Sauerland. Trikots waschen, zum Auswärtsspiel fahren und die Kinder abholen: Eltern sind im Jugendfußball unersetzbar. Doch das Engagement sinkt immer mehr.
Schnell die gewaschenen Trikots in die Tasche packen, Kinder in das Auto einladen und zum Sportplatz fahren. Spiel verfolgen, das Kind danach mitunter trösten und dann wieder nach Hause bringen. Für viele Eltern von Jugendfußballern ist das der normale Alltag.
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Was nach Stress klingt, ist für manche ihr Beitrag, um das Hobby des eigenen Kindes so schön wie eben möglich zu gestalten. Doch die Bereitschaft, dass Eltern ihre Kinder zum Sport begleiten und unterstützen, nimmt ab – was manchmal Segen und Fluch zugleich sein kann. Andere Eltern hingegen gehen hingebungsvoll in ihrer Funktion auf. So wie Jens Freiheit, der zig Stunden pro Woche für den Sport seiner Kinder aufbringt.
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So ein Mittwoch kann für Jens Freiheit stressig sein. Wobei er sich diesen Stress selbst ausgesucht hat. „Ich mache das wirklich gerne“, sagt der Jugendtrainer des BV Alme. Einer seiner Söhne spielt in der F-Jugend, er selbst trainiert das Team. Ein Modell, wie es oft im Amateursport vorkommt. Fußballtrainer, die kein eigenes Kind trainieren, sind rar, Trainer, die ohne eigene Kinder andere Kinder trainieren, fast nicht vorhanden. „Ich würde das auch machen, wenn meine Kinder irgendwann kein Fußball mehr spielen“, sagt Jens Freiheit.
Drei Kinder in drei Vereinen
Ganz anders ist die Situation bei Familie Kahraman. Alle drei Kinder spielen schon seit Jahren Fußball, alle drei spielen aktuell in drei unterschiedlichen Vereinen. „Das ist Stress, den wir gerne auf uns nehmen. Inzwischen ist es aber deutlich weniger, weil die Kinder älter und damit selbstständiger geworden sind“, sagt Mutter Sengül Kahraman. Talentiert seien alle Kinder gewesen, weshalb Sengül und Özhan Kahraman gerne ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben, um ihren drei Kindern alles zu ermöglichen. Doch nicht nur das Talent der Kinder war es, das die Eltern angetrieben hat.
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Andere Werte, die der Vereinssport vermittelt, seien wichtiger als jedes Talent. „Unsere Kinder haben so viele Freunde kennengelernt, auch wenn sie heute teilweise nicht mehr zusammen spielen“, sagt Sengül Kahraman. Und eines ist ihr besonders wichtig. „Durch den Sport im Verein haben sie gelernt, für sich und andere Menschen Verantwortung zu übernehmen“, sagt sie.
Drei Kindern in drei Vereinen
Damit das für ihre Kinder so überhaupt möglich war, bedurfte es großen Aufwand seitens der Eltern. Drei Kinder, fast immer in unterschiedlichen Vereinen – das ist eine große Fahrerei. Jetzt, da die drei Kinder Selim (20), Kerim (16) und Nirhan (14) schon etwas älter seien, hat sich das ein wenig reduziert. „Wenn es nicht anders geht, fahren sie auch mal mit dem Zug oder dem Bus zum Training“, sagt die Mutter.
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Bei Jens Freiheit hingegen lässt sich der Aufwand gerade so noch stemmen. Manchmal aber lassen der Beruf oder andere Verbindlichkeiten es nicht zu, dass er selbst am Platz ist. Wie beispielsweise beim Training seiner Tochter, die in der D-Jugend der FSV Bad Wünnenberg/Leiberg spielt. Da hilft Freiheit auch mal aus, um das Training zu ermöglichen. „Zum Glück sind wir da aber auch mehrere Eltern, die sich der Sache annehmen“, sagt er.
Arbeit steht oft im Weg
Dass diese Eltern, die sich freiwillig für das Team ihrer Kinder engagieren, immer weniger werden, weiß er aber auch. „Für mich hat das aber nicht immer etwas damit zu tun, dass sie keine Lust haben“, sagt der Briloner. In seinen Augen habe sich die Arbeitswelt so verändert, dass die Zeit für die Freizeit durchaus weniger geworden ist. „Die Ansprüche auf der Arbeit sind einfach anders geworden“, sagt Freiheit. Doch nicht immer sind es berufliche Verpflichtungen, die dafür sorgen, dass Eltern die Vereine als Beschäftigungsmöglichkeit für ihre Kinder sehen und sich selbst nicht einbringen.
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„Darum reißen tut sich eigentlich nie jemand“, weiß Julian Rüther vom TSV Bigge-Olsberg. Aus seiner Erfahrung weiß der Geschäftsführer des Klubs, dass es die Eltern wie Freiheit beim BV Alme gibt, er aber auf der anderen Seite auch einige Eltern der Kinder noch nie am Platz gesehen hat. Um das anzusprechen, veranstaltet der Verein Elternabende, oft mit möglichst wenigen Hindernissen für die Eltern, die sonst eher selten zu sehen sind. „Aber auch da sieht man dann ja für gewöhnlich die Eltern, die sich ohnehin immer engagieren.“
Für Rüther sei ein Trend, dass sich immer weniger Eltern auch gleichzeitig im Verein ihrer Kinder engagieren, klar zu erkennen. „Ohne das Engagement von Eltern“, so Rüther, „ist so eine Jugendabteilung nicht stemmbar.“
Verwunderung in der Familie
Bei den Kahramans ist das anders. „Viele in meiner Familie haben früher gefragt, ob wir verrückt sind, weil wir unsere Wochenenden immer für die Kinder am Platz verbracht haben“, sagt Sengül Kahraman. Ihr und ihrem Mann ist bewusst, welche Koordination mitunter vonnöten ist, um das Hobby der Kinder zu ermöglichen. „Und manchmal muss man dann auch improvisieren“, sagt Jens Freiheit.
Zu was elterliches Engagement führen kann, zeigte der letzte Spieltag der Fußball-Kreisliga B Arnsberg. Da trafen nämlich Vater Özhan und Sohn Selim Kahraman im direkten Duell aufeinander. Das Spiel ging am Ende überraschend mit 4:3 an die Mannschaft des Vaters – das Event an sich war hingegen ein großer Gewinn für die gesamte Familie.