Gelsenkirchen. Über sieben Stunden tagten die Mitglieder des FC Schalke 04 in der Arena. Die Führung ist noch dieselbe – sie bekommt aber viel Kritik zu hören.

Eigentlich hat sich die königsblaue Welt des FC Schalke 04 nicht verändert. Die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung brachte am Samstag keine neue Führung in Aufsichtsrat und Wahlausschuss hervor, sämtliche Satzungsanträge wurden so entschieden, wie es sich die Klubführung gewünscht hatte, die Vorstellung der Fördergenossenschaft ohne Pfiffe hingenommen. Und doch hinterließ die siebeneinhalb lange Stunden dauernde Sitzung bei acht Grad im Kühlschrank Veltins-Arena eine deutliche Botschaft an Aufsichtsratschef Axel Hefer und CEO Matthias Tillmann: Weiter so? Das geht nicht mehr.

Was sich abgespielt hatte, war zu großen Teilen eine Abrechnung der enttäuschten Mitglieder, die das zweite Jahr Zweitliga-Abstiegskampf in Serie nicht mehr akzeptieren wollen. Seit Juli 2021 führt der 47 Jahre alte Hefer das Gremium an und verantwortet den sportlichen Absturz, dazu viele Fehlentscheidungen. Zu Beginn der Versammlung war Hefer die Nervosität anzumerken. Er verhaspelte sich häufig in seinem Manuskript, sah sich bei den Redebeiträgen der Mitglieder, die dafür zweieinhalb Stunden Zeit bekamen, in die Defensive gedrängt. Nicht nur einmal wurde sein Rücktritt gefordert.

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Viel Kritik für Schalke-Bosse und ein Denkzettel für Hefer - Analyse der Mitgliederversammlung

19:04 - Inside Schalke

Hefer aber reagierte auf diesen Vorwurf wie auf viele andere Punkte – seine Strategie war nicht besonders sympathisch, aber stringent: Er wollte so wenige Fehler wie möglich zugeben, aber so oft es geht anderen die Schuld geben. Selbst seine Zurückweisung der zahlreichen Rücktrittsforderungen verband er mit einer Spitze: „Rücktritte in schwierigen Situationen haben uns in noch schwierige Situationen gebracht. Wenn man die Karre in den Dreck fährt und dann zurücktritt, ist es das Schlechteste.“ Das ging an seinen Intimfeind, seinen Vorvorgänger im Amt: Clemens Tönnies.

Schalke-Aufsichtsratschef Axel Hefer verweist immer wieder auf Altlasten

Und sonst? Hefer gestand sportliche Fehler ein, erwähnte aber immer wieder die Altlasten („Wir waren 2021 de facto bankrott und einen Schritt von der Regionalliga entfernt“), Fehler im Sponsoring („Da waren wir ein Sanierungsfall“) oder aber Einzelpersonen wie Ex-Sportdirektor André Hechelmann („überfordert“), Ex-Sportvorstand Peter Knäbel („Lame duck“) und den herrschenden Druck („Wir haben das Budget eines durchschnittlichen Zweitligisten, aber den Druck von Bayern München“). Auf den immer wieder erneuerten Vorwurf, Vorstand und Aufsichtsrat fehle die sportliche Kompetenz, reagierte er meist mit der Erwähnung von Aufsichtsrats-Mitglied und Interimschef-Sportchef Youri Mulder.

Schalkes Aufsichtsratschef Axel Hefer musste viel Kritik einstecken.
Schalkes Aufsichtsratschef Axel Hefer musste viel Kritik einstecken. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Die meiste Kritik steckte Hefer für seine Entscheidung ein, Tillmann zu berufen, einen Bekannten aus gemeinsamen beruflichen Zeiten beim Reiseunternehmen Trivago. Für Tillmann war es die erste Versammlung, eine, die er nicht vergessen wird. Er präsentierte die bereits in Grundzügen bekannte Fördergenossenschaft (ein Anteil kostet 250 Euro) und ein paar Rechtfertigungen. „Herr Hefer, sie hatten die grandiose Idee, ihren Buddy von Trivago zu holen. Er hat null sportliche Kompetenz, null“, rief ein Mitglied Hefer zu. Der Umbruch im Sommer sei in vielen Fällen unpersönlich gewesen, kritisierte ein Mitglied und sagte zu Tillmann: „Warum hast du unsere Werte mit Füßen getreten? Du bist kein Vorbild, du hast dich als Vorstand disqualifiziert.“ Die polemischste Kritik: „Matthias Tillmann ist der teuerste Auszubildende der Bundesrepublik Deutschland.“

Ender Ulupinar übt scharfe Kritik – und wird in Schalkes Aufsichtsrat gewählt

Schalkes Mitglieder wollen, das sollten Hefer und Tillmann nun wissen, dass mehr sportliche Expertise in der Klubführung vorhanden ist. Sie wollen die Rückkehr eines Sportvorstandes. Keiner formulierte das prägnanter als Ender Ulupinar. Der 51 Jahre alte Unternehmer aus Gelsenkirchen kandidierte für den Aufsichtsrat und fügte Hefer die einzig spürbare Niederlage des Tages zu.

Ender Ulupinar sitzt künftig im Schalker Aufsichtsrat.
Ender Ulupinar sitzt künftig im Schalker Aufsichtsrat. © dpa | Tim Rehbein

„Der geilste Klub der Welt ohne Sportvorstand: Das muss man sich einmal vorstellen“, rief Ulupinar bei seiner Wahlrede. „Ihr predigt Konstanz, zündet die Bude aber selber an, ohne zu wissen, wo der Feuerlöscher ist“, sagte er zu Tillmann und Hefer. Dafür wurde Ulupinar neben Hefer-Vertreter Sven Kirstein in den Aufsichtsrat gewählt. Abgewählt: der zweite Hefer-Vertreter Moritz Dörnemann, ein langjähriger Vertrauter. Rund 2500 Mitglieder erlebten das noch mit, am Anfang waren es 4700. Viele gingen wegen der klirrenden Kälte früher.

Erwin und Helmut Kremers in Schalkes Ehrenkabine gewählt

Als alles beendet war, die letzten Freibier-Runden über die Arena-Theken flossen, lächelte Hefer Dörnemanns Abwahl weg: „Ich würde das nicht überinterpretieren. Dass es in dieser Situation schwierig ist, als Amtsinhaber Wahlen zu gewinnen, ist klar.“ Ulupinar kenne er seit über zehn Jahren. Über dessen Rede sagte er: „Ich mache mir keine Sorgen. Das ist Wahlkampf.“

Kritik wegzulächeln – das sollte sich Hefer künftig aber nicht mehr erlauben. Richtig glaubwürdig war aus der Klubspitze nur Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers, die den eingeschlagenen Sparkurs schlüssig begründete. Humorvoll gab sich an einem kalten, düsteren Schalke-Tag lediglich Erwin Kremers, der gemeinsam mit Zwillingsbruder Helmut in die Ehrenkabine gewählt wurde. Er versprühte den Charme, die Erfolge alter Zeiten. „Bei vielem, was sich hier in den vergangenen Wochen abgespielt hat, war die Ampel-Koalition ein Wellnessurlaub“, sagte Kremers. Da lachten die Schalker Mitglieder herzhaft. Wenigstens einmal.

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