Neheim/Beirut. Er bangte um sein Leben – und mit ihm seine Familie im HSK: Der Neheimer Siad Siala war bei der Explosionskatastrophe in Beirut hautnah dabei.

Am anderen Ende der Telefonleitung hört man den Sauerländer Zungenschlag schnell heraus. Als Fußballspieler Siad Siala (41) vom FC Neheim-Erlenbruch im Gespräch mit dieser Zeitung seine Eindrücke direkt aus Beirut im Libanon schildert, wo am Dienstag, 4. August, verheerende Explosionen für Tod und Verwüstung sorgten, klingt das klassische Sauerländer „woll“ deutlich durch. „Ich war sehr nah am Tod“, sagt Siad Siala. Er muss schlucken.

Explosionen in Beirut: Riesenlärm, verzweifelte Menschen

Während die Explosionen im Hafenviertel der Hauptstadt des Libanons ein Bild wie aus einem Kriegsschauplatz hinterlassen, ist etwa 4000 Kilometer entfernt ein Fußballtrainer des heimischen A-Kreisligisten FC Neheim-Erlenbruch in heller Aufregung: Amer Siala lässt alles stehen und liegen, um sich zu vergewissern, dass es seinem älteren Bruder Siad gut geht.

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„Wir hatten gerade in Neheim Training, als ich von einem befreundeten Libanesen von den Explosionen hörte. Ich habe sofort für mich das Training abgebrochen und meine Mutter angerufen, ob sie etwas von Siad weiß. Nach einer Stunde habe ich dann endlich mit ihm sprechen können“, erzählt Amer Siala.

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Siad Siala, der gemeinsam mit seiner Verlobten Freunde und Verwandte der seit 1989 fest in Neheim verwurzelten Familie in Beirut besucht, sagt, dass er am Dienstag mit seiner Verlobten und einem Cousin durch die Stadt ganz in der Nähe des Beiruter Hafens spaziert sei. „Plötzlich haben wir einen Riesenkrach gehört. Alle Menschen sind losgelaufen, weil alle dachten, dass das ein Erdbeben ist“, erzählt Siad Siala.

Bei der Katastrophe in Beirut hautnah mit dabei: Siad Siala aus Neheim.
Bei der Katastrophe in Beirut hautnah mit dabei: Siad Siala aus Neheim. © Privat

Die Explosionen seien ihm so laut vorgekommen, wie die Atombombe, die vor 75 Jahren die japanische Stadt Hiroshima zerstört hatte und über die er viel gelesen habe. Er habe sofort an einen Anschlag gedacht, an Raketen, Flugzeuge. Im Gespräch ein paar Tage danach wird seine Stimme am Telefon nun stiller. „So etwas habe ich noch nie erlebt und gesehen. Ich hatte eine furchtbare Angst.“

Verwurzelt im Sauerland

Menschen hätten verzweifelt um Hilfe geschrien, andere lagen blutig am Boden. Tote, Verletzte, zerstörte Häuser und Straßen: Überall habe das absolute Chaos geherrscht. „Es war wie in einem Film, unwirklich. Einfach schrecklich“, sagt Siad Siala. Seine Verlobte und er hätten „sehr großes Glück gehabt“. Letztlich bekamen sie nur Staub und Asche ab, „und ein paar Kratzer. Bei uns ist alles okay“, sagt Siad Siala.

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Gleichwohl waren die Auswirkungen enorm. Mindestens 149 Menschen starben, weitere 5000 Personen wurden verletzt. Bereits 300.000 Menschen sind in Beirut obdachlos geworden.

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Die Explosionskatastrophe trifft ein ohnehin krisengeschütteltes Land, das gebeutelt ist durch die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten und eine große Ablehnung der Bevölkerung gegenüber den politischen und wirtschaftlichen Eliten. Jetzt steht der Wiederaufbau in der Hauptstadt an, ein enormer Kraftakt, der begleitet wird von vielen Hilfen aus aller Welt.

Erfolgreiche Fußballer im HSK

Der Neheimer Familienvater Amer Siala, der selbst mit seiner Familie vor 31 Jahren als damals Sechsjähriger aus dem Libanon nach Deutschland in das Sauerland kam und in Beirut geboren ist, war selbst nach der Ankunft im Sauerland nie wieder in seinem Heimatland. „Mein Vater ist dort beerdigt, und einige Verwandte von uns leben dort, ansonsten habe ich wenig mit dem Land zu tun. Mir fehlt die Bindung an diese ganz andere Mentalität und Kultur. Aber vor allem jetzt fühlt man sich trotzdem mit den Menschen dort sehr verbunden“, erklärt Amer Siala.

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Den weitaus größeren Anteil seiner bislang 37 Lebensjahre hat Amer Siala im HSK verbracht. „Ich bin Neheimer und will hier immer bleiben!“, betont er. Mit den Fußballern des FC Neheim-Erlenbruch hat er sich in den vergangenen Jahren vieles aufgebaut.

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Amer Siala ist gemeinsam mit Kumpel Hassan Ghulmi Trainer der ersten Mannschaft, in der auch Bruder Siad bisweilen mittrainiert. Das Team scheiterte in der vergangenen Saison in der Kreisliga A Arnsberg nur knapp am Sprung in die Bezirksliga. Zudem ist er 2. Vorsitzender. „Wir haben eine familiäre Atmosphäre im Verein geschaffen“, sagt Amer Siala.

Zwei Wünsche nach der Katastrophe

Unterdessen hat sich sein älterer Bruder Siad Siala, der der Katastrophe im Beiruter Hafen nur haarscharf entkommen ist, nun vor allem zwei Dinge vorgenommen. An diesem Montag feiert er seinen 42. Geburtstag. „Das wird ein ganz besonderer Tag. Ich werde richtig auf den Putz hauen“, verspricht er.

Zudem will er das Überleben seiner Familie und sein eigenes auf besondere Art und Weise feiern. „Bei uns gibt es die Tradition, dass wenn man dem Tod so nah kommt und das überlebt, ein Tier schlachtet und das Fleisch an arme Menschen verteilt. Das möchte ich machen“, sagt Siad Siala. Er freut sich darauf.