Sauerland. Vereine, Sportler sowie Unternehmen müssen mit dem weitgehenden Stillstand für den Reitsport im Sauerland umgehen. Wie sie diese Zeit erleben.
Fußballplätze lassen sich absperren, Tennisanlagen vorübergehend stilllegen und Sporthallen schließen. Die strikten Maßnahmen des nun mehr zweiten Lockdowns in der Coronapandemie, der noch bis mindestens Ende November andauern wird, lassen sich jedoch nicht so leicht auf den Reitsport im Hochsauerlandkreis übertragen. Pferde müssen bewegt werden – regelmäßig und allein schon aus Gründen des Tierschutzes.
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Diese Zeitung erklärt, warum die heimische Reitsportszene im Sauerland gleichwohl unter den aktuellen Regelungen zu leiden hat. Ein Vereinsvertreter, eine Profireiterin und eine Reitheilpädagogin sprechen über die erneuten Maßnahmen, mögliche Lehren des ersten Lockdowns und ihre Perspektiven.
HSK: Gefühlschaos im Reitverein
Sorgen, doch ebenso Kampfeslust – die Gefühlslage von Rudolf Bauerdick, Vorsitzender des Zucht-, Reit- und Fahrvereins (ZRFV) Calle-Meschede, schwankt derzeit. Das ist auch im Telefongespräch erkennbar. Wenn der Vereinschef die aktuellen Maßnahmen mit denen des ersten Lockdowns im Frühjahr vergleicht, sagt er: „Die Situation ist eigentlich dieselbe.“
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Das Reiten im Freien bleibt weiterhin erlaubt. Das heißt, dass Ausritte im Gelände oder auf einem Außenreitplatz möglich sind, allein, zu zweit oder ausschließlich mit Personen des eigenen Hausstands. Reiten gehört zu den Individualsportarten, so dass zumindest teilweise weiter geritten und trainiert werden kann.
Wettkämpfe wie Turniere und Gruppentraining – auch das Voltigieren – sind untersagt, die Reithallen dürfen aber unter Einhaltung verschiedener Regeln weiterhin geöffnet bleiben. Die Pferdesportvereine und Pferdebetriebe dürfen ihre Tiere versorgen und bewegen.
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Auf einer Fläche von 20 mal 40 Metern sind vier Pferde gleichzeitig erlaubt, sowohl in der Reithalle als auch auf Außenplätzen. Aber: Da aufgrund der Coronaschutzverordnung der Sport- und Trainingsbetrieb verboten ist – in diesem Fall der Reitunterricht –, stehen Vereine wie der ZRFV Calle-Meschede erneut vor einem Problem. „Wir müssen erst mal genügend Personen haben, die sich in der Versorgung und Betreuung der Pferde abwechseln können“, sagt Rudolf Bauerdick.
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Immerhin: Anders als im Frühjahr erfolgt die Pflege und Versorgung der Pferde jetzt ohne eine vorgeschriebene zeitliche Einschränkung. Gleichwohl muss auch der ZRFV Calle-Meschede seinen Reitunterricht für den November „komplett auf Eis legen“, wie Bauerdick erklärt: „Wir haben dafür in diesem Jahr nach dem ersten Lockdown dann in den Sommerferien voll durchgepowert, um Einnahmen zu generieren. Aktuell halten wir uns mit dem Erspartem über Wasser. Zum Glück ist unser Stall für die Pensionspferde derzeit auch fast voll besetzt.“ Die üblichen Abstands- und Hygieneregeln – unter anderem muss der Klub auch regelmäßig die Türklinken der Reitanlage desinfizieren – würden diszipliniert eingehalten.
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Trotzdem: Laufende Kosten wie die etwa 300 Euro monatlich pro Tier für die fünf Schulpferde des Vereins, die aktuell arbeitslos sind, belasten den Vereinschef. Ebenso wie die Reaktionen vieler Kinder, die so gerne in den Reitbetrieb zurückkehren würden. Rudolf Bauerdick: „Es ist für alle Beteiligten eine schwere Zeit.“
Die Reitheilpädagogin
Birgit Kraft betreibt in Meschede-Stockhausen ein Heilpädagogisches Reit- und Psychomotorikzentrum. Kraft, die selbst sieben Pferde besitzt, bietet dort Therapien in unterschiedlichen Gebieten an und hilft etwa Kindern mit ADHS, Ängsten oder Behinderungen, aber auch Erwachsenen, die beispielsweise mit den Folgen eines Burn-Outs zu kämpfen haben.
In der Frühförderung sei sie immerhin „unter den Rettungsschirm gefallen“, sagt die Reitheilpädagogin. Angesichts der nach wie vor steigenden Infektionszahlen glaube sie jedoch, dass „etwas Gravierenderes“ käme als die aktuellen Maßnahmen der Politik.
Die Profireiterin
Als „sehr schwierige Zeit“ ordnet auch Springreiterin Kathrin Müller vom Zucht-, Reit- und Fahrverein (ZRFV) Voßwinkel den aktuellen Stillstand ein. Die Amazone, die normalerweise als Profireiterin permanent bei Turnieren unterwegs ist, ist aktuell auf Late-Entry-Turniere, die zumeist unter der Woche stattfinden, angewiesen. „Mit einem normalen Turnier hat das eigentlich gar nichts zu tun. Es geht viel mehr darum, die älteren, erfahrenen Tiere ein wenig in Gang zu halten und den jüngeren Pferden Routine zu vermitteln“, sagt Müller, deren Familie auf Gut Beringhof in Wickede-Wimbern lebt und einen erfolgreichen Turnier-, Ausbildungs- und Verkaufsstall betreibt.
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Zwei sei sie dankbar, als Berufsreiterin überhaupt Turniere reiten zu können, doch insbesondere ohne das Publikum gestalte sich die Atmosphäre der Wettbewerbe „etwas zäh“.
Ein Kerngeschäft des Familienbetriebes Müller leide derzeit, denn „im Moment ist es schwierig, Pferde zu verkaufen“. Zudem wurde die Deutsche Meisterschaft der Springreiter – ein mögliches Saisonhighlight, bei dem erneut auch Kathrin Müller starten will – auf den 3. bis 6. Dezember verschoben.