Herning. Andi Wolff sei Dank: Deutschland-Torwart überragt beim 34:27 über Italien. Das WM-Viertelfinale ist gesichert. Aber Knorr macht Sorgen.
Als Bundestrainer Alfred Gislason sechs Minuten vor dem Ende noch mal eine Auszeit nahm, wirkten die deutschen Handballer zwar konzentriert, aber auch sehr gelassen. Sechs Tore Vorsprung zu diesem Zeitpunkt brachten sie ihrem Ziel, dem Erreichen des Viertelfinals, so nah. Dann stieg Marko Grgic auf Halblinks in die Höhe, dass er beinahe am Videowürfel kratzen konnte, und drosch den Ball ins Tor. Damit war der letzte Zweifel beseitigt: Deutschland hat die K.-o.-Runde bei der Handball-WM in Dänemark erreicht, denn auch der Gastgeber und Titelverteidiger sollte später seine Vormachtstellung noch erwartungsgemäß gegen die Schweiz (39:28:) demonstrieren. Aber erst als die Schlusssirene in Herning zum 34:27 (15:13) ertönt war, der überragende Andreas Wolff mit im Kreis stand, wurde getanzt, gelacht, gesungen und tief durchgeatmet: Deutschlands WM-Mission geht weiter, Italiens WM-Märchen ist beendet.
Handball-WM: Sorgen um Knorr, Michalczik nachnominiert
„Ich bin froh und erleichtert. Wir haben eine gute Abwehr gezeigt gegen unangenehme Italiener“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason. Das sah auch Rückraumspieler Franz Semper, der im Finale um Platz zwei zu seinem ersten WM-Einsatz kam, so: „Wir wussten, dass es schwer wird. Aber ich bin stolz, dass wir uns einen Vorsprung herausgearbeitet und diesen verwaltet haben. So kann es weitergehen, jetzt geht es ans Eingemachte!“
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Nur zu gerne hätte Juri Knorr diese Gefühle und Freude in der mit gut 5000 Zuschauern zu Beginn WM-unwürdig besetzten Jyske Bank Boxen erlebt. Doch der 24-Jährige lag isoliert im Silkeborger Hotel im Krankenbett. Den Kieler Linksaußen Rune Dahmke hatte er gleich mit angesteckt: Ein fiebriger Infekt nach der 30:40-Schmach gegen die Dänen zwang Spielmacher Knorr, auf den Italien-Thriller zu verzichten. „Wir hatten bei Juri die Hoffnung, dass es über Nacht besser wird“, sagte Gislason und rümpfte nicht Nase: „Das Gegenteil war der Fall.“ Der nachnominierte Hannoveraner Mittelmann Marian Michalczik kam abends im Teamquartier an. Knorr und Dahmke werden die Samstags-Partie gegen Tunesien (20.30 Uhr/ZDF) zur Genesung nutzen. Die Aussichten fürs Viertelfinale am 29. Januar? Düster für Knorr, laut Gislason: „Danach gibt es sicherlich bessere Chancen, dass Rune eher reinkommt als Juri.“
„Italien? Ein Pflichtsieg“, tönte Luca Witzke noch vorab, der Leipziger übernahm Knorrs Part als Mittelmann. Dass Gislason insgesamt vier Spieler auf dieser Position im ersten Durchgang ausprobierte, belegte einmal mehr: Keine der schwarzrotgoldenen Anfangsviertelstunden in Dänemark ist von Grandezza geprägt. Auch im fünften WM-Spiel: Abspielfehler und Ballverluste, Unkonzentriertheiten und wenig Bewegung im Positionsangriff. Und wenn etwas aufs italienische Tor kam, zeigte „il tedesco“ seine Klasse.
Handball-WM: Ebner und Wolff mit vielen Paraden
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Domenico Ebner – vor 30 Jahren in Freiburg geboren und beim emotionalen Moment, beide Nationalhymnen mitzusingen, absolut textsicher – manifestierte mit sechs Paraden Italiens Führung über weite Strecken des ersten Durchgangs, teils gar mit zwei Toren. Erst in den letzten zehn Minuten vor der Pause konnte das Gislason-Team das Spiel an sich reißen. Zuvorderst: Julian Köster, der sich von Spiel zu Spiel steigert. Vier seiner insgesamt fünf Tore erzielte der Gummersbacher zum 15:13-Halbzeitstand, an dem sich auch Lukas Mertens (3), Timo Kastening (3/2 Siebenmeter) und Torhüter Andreas Wolff (sieben abgewehrte Würfe) maßgeblich beteiligten.
Dass der Kieler Torwart-Routinier diese Statistik schnell ausbaute (am Ende wehrte er 17 Würfe ab), beruhigte im deutschen Lager die Nerven. Das 20:14 (38.) sorgte für klare Verhältnisse. Großen Anteil an der immer größeren Erleichterung hatte Franz Semper. Muskelprobleme ließen ihn auf sein persönliches WM-Debüt warten. „Das muss man sich mal vorstellen“, lobte Wolff den Leipziger, „der kommt heute überhaupt erst im Turnier an und schenkt gleich seinem Vereinskameraden, der das ganze Turnier überragend hält, wichtige Tore ein.“ Fünf waren es von Semper gegen Domenico Ebner. Neben ihm und Köster überzeugten als Torschützen noch Timo Kastening (6/3 Siebenmeter) und Nils Lichtlein (4).
Handball-WM: Italiener motiviert, aber ab Sonntag auf der Heimreise
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Die Squadra Azzurra, für deren erste WM-Teilnahme nach 1987 die dänischen Fans viel Amore empfanden, hatte für das erst sechste Länderspiel gegen Deutschland noch mal ihr Temperament hochgeschraubt. In einer Whatsapp-Gruppe wurde an die Vorbereitung in Hamburg erinnert: Dort parkten vom seit acht Jahren um Professionalität bemühten Verband gemietete Neunsitzer gegenüber dem riesigen DHB-Mannschaftsbus und verdeutlichten die strukturellen Unterschiede. Der große Partybus der Deutschen rollt nun Richtung Oslo, auf dem Weg zurück ins Stiefelland dürfte nach diesem WM-Märchen bei den italienischen Businsassen auch Partystimmung herrschen.