Herning. 30:17 über Tunesien, aber wieder ein Kranker mehr bei den deutschen Handballern. Der Gegner im WM-Viertelfinale steht am Sonntag fest.

Sollten die deutschen Handballer den Fair-Play-Gedanken mal an einem spielfreien Tag beiseite legen wollen, böte sich der Sonntag dazu an. Bevor um 13 Uhr am Militärflughafen Karup die Maschine mit Oslo als Destination vom Boden abhebt, steigen nicht nur die Spieler von Bundestrainer Alfred Gislason ein, sondern auch die ebenfalls fürs Viertelfinale qualifizierten Dänen. Es könnte sich noch als Schachzug erweisen, Rune Dahmke und Lukas Stutzke im Flieger unter den rot-weißen Titelverteidigern zu platzieren. Beide hat schließlich die Erkältungswelle im deutschen WM-Lager Silkeborg erwischt. Doch es ist von so viel Sportsgeist auszugehen, dass der Deutsche Handball-Bund den möglichen Halbfinalgegner nicht vorsätzlich und unfair zu schwächen.

Handball-WM: Es sieht alles nach Portugal als Viertelfinal-Gegner aus

Warmspielen fürs WM-Viertelefinale: Deutschlands Spielmacher Nils Lichtlein muss sich hier gegen zwei Tunesier durchsetzen.
Warmspielen fürs WM-Viertelefinale: Deutschlands Spielmacher Nils Lichtlein muss sich hier gegen zwei Tunesier durchsetzen. © dpa | Soeren Stache

Der Ortswechsel steht an, weil die Gislason-Truppe schon vor dem 30:198 (18:8)-Abschluss der Hauptrunde gegen Tunesien fürs Viertelfinale qualifiziert war. Auf wen Deutschland dort trifft, entscheidet sich an diesem Sonntag. Verliert Portugal um 15.30 Uhr nicht gegen Chile, ist das iberische Überraschungs-Team am Mittwoch Gegner. Sollte dieser unwahrscheinliche Fall aber eintreten und im Anschluss Brasilien gegen Schweden gewinnen, ginge es gegen die Südamerikaner, gegen die vor Abreise nach Dänemark die letzten beiden Härtetests (32:25 und 28:26) gewonnen wurden.

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Doch egal, wie der Kontrahent in Oslo heißen wird: Die medizinische Abteilung des DHB wird bis dahin reichlich zu tun haben. Am Samstag meldete sich auch noch der Hannoveraner Stutzke spielunfähig. Diagnose: derselbe fiebrige Infekt, der schon Dahmke und Juri Knorr außer Gefecht gesetzt hatte für das entscheidende Italien-Spiel am Donnerstag. Während der schon wieder stabiler wirkende Kieler Linksaußen Dahmke und Stutzke die letzte WM-Partie am Spielort Herning vom Hotel aus verfolgten, weilte Spielmacher Knorr nicht mal in Dänemark. Der 24-Jährige war zu Untersuchungen bei einem Spezialisten nach Flensburg gereist, befindet sich nach Angaben des Verbandes aber „auf dem Wege der Besserung“. Knorr wird von dort aus den Weg in die norwegische Hauptstadt antreten.

Lassen im WM-Flieger nach Oslo ein paar Reihen um sich herum frei: Lukas Stutzke (links) und Rune Dahmke sind angeschlagen und konnten gegen Tunesien nicht spielen.
Lassen im WM-Flieger nach Oslo ein paar Reihen um sich herum frei: Lukas Stutzke (links) und Rune Dahmke sind angeschlagen und konnten gegen Tunesien nicht spielen. © dpa | Soeren Stache

Handball-WM: Gislason schont Stammspieler, Grgic ragt gegen Tunesien mit Toren hinaus

Somit standen Alfred Gislason am Samstagabend vor maximal 5000 Zuschauern nur noch 14 Spieler gegen die Nordafrikaner zur Verfügung. Franz Semper hatte sich im einzigen WM-Spiel gegen Italien wieder eine Muskelverletzung zugezogen und das WM-Quartier verlassen; dafür kam nun der am Donnerstagabend angereiste Marian Michalczik zum Einsatz und sorgte vor allem in der Deckungszentrale für die nötige Entlastung von Johannes Golla in dessen 100. Länderspiel. Überhaupt schonte der Bundestrainer eine Reihe weiterer Vielspieler: Andreas Wolff, Renars Uscins, Julian Köster und eben Golla kamen gar nicht zum Einsatz, Timo Kastening und Lukas Mertens nur wenig.

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Alfred Gislason hatte die Parole ausgegeben: „Es ist keine Trainingseinheit. Jeder, der eine gute Leistung zeigt, wird bessere Chancen haben, mehr zu spielen.“ Deshalb schaute der 65 Jahre alte Isländer genau hin, was die vermeintlich zweite Reihe fabrizierte, die aber noch ihre Bedeutung im weiteren Turnierverlauf zur Schau stellen soll. Auf 21-Paraden-Mann David Späth im Tor kann sich Gislason ohnehin verlassen, spannend war die Besetzung im Rückraum: Marko Grgic links, Nils Lichtlein rechts, dazwischen Luca Witzke. Lichtlein ging etwas unter, Witzke fraf dreimal, produzierte aber auch mehrere Ballverluste und saß später mit lädiertem Nacken auf der Bank. Grgic netzte elfmal ein und war damit Top-Torschütze vor Lukas Zerbe (6/davon 4 Siebenmeter) und Justus Fischer (5).

Handball-WM: Kein Spaziergang im möglichen Viertelfinale gegen Portugal

Marian Michalczik packt gegen Tunesien zu: Der Hannonachnominierte veraner war erst am Donnerstagabend zur deutschen Mannschaft gestoßen.
Marian Michalczik packt gegen Tunesien zu: Der Hannonachnominierte veraner war erst am Donnerstagabend zur deutschen Mannschaft gestoßen. © AFP | Henning Bagger

Sobald das deutsche Team in Oslo das neue Quartier bezogen hat, wird es sich also auf den Mittwoch-Gegner vorbereiten können. Sollte es sich dabei, wie zu erwarten ist, um Portugal handeln, können die Gislason-Mannen wahrlich nicht von einem Spaziergang im Viertelfinale ausgehen. „Wir sind mit der Illusion hierhergekommen, das Viertelfinale zu erreichen“, sagte Spaniens Nationaltrainer Jordi Ribera nach der historischen ersten Pleite gegen das Nachbarland (29:35) am Freitagabend. Noch größer ist der Katzenjammer in Schweden, der WM-Mitfavorit ist nach dem 37:37 gegen Portugal und dem 24:27 gegen Brasilien ebenfalls gescheitert. Kapitän Jim Gottfridsson nannte dies „ein Desaster. Eines der drei schlechtesten Spiele in meinem Leben. Ich weiß nicht, warum wir Feiglinge sind.“ Statt um Medaillen zu spielen, werde man „nach Hause fahren“ und „sich schämen“, sagte Nationalcoach Michael Apelgren. Die deutsche Mannschaft hat fürs Viertelfinale andere Pläne.

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