Gelsenkirchen. Erster Keller-Knaller der Zweitliga-Saison: Am Freitag empfängt Schalke Darmstadt 98. Wie die unruhige Woche bis dahin läuft.
Wenn sich die Profis des FC Schalke 04 an diesem Montag treffen, um ab 10.30 Uhr eine weitere Trainingswoche zu beginnen, werden sie ein neues Gesicht begrüßen können. Nein, es ist kein neuer Trainer, was angesichts der anhaltenden Krise in einem dauerunruhigen Umfeld nicht überraschend gewesen wäre. Lino Tempelmann meldet sich nach dreimonatiger Verletzungspause zurück – und das kommt wie aus dem Nichts. Aussortiert war er eigentlich, wollte sich ausleihen lassen, absolvierte seine Reha in München, abseits des Zweitliga-Klubs. Dass er nun wieder da ist, ist für den Verein ein Hoppla-Moment. Hoppla, der ist auch noch da – so ungefähr dürfte sich das für die Bosse anfühlen.
Schalke: Schon elf Gegentore nach fünf Spieltagen
Die haben nach der enttäuschenden Leistung und der verdienten 0:2-Niederlage beim Karlsruher SC am Freitag noch viel größere Probleme, als Tempelmann wieder einzubinden. Schalke befindet sich in einer Krise, die Direktoren sind nicht einer Meinung, wenn es um Trainer Karel Geraerts geht. Der erwartet „sehr viel Unruhe“ in der bevorstehenden Woche.
Die Klubführung um Vorstand und Aufsichtsrat meidet aktuell Veränderungen und setzt auf sechs Punkte in den kommenden zwei auf dem Papier leichteren Spielen, um das eigene Konzept der Kontinuität zu retten. Alles ist mit viel Risiko verbunden, die Brücke vom Tabellenkeller Richtung oberes Drittel ist nicht aus Beton gebaut, sondern eher aus Papier.
Dass es trotz des Holperstarts – vier von 15 möglichen Punkten, schon elf Gegentore, vier Spiele in Folge ohne Sieg – keinen Trainerwechsel geben würde, stand schnell nach dem ernüchternden Auftritt im Karlsruher Wildparkstadion fest. „Ich will nur eins sagen – es gibt keine Trainerdiskussion. Auch wenn die Leute etwas anderes sagen – wir machen mit ihm weiter. Es gibt keine Zweifel bei mir“, sagte Sportdirektor Marc Wilmots. Bekenntnisse, die im Profifußball nichts heißen müssen und schon am Morgen nach einem Spiel nichts mehr wert sein können.
Wilmots’ Direktorenkollege Ben Manga, zuständig für die Kaderplanung, konnte in Karlsruhe nicht widersprechen – er war wegen eines lange geplanten Italien-Urlaubs gar nicht da. Ob er die Worte auch so gewählt hätte? Noch während der Woche hatte er (ohne Not) Geraerts für seine Aufstellungen kritisiert, nachdem schon lange zuvor bekannt geworden war, dass Manga kein Geraerts-Fan ist. Aktuell hatte der Trainer nach Mangas Meinung zu wenig auf seine Zugänge gesetzt.
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In Karlsruhe war das anders – wegen Verletzungssorgen kamen die von Manga geforderten 20 Jahre alten Innenverteidiger Martin Wasinski und Felipe Sanchez zum Einsatz. Beide spielten schlecht, nach dem ersten Gegentor wütete Geraerts ungewöhnlich deutlich und sah „Jugendspieler gegen Erwachsene“. Auch an Manga gerichtet analysierte er: „Wir haben eine Mannschaft mit sehr viel Talent, aber aus diesem Talent müssen wir nun Qualität und Effizienz machen.“ Hat Manga auf der Suche nach günstigen Talenten etwa vergessen, die notwendige Erfahrung zu verpflichten?
Schalke: Manga durfte viele Vertraute einstellen
Vor dem ersten Keller-Knaller gegen den noch sieglosen Bundesliga-Absteiger Darmstadt 98 (Freitag, 18.30 Uhr/Sky) stehen sich viele Interessen gegenüber, die Gemengelage ist kompliziert. Geraerts und Wilmots halten zusammen – geht der Trainer, ist auch der Sportdirektor kaum zu halten. Manga - der an diesem Montag nach der Urlaubsrückkehr nach Gelsenkirchen zurückkehrt - vertraut vor allem seinem mitgebrachten Team, das über zehn Personen umfasst: Knappenschmiede-Chef Raffael Tonello, Torwarttrainer Stephan Loboué, Co-Trainer Sidney Sam, viele Scouts. Wilmots? Gehört nicht dazu.
Vorstand und Aufsichtsrat stehen zwischen den Stühlen: Die Gremien haben Manga zum starken Mann gemacht, ihm fast sogar den gesamten Verein anvertraut. Mangas Urteile sind Gesetz – ausgerechnet in der Trainerfrage nicht? Schmeißt Schalke aber Geraerts und möglicherweise auch Wilmots raus, wäre das eine Niederlage für die Klubführung, die diese sportliche Leitung zwischen Januar und Mai zusammenstellte und so lobte, als sei es der große Befreiungsschlag des kriselnden Klubs in eine bessere Zukunft. Fliegt das Konstrukt schon früh auseinander, wäre es das Eingeständnis eines schweren Fehlers – es wäre nicht der erste in der Ära des amtierenden Aufsichtsrats-Chefs Axel Hefer.
Deshalb geht es in dieser Woche nicht nur um das Training. Vorstandschef und Hefer-Freund Matthias Tillmann setzt auf Kontinuität und Kommunikation statt auf Eskalation und Rauswurf. Er wird zu Beginn dieser Woche mit Manga, Geraerts und Wilmots sprechen, um die Probleme möglichst auszuräumen. Er wird um Einigkeit für die Spiele gegen Darmstadt und in Münster (28. September) bitten. Er wird appellieren, dass Geraerts während der Spieltags-Pressekonferenz am Mittwoch (13.30 Uhr) versöhnliche Worte wählt, keine schnippischen. Ein öffentlicher Schulterschluss wäre die Schalker Wunschvorstellung. Doch ist das so einfach? Haben sich alle wieder lieb, wenn Schalke zweimal gewinnt? Schwer vorstellbar.
Eins steht aber fest: Holt Schalke nun sechs Punkte, fällt es deutlich leichter, sich mit der Zukunft von Lino Tempelmann zu beschäftigen.
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