München. Für Bayern geht es gegen Stuttgart darum, mit dem Kompany-Stil erfolgreich gegen einen starken Gegner zu sein. Sonst droht eine Risikodebatte.

Die Agenda des FC Bayern weckt Assoziationen, und womöglich gilt das für die Abiturienten im Kader besonders. Wie in einer Klausurphase könnten sich Joshua Kimmich, Thomas Müller und Leon Goretzka gerade vorkommen. Monatelang hatte ihr neuer Trainer Vincent Kompany mit der Mannschaft den Stoff in den Fächern dominanter Ballbesitz, Pressing, Gegenpressing und sehr hohes Verteidigen gepaukt. Schnell zeigten sich Lernerfolge, und sichtbar wurde auch, wie viel Spaß die Spieler an den Lerninhalten und der Didaktik des Fußballlehrers haben.

Die kleineren Tests bei Zweitligist Ulm (4:0), Aufsteiger Holstein Kiel (6:1) oder in Bremen (5:0) absolvierte Kompanys Klasse genauso mit Bravour wie die Hausaufgabe in der Champions League gegen Außenseiter Zagreb (9:2). In den schwierigeren Prüfungen danach gegen Leverkusen (1:1), bei Aston Villa (0:1) und Eintracht Frankfurt (3:3) verdienten sich die Bayern zwar weiterhin Bestnoten für ihren Stil und Fleiß. Der volle Ertrag blieb allerdings jeweils aus. Die letzten vier der fünf Gegentore fielen alle nach Kontern gegen die sehr hoch postierte Abwehr der Münchener.

FC Bayern: Kompany will Spielweise optimieren

Nun steht nach der Länderspielpause der zweite Teil der Prüfungsphase an, und erneut geht es darum, mit dem attraktiven Kompany-Stil die ersten Siege gegen starke Gegner einzufahren. Zunächst kommt es an diesem Samstagabend in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart (18.30 Uhr/Sky) zum 111. Mal zu jenem Vergleich, bei dem der alte Begriff des „Südschlagers“ eine Renaissance erlebt. Anschließend reisen die Bayern in der Champions League zum FC Barcelona. Ende Oktober steht zudem das K.o.-Spiel im Pokal in Mainz auf dem Programm. Und jedes Mal geht es auch darum, Erfolge einzufahren, damit die unliebsame Debatte um die Risiken des Draufgängerstils nicht anschwillt.

Kompany stemmt sich schon jetzt gegen Fragen, ob nicht ein bisschen mehr Wert auf Absicherung gelegt werden sollte. „Es geht darum, was die Analyse gezeigt hat: Dass wir in diesen Spielen dominant waren, dass wir in diesen Spielen viel, viel, viel mehr Chancen hatten als die Gegner“, antwortete der 38 Jahre alte Belgier am Freitag in einer Rückblende auf Leverkusen, Villa und Frankfurt. Natürlich wolle man die Spielweise „optimieren“. Kompanys klare Ansage: „Wenn man objektiv bleibt, dann wäre das so blöd, das alles umzuändern, weil es ein oder zweimal nicht geklappt hat mit dem Ergebnis.“ Wichtig sei für ihn die Frage: „Wenn wir dieses Spiel zehnmal spielen, wie oft gewinnen wir?“ Natürlich sei nicht alles perfekt, weshalb es das Ziel sei, Details zu verbessern. „Aber wir haben zu 100 Prozent den Glauben, dass wir auf diese Art erfolgreich werden“, sagte Kompany.

FC Bayern: Auch Rummenigge zufrieden mit Kompany-Stil

Gegen Stuttgart wäre dafür schon deshalb ein guter Zeitpunkt aus Münchener Sicht, weil man in der vergangenen Saison hinter Meister Leverkusen und dem VfB nur Tabellendritter geworden war, unter anderem durch eine 1:3-Niederlage in Stuttgart. „Deshalb wurmt uns das noch ein bisschen“, sagt Torwart Manuel Neuer, er erwarte „auf jeden Fall ein schweres Heimspiel“. Müller stellt sich wegen der offensiven Ausrichtung beider Mannschaften auf ein attraktives Spiel ein, er sagt über die Stuttgarter: „Die sind eine große Nummer mittlerweile.“ Verzichten müssen die Bayern dabei auf die noch angeschlagenen Jamal Musiala und Hiroki Ito, den früheren Stuttgarter.

Stuttgarts Torjäger Ermedin Demirovic müssen die Bayern in den Griff bekommen.
Stuttgarts Torjäger Ermedin Demirovic müssen die Bayern in den Griff bekommen. © dpa | Jan-Philipp Strobel

Umso bestärkender wäre es für die Bayern im zweiten Teil ihrer Prüfungsphase, den starken Gegner VfB mit dem attraktiven Kompany-Stil zu besiegen. Die Begeisterung über die sehenswerte und äußerst druckvolle Spielweise ist groß im Verein. „Ich bin sportlich sehr zufrieden, weil wir zu einer positiven Kultur zurückgefunden haben, die einfach Spaß macht“, sagte der langjährige Vorstandsvorsitzende und heutige Aufsichtsrat Karl-Heinz Rummenigge im Magazin kicker, „dieses hohe Pressing gefällt mir. Es erinnert mich an die Zeiten unter Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti oder Hansi Flick, als wir diese Art ‚Spaß-Fußball‘ zelebriert haben.“

Damals habe man die erfolgreichste Zeit erlebt. Zugleich verstehe er die jüngste Kritik nach den drei nicht gewonnenen Spielen. Grundlegende Zweifel hält er aber nicht für angebracht. Rummenigges Empfehlung: „Wir sind gut beraten, dass wir dem Trainer bloß nicht reinreden, er müsse etwas in der Defensive korrigieren. Denn das, was ich in Frankfurt gesehen habe, habe ich vermutlich lange Zeit in dieser Qualität nicht gesehen.“