Arnsberg. Die Cricket-Mannschaft des TV Arnsberg ist geprägt von Sportlern aus Afghanistan. So bangt das Team um seine Familien in der gebeutelten Heimat.
Seine Liebe für das Cricketspiel sei unendlich groß, sagt Samiullah Baghlani. Doch spätestens seit Sonntag, 15. August, ist diese Liebe unwichtig – notgedrungen. Weil die radikalislamischen Taliban in seinem Heimatland Afghanistan innerhalb weniger Tage die Herrschaft über den Staat zurückerlangt haben, Vergeltungsaktionen durchführen, Menschen sterben und das Land im Chaos versinkt, treiben Baghlani große Sorgen um.
Der 26-Jährige, dessen neue Heimat seit sechs Jahren Deutschland und konkret Arnsberg ist, bangt um seine Familie – und seine Verlobte.
Arnsberg: keine Gedanken mehr an das Spiel
Die „Arnsberger Löwen“ sind das Cricket-Team des TV Arnsberg. Vor vier Jahren wurde die Mannschaft ins Leben gerufen – sie will die afghanische Nationalsportart Nummer eins, das Cricket, auch im Sauerland bekannter machen. Die „Löwen“ sind von Spielern aus Afghanistan geprägt, und auch Akteure aus Pakistan und Indien – die meisten von ihnen sind nach Deutschland geflüchtet – trainieren und spielen für die Mannschaft.
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Derzeit ist all das aber nebensächlich. Am vergangenen Sonntag hatte das Team noch das Viertelfinale der NRW-Championships der Deutschen Cricket Union (DCU) gegen den Bonn Blue Cricket Club bestritten. Die 138:189-Niederlage und das damit verbundene Ausscheiden führt Mannschaftskapitän Samiullah Baghlani darauf zurück, dass die Mannschaft noch während der Partie von den dramatischen Entwicklungen in ihrer Heimat erfuhr.
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Die Taliban standen kurz vor der Hauptstadt Kabul, die sie kurze Zeit später unter ihre Kontrolle brachten. Viele Menschen versuchen seitdem zu fliehen. „Als wir davon erfahren haben, haben wir noch auf dem Platz geweint. An Cricket war nicht mehr zu denken, wir haben das Spiel aber trotzdem zu Ende gebracht“, sagt der Teamkapitän.
Angst vor Vergeltungsaktionen
Baghlani musste vor sechs Jahren aus seinem Heimatland fliehen, weil er von den Taliban bedroht wurde. In Arnsberg baute er sich ein neues Leben auf, begann seine Arbeit als Maler und Lackierer, fand Freunde und Bekannte und brachte „seinen“ Nationalsport in den HSK. Jetzt – sind seine Gedanken mehr denn je pausenlos in Afghanistan. „Wir sind geschockt darüber, was passiert ist. Wir alle müssen an unsere Familien denken und daran, was ihnen passieren kann. Das Telefonsignal ist seit Tagen nicht vorhanden, wir können noch keinen Kontakt aufnehmen“, erzählt er.
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Baghlani stammt aus Baglan, einer 83.000-Einwohner-Stadt im Nordosten des zentralasiatischen Landes. Samiullah Baghlani ist erleichtert, dass sich seine Familie, unter anderem sein Bruder und seine Eltern, nach Pakistan retten konnten. Große Sorge habe er dagegen um seine Verlobte Fatima, die nach wie vor in Baglan lebe. Auch sein Onkel und seine Cousinen seien noch vor Ort. „Wir hoffen, dass die Taliban keine unschuldigen Menschen umbringen. Davor hat man große Angst“, sagt er.
Vor sechs Jahren habe er bei seiner Flucht „meine Heimat verloren“, sagt Samiullah Baghlani, der befürchtet, dass sich in Afghanistan nun ein erneuter Bürgerkrieg entwickeln und das Land weiter destabilisieren wird. In seiner neuen Heimat Deutschland und konkret in Arnsberg möchte er so schnell wie möglich gemeinsam mit seiner Verlobten leben – allerdings seien zuvor neben der aktuell ungewissen Lage noch einige bürokratische Hürden zu überwinden. All diese Herausforderungen will Cricketspieler Samiullah Baghlani aber unbedingt meistern. „Wenn jemand einfach aufgibt, dann hat er schon verloren“, sagt er mit fester Stimme.