Sauerland. Damit die Jugendfußballer zum Training kommen, hat der SV Brilon einen Fahrdienst eingerichtet. Dieser reißt pro Woche 1000 Kilometer ab.

Wer im Hochsauerlandkreis Fußball spielen möchte, der muss schon einmal viele Kilometer bis zum Trainingsplatz zurücklegen. Für Autofahrer ist das kein Problem. Tasche in den Kofferraum, Zündung an. Losfahren, Ankommen, Kicken. Für Kinder und Jugendliche ist das allerdings nicht immer so einfach – da müssen schon die Eltern mitspielen. Wenn die ihre Kinder aber nicht drei Mal in der Woche zum Training bringen können, kann das zum Problem werden.

Alle Teile der Serie: Noch zu retten? Jugendfußball im HSK

Der SV Brilon ist sich dieser Problematik bewusst, weshalb es seit 15 Jahren den Fahrdienst in der Jugendabteilung gibt. Zehn Fahrer sorgen Woche für Woche, Tag für Tag dafür, dass die jungen Kicker aus dem gesamten Sauerland in Brilon spielen können – und dafür reißen sie in jeder Trainingswoche bis zu 1000 Kilometer ab.

Ohne den Service keine Option

Für Niklas Betten muss es an manchen Tagen schnell gehen. Kaum von der Schule heimgekommen, muss der 16-Jährige seine Tasche packen und zum Treffpunkt laufen. Auf die Minute genau steht dort dann der graue VW-Bus des SV Brilon. Rein in den Bus und ab zum Training. „Ohne den Fahrdienst wäre es für mich nicht möglich, in Brilon überkreislich spielen zu können“, sagt Betten. Er wohnt in Wissinghausen im Stadtgebiet Medebach. Wobei „Stadtgebiet“ hier eigentlich der falsche Begriff ist. Das kleine Dörfchen liegt zwischen Winterberg und Medebach, von Urbanität ist hier nichts zu sehen.

36 Kilometer, 45 Minuten Fahrt: Alltag für Jugendfußballer im HSK wie Niklas Betten.
36 Kilometer, 45 Minuten Fahrt: Alltag für Jugendfußballer im HSK wie Niklas Betten. © Westfalenpost | Aline Rinke

Lesen Sie auch: Sterbender Jugendfußball im HSK: Zahlen, Gründe, Lösungen

45 Minuten Fahrt liegen vor dem jungen Fußballer, der beim SV Oberschledorn/Grafschaft mit dem Fußballspielen angefangen hat. „Da fahre ich nur zehn Minuten zum Platz“, sagt er. Irgendwann aber wurden seine Mitspieler knapp, sein Heimatverein ging eine Kooperation mit der in Hessen liegenden JSG Diemelsee-Upland ein. In diesem Jahr kommt aber auch in dieser Kooperation keine spielfähige B-Jugend zusammen.

Für Betten war ein Verbleib ohnehin keine Option, er wollte mal mehr als immer nur in der Kreisliga zu spielen. Die nächstbeste Gelegenheit findet sich im Hochsauerlandkreis erst in Brilon: Für einen 16-Jährigen ohne Auto eigentlich unerreichbar.

50 Kicker nehmen Dienst in Anspruch

Ausschlaggebend für den Wechsel zum SV Brilon war neben der sportlichen Perspektive der vom SVB angebotene Fahrdienst. Ohne ihn wäre die Perspektive, in der Bezirksliga der B-Junioren spielen zu können, für Betten gar nicht möglich. „Ich habe nach einem Probetraining angefragt, ob es diese Option gibt“, sagt der Juniorenfußballer. Bereits sein älterer Bruder Jonas hatte den Dienst nach seinem Wechsel nach Brilon in Anspruch genommen.

Auch interessant

Insgesamt werden derzeit etwa 50 Kinder und Jugendliche ab der C-Jugend mit dem Fahrdienst vom SV Brilon durch den gesamten Altkreis Brilon und teilweise sogar bis nach Hessen kutschiert. „Da kommen 1000 Kilometer pro Woche schnell zusammen“, sagt Norbert Kummer.

Längste Strecke umfasst 320 Kilometer - an einem Tag

Er koordiniert den Fahrdienst, zu dem neben ihm noch neun weitere Fahrer gehören. Fast alle dieser Fahrer sind pensioniert und wollen dem Verein auf diesem Wege etwas zurückgeben. „Der Verein hat uns in der Vergangenheit vieles ermöglicht. Da ist es doch schön, wenn wir unsere Zeit nun anbieten können“, sagt Kummer.

Mehr Sport aus dem HSK gibt es hier

Wie viel Zeit das ist, ist von Woche zu Woche und von Trainingseinheit zu Trainingseinheit unterschiedlich. An einem normalen Trainingstag mit mehreren hintereinander trainierenden Jugendmannschaften gehen da schon einmal vier Stunden im Auto drauf. „Die längste Strecke umfasst etwa 320 Kilometer an einem Tag“, sagt Kummer. Dann werden die Jugendfußballer an verschiedenen Sammelpunkten eingesammelt und zum Training gebracht.

Passend dazu: Immer längere Vereinsnamen: Hat Jugendfußball im HSK eine Zukunft?

Anschließend geht es für Kummer und Kollegen wieder auf die Straße, die nächste Altersklasse einsammeln. Wenn diese am Platz an der Jakobuslinde in Brilon abgeliefert wurden, steigen die ersten wieder in den Bus und werden nach Hause gebracht. Dann geht es wieder nach Brilon, wo inzwischen die erste Gruppe mit dem Training fertig ist und auf die Heimfahrt wartet.

Nur die wenigsten bleiben

Ein immenser Aufwand, den der SV Brilon betreibt, um seine Jugendmannschaften im älteren Bereich quantitativ wie qualitativ ausreichend zu bestücken. Rund 50 Prozent der Spieler in A-, B- und C-Jugend kommt nach Angaben des Vereins nicht aus Brilon, viele zieht es nach der Jugend dann aber wieder weg von der Jakobuslinde. Bei weitem bleiben nicht alle Nachwuchskicker dann auch für den Verein im Erwachsenenbereich aktiv. „Viele gehen dann zu ihren Vereinen zurück oder spielen da, wo sie für ihren Beruf oder ihr Studium hinziehen“, sagt Kummer.

Und trotzdem fahren sie weiter in ihrem Bus durch die Region und ermöglichen so vielen Kindern und Jugendlichen, in ihrem Verein Fußball zu spielen. Nur am Wochenende haben sie frei, da müssen die Mannschaften selbst zusehen, wie die jungen Fußballer zu den Spielen kommen. In ihrer freien Zeit gönnen sich die Fahrer dann genüsslich die Spiele der ersten Mannschaft des SVB – als Fans.