Gelsenkirchen. Er hat hoch gepokert - und triumphal gewonnen: Schalkes Traumstart in die Zweite Liga ist ein großer Erfolg für Trainer Karel Geraerts.
Die Spieler des FC Schalke 04 befanden sich nach einem berauschenden Abend noch auf der Ehrenrunde, als Karel Geraerts Richtung Kabinengang ging. Der Blick vieler Fans, die noch im Stadion ausharrten, ging nun auf den Trainer - und Applaus aus Tausenden Händen begleiteten ihn. Geraerts stand ein breites Grinsen im Gesicht - er hatte vor dem ersten Zweitligaspiel gegen Eintracht Braunschweig hoch gepokert - und alles gewonnen. Mit 5:1 (2:1) gewannen die Königsblauen und stürmten an die Tabellenspitze. Für den Saisonausklang hat das natürlich nichts zu sagen - aber nach den Existenzsorgen des Frühlings genossen alle Schalker das Tabellenbild am Wochenende ganz besonders.
Geraerts ging das nicht anders. „Ein schöner Abend für alle“, sagte er. Seine ersten beiden riskanten Entscheidungen zahlten sich schon nach neun Minuten aus. Geraerts hatte im Tor Herausforderer Justin Heekeren das Vertrauen geschenkt und nicht dem hochgelobten Zugang Ron-Thorben Hoffmann. Heekeren legte mit einem präzisen Abstoß das 1:0 vor - und das erzielte Tobias Mohr, der am ersten Tag der Vorbereitung noch gehört hatte, dass er gehen kann, mit einem schönen Heber. Auch Mohrs Berufung war durchaus umstritten. „Der Fußball schreibt unglaubliche Geschichten. Das ist eine davon gewesen“, sagte Mohr. „Wenn man auf dem Abstellgleis steht, ist es nie einfach. Ich bin dem Trainerteam sehr dankbar, dass ich ein Teil der Mannschaft bleiben durfte.“
Schalke: Sylla und Karaman treffen jeweils doppelt
Mohr spielte Linksaußen im 4-2-3-1-System - und auch das war eine Überraschung. Fast in der sechswöchigen Vorbereitung hatte Geraerts eine Strategie mit Fünferkette einüben lassen. Die Mannschaft setzte Geraerts‘ Vorgaben gegen einen schwachen Gegner sehr gut um. „Wir haben hoch gepresst, den Ball gut laufen lassen“, lobte Geraerts. „Außerdem haben wir unsere Chancen sehr gut ausgenutzt. Nach dem 2:1 hat die Mannschaft nicht das Ergebnis verteidigt, sondern wollte unbedingt das dritte Tor erzielen. Das freut mich“, sagte Geraerts, der sich auf die Treffsicherheit seiner Stürmer Moussa Sylla (25./82.) und Kenan Karaman (34./83.) verlassen konnte.
Sogar Geraerts‘ Wechsel gingen auf: 2:1 stand es, Kevin Ehlers hatte für Braunschweig verkürzt (34.), als Geraerts in der 68. Minute dreimal wechselte und sein Team taktisch umstellte. Ron Schallenberg, dadurch ins defensive Mittelfeld gerückt, leitete nur kurze Zeit später zwei Tore ein. Geraerts drehte sich um zu seinen Co-Trainern Tim Smolders und Peter Ballette - und lächelte: Es klappte alles.
Eine Genugtuung sei das für ihn nicht gewesen, sagte der 42 Jahre alte Trainer. „Es geht nicht um meine Ideen, sondern darum, was die Mannschaft auf dem Platz gezeigt hat. Niemand hat eine Glaskugel und kann vorhersehen, was passiert: Ich habe Entscheidungen getroffen, an die ich nach den Eindrücken der Vorbereitung geglaubt habe. Deshalb ist die Leistung für mich auch keine Überraschung“, sagte er.
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Intern hat der eigenwillige Trainer damit Pluspunkte gesammelt. Es ist weder im Verein noch in der Fußballbranche ein Geheimnis, dass sich Chef-Kaderplaner Ben Manga auch hätte vorstellen können, seine Mission Schalke mit einem neuen Trainer zu starten - sich aber dem Wunsch der Vereinsführung nach Kontinuität beugte. Geraerts war im Oktober 2023 von Ex-Sportvorstand Peter Knäbel und Ex-Sportdirektor André Hechelmann geholt worden - nicht von Manga.
Manga formulierte im Gespräch mit Geraerts klare Vorstellungen: Er forderte einen gepflegten Spielaufbau, keine langen Bälle mehr wie in der Vorsaison. Geraerts setzte es um. Manga installierte Trainer-Assistenten aus seinem Netzwerk (Co-Trainer Sidney Sam, Torwarttrainer Stephan Loboué), lobte die elf Zugänge, die er holte, auf der vereinseigenen Internetseite überschwänglich. Ein Beispiel: „Wir haben uns frühzeitig mit der Frage beschäftigt, wie wir uns für die Zukunft auf der Position zwischen den Pfosten aufstellen möchten. Unsere Wahl ist auf Thorben gefallen“, sagte Manga über Torwart Hoffmann. Geraerts stellte aber Heekeren auf.
Schalke: Geraerts-Vertrag endet im Sommer 2025
Der Vertrag des Belgiers endet im Juni 2025, er enthält keine Option. Schon im Sommer 2024 war Geraerts‘ Verbleib lange offen, der Trainer flirtete mit seinem Ex-Klub FC Brügge. Auch deshalb spricht Manga schon jetzt mit anderen Trainerkandidaten für Schalke, die spätestens im kommenden Jahr übernehmen könnten - auf die Frage, ob er auch Trainer scoutet, hatte Manga dieser Zeitung in der Sommerpause gesagt: „Es ist mein Job, mich mit möglichen Kandidaten zu treffen, ohne ihnen direkt etwas anzubieten. Ich frage sie, wie sie über Fußball denken.“
Doch der Saisonstart gibt Geraerts auf seinem Weg Recht. Er ist sehr von sich überzeugt, heißt es im Verein. Die Spieler sind zufrieden, es scheint so, als hätte Geraerts in der Vorbereitung die richtige Mischung zwischen Training und Teamevents gefunden. „Es hat uns sehr gut getan, dass wir sechs Wochen mit dem Trainer arbeiten konnten“, lobte beispielsweise Tobias Mohr.
Der Schalker Start ist geglückt - doch bleibt es so? Einer, der Schalke schon sehr lange kennt, warnte vor zu viel Euphorie. Sportdirektor Marc Wilmots, Schalker seit drei Jahrzehnt warnte nach dem 5:1-Auftakt mit bestimmter Stimme: „Ich kenne Schalke gut. Wir müssen jetzt mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben.“
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