schriftzug „Bobteam Leo“.