Winterberg. Ein Fußballer streckte ihn hinterrücks per Faustschlag nieder – doch ein Schiri aus Winterberg (36) pfeift weiter. Der Vorfall und dessen Folgen.

Der Angriff kam überraschend, aus dem Nichts und von hinten: Als ein wütender Spieler ausrastet und Fußball-Schiedsrichter Markus Isenberg (36) nach einem Kreisliga-Spiel mit einem enormen Faustschlag niederstreckt, bleibt der Winterberger zunächst benommen am Boden liegen. Später habe er „noch am Platz geweint“, sagt der Unparteiische aus Winterberg. „Ich war am Boden zerstört.“

Eine Horrorszene, wie sie kein Schiedsrichter erleben möchte – und doch pfiff Isenberg nur drei Tage nach den Ereignissen in Schmallenberg-Fredeburg am 10. Oktober 2019 sein nächstes Kreisliga-Spiel. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt Markus Isenberg, wie er die Tat verarbeitet hat, warum er kürzlich erstmals als Unparteiischer den Verein wechselte und wie er Kinder und Jugendlichen für seine Leidenschaft Schiedsrichterwesen begeistern und gewinnen möchte.

Kreisliga A West in Fredeburg: plötzlicher Ausbruch der Gewalt

Eigentlich haut Markus Isenberg so schnell nichts um. Der Fußballer ist verheiratet, dreifacher Familienvater und trotz seines mit 36 Jahren noch jungen Alters bereits mit mehr als 15 Jahren Erfahrung als Unparteiischer ausgestattet. Zum Treffen mit dieser Zeitung nimmt der Winterberger auf einer der Trainerbänke neben dem Kunstrasenplatz des heimischen VfR Winterberg Platz. Isenbergs Blick schweift über das Spielfeld, als er sich an die Ereignisse des 10. Oktober 2019 zurückerinnert. „Für mich war es damals auch schwierig, weil sich dieser Gewaltausbruch so gar nicht abgezeichnet hatte. Im Spiel hat sich der Täter kein einziges Mal vor mir aufgebaut oder mit mir diskutiert. Es passierte alles ohne Vorwarnung“, sagt er.

Rückblick: Im Ligaspiel des TV Fredeburg gegen den FC Fatih Türkgücü in der Kreisliga A West war den Hausherren in einer achtminütigen Nachspielzeit spät der 2:2-Ausgleich gelungen. Schiedsrichter Markus Isenberg pfiff die Partie daraufhin ab. „Auf dem Weg in meine Kabine stürmte der betreffende Spieler auf mich los. Er fühlte sich und sein Team ungerecht behandelt, schrie mich an und bedrängte mich. Ich habe ihm daraufhin die Rote Karte gezeigt. Zwei seiner Mitspieler hielten ihn dann zurück und sie gingen etwa zehn Meter nach hinten. Als ich mich umgedreht hatte, riss er sich los und stürmte erneut auf mich zu. Er hat mich mit der Faust auf den Hinterkopf geschlagen, und ich bin direkt zu Boden gegangen“, sagte Isenberg damals.

Auch interessant

e59a0814-5be4-11ea-a6ba-c5e9263159cd
Von Rainer Göbel und Heinz Heinemann

Der Fall sorgte für Aufsehen, denn der Fußballer aus Bestwig wurde von der Sportgerichtsbarkeit im FLVW-Kreis Hochsauerlandkreis für sechs Jahre gesperrt, davon zwei Jahre auf Bewährung. Es war die wohl höchste Strafe, die jemals im Fußballkreis HSK ausgesprochen wurde. Der FC Fatih Türkgücü sprach damals sofort eine Suspendierung für den Spieler aus. „Er hat sich damals mit dieser Aktion seine Laufbahn als Fußballer ruiniert“, bilanziert Markus Isenberg heute.

Vereinswechsel zum TuS Medebach

Der Spieler habe sich bei ihm entschuldigt, ebenso sein (Ex-)Verein. Gleichwohl nahm Isenberg der plötzliche Angriff mit – auch wenn er drei Tage danach wieder ein Fußballspiel leitete. Die Partie brachte der Sauerländer souverän über die Bühne. Seine Pfeife an den Nagel zu hängen? Nein, das sei nicht in Frage gekommen, so Isenberg. Auch seine Eltern, die den Vorfall damals am Sportplatz miterleben mussten, „haben mich darin bestärkt, weiterzumachen. Ich habe im Anschluss auch meinen Schiedsrichterkollegen, von denen ich sehr gut unterstützt wurde, gesagt, dass es eine Kurzschlussreaktion des Spielers war. So wurde es mir auch erklärt. Ich wollte nicht, dass künftig Kollegen Angst haben, Spiele der Mannschaft zu leiten.“

Auch interessant

Seine Art und Weise, Fußballspiele zu leiten, hat Markus Isenberg nach dem Angriff nicht verändert. Nach wie vor ist er als Schiedsrichter in den heimischen A-Kreisligen, aber auch in den Bezirksliga 3, 4 und 5 tätig. Als Assistent darf Isenberg bei Partien bis zur Westfalenliga mitwirken.

Auch interessant

Nachdem er seine bisherige Karriere als Unparteiischer beim Hallenberger Verein SuS BW Hesborn verbracht hat, wagte Isenberg nun einen für einen Schiri ungewöhnlichen Schritt: Er wechselte den Verein. Bei seinem neuen Klub, dem TuS Medebach, soll der 36-Jährige vor allem auch junge Unparteiische bei deren ersten Spielen begleiten und sie ausbilden. „Ich sehe beim TuS ein großes Potenzial“, sagt Markus Isenberg.

Immer auf Ballhöhe

Das Mitglied des Kreisschiedsrichterausschusses im Fußballkreis HSK, unter anderem Ansetzer für Partien in der Kreisliga A Ost, möchte Kinder und Jugendliche für das Schiedsrichterwesen begeistern – trotz seiner schlimmen Erfahrung vor knapp zwei Jahren. „Ich hatte deutlich mehr schöne Erlebnisse in meiner bisherigen Laufbahn“, sagt der ehemalige Kicker des SuS BW Hesborn. In der Pandemiezeit gehe es nun zunächst darum, „dass wir nicht viele Schiedsrichter verlieren, weil sie nach acht Monaten Pause merken, dass sie das gar nicht mehr wollen“. Jugendliche wolle er mit Infoveranstaltungen, Tipps und Ratschlägen als Ansprechpartner zur Seite stehen.

So wird die Familie von Markus Isenberg weiter damit rechnen müssen, dass der Sonntag des Papas und Ehemannes fest für sein liebstes Hobby, den Fußball, gebucht ist.

Als Schiedsrichter kommt er viel in Westfalen herum – und ist sportlich unterwegs. „Wenn man als Unparteiischer so ein Bezirksligaspiel ohne Assistenten pfeift und wie ich immer auf Ballhöhe sein möchte, dann kommt man schon auf seine Kilometer“, sagt Isenberg und lacht.

Sein schlimmstes Erlebnis als Schiri – ist in diesem Moment ganz weit weg.