Birmingham. Der FC Bayern hat in der Champions League die erste Saisonniederlage kassiert. Warum an Kompanys offensivem Stil trotzdem keiner zweifelt.

Hinterher stand die kurz unsortierte Abwehr sofort wieder, ob während der Spielerinterviews oder später bei der Bankettrede des Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen. Zweifel am Draufgängerstil des FC Bayern unter Vincent Kompany wurden umgehend und fast trotzig zurückgewiesen. Das 0:1 (0:0) bei Aston Villa am zweiten Spieltag der Champions League hatte zwar die Fallstricke und Tücken der sehr offensiven Vorgehensweise verdeutlicht. Die erste Niederlage unter dem neuen Trainer wurde von den Münchenern aber als Ausrutscher gewertet, durch den der grundsätzliche Kurs vorm nächsten Spitzenspiel am Sonntag in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt (17.30 Uhr/DAZN) nicht in Frage zu stellen sei.

„Jeder, der nach dem Spiel in der Kabine saß, glaubt weiterhin an die Art und Weise, wie wir Fußball spielen und an den Weg, den wir bisher gegangen sind“, sagte Mittelfeldspieler Joshua Kimmich im Brustton der Überzeugung. Dreesen wandte sich in seiner Ansprache zu später Stunde sogar direkt an Kompany. „Wir sind froh, dass du bei uns bist. Wir sind froh über die Art, wie wir wieder Fußball spielen“, sagte der CEO zum 38 Jahre alten Belgier, der nach dem furiosen Saisonstart mit sechs Siegen und 29 Toren nun mit den Bayern im achten Spiel erstmals verloren hatte. Für die Münchener war es sogar die erste Niederlage in einer Vorrunde der Champions League nach sieben Jahren oder 41 Spielen.

Bayern-Coach Kompany bemängelt fehlendes Topniveau

Auch Kompany wehrte sich gegen übergeordnete Rückschlüsse nach dem 1:1 gegen Leverkusen und der nun anschließenden Niederlage. „Wir sind weit davon entfernt, das als Trend zu sehen. Wenn wir weiter so spielen, werden wir viele Spiele gewinnen“, sagte er, „ich habe totales Vertrauen, dass unsere Mannschaft viele Tore machen wird in dieser Saison.“ Wichtig aber sei, dass man im Gegenpressing nicht diesen einen Schritt zu spät komme, so wie phasenweise im Villa Park von Birmingham. „Wir wünschen uns, dass wir jede Minute, die ganze Saison, immer das gleiche Niveau haben“, sagte Kompany und fügte vorsichtshalber hinzu: „Das heißt Topniveau, und das war es heute nicht.“

Auch Bayern-Stürmer Harry Kane (3. von links) gelang an diesem Champions-League-Abend in Birmingham kein Treffer.
Auch Bayern-Stürmer Harry Kane (3. von links) gelang an diesem Champions-League-Abend in Birmingham kein Treffer. © Getty Images | Michael Steele

Weil dieser maximale Anspruch am Mittwochabend nicht erfüllt wurde, hatte Villa einen seiner Konter nutzen können, um das Siegtor durch Jhon Duran zu erzielen (79.). Einen langen Pass von Abwehrspieler Pau Torres schoss der eingewechselte Stürmer im Laufduell mit dem schon verwarnten Dayot Upamecano über Manuel Neuer hinweg ins Tor. Dabei profitierte Duran davon, dass Neuer nicht rechtzeitig in sein Tor zurückgeeilt war. Neuer habe „einen Schritt nach vorne gemacht, dann stand er irgendwo so ein bisschen halb“, analysierte Sportvorstand Max Eberl. „Das ist unser Spiel, was auch gefordert wird“, sagte Neuer zur hochstehenden Abwehr und seinem Nebenjob als Libero, „so ein Treffer gehört zum kalkulierten Risiko dazu.“ Beschert hatten die Bayern den Heimfans damit Momente der Ekstase, weil ihre Mannschaft erneut einen 1:0-Erfolg gegen überlegene Münchener vollbrachte, wie schon beim größten Vereinserfolg 1982 im Europapokalfinale der Landesmeister. Für Villas Trainer Unai Emery war es sogar schon der dritte Coup gegen die Bayern nach 2022 mit dem FC Villarreal und 2017 mit Paris Saint-Germain.

Bayern: Trotz Überlegenheit zu wenige Chancen

Zurück blieben erneut enttäuschte Münchener. Doch anders als vor 42 Jahren mussten sie nun nicht beklagen, reihenweise Chancen vergeben zu haben. Diesmal hatten sie sich trotz ihrer Überlegenheit nur wenige Möglichkeiten erspielt. Das war eine Parallele zum 1:1 gegen Leverkusen, und auch diesmal hing Harry Kane meist in der Luft. Erst in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit kam der Angreifer zu zwei Abschlüssen.

Großer Jubel in Birmingham: Die Spieler von Aston Villa jubeln nach dem Sieg über die Bayern.
Großer Jubel in Birmingham: Die Spieler von Aston Villa jubeln nach dem Sieg über die Bayern. © Getty Images | Michael Steele

Dass den Bayern die Zuspitzung zuletzt schwerfiel, ist der eine Befund. Ein anderer sind die Tücken, die der Draufgängerstil für die letzte Reihe beinhaltet. Schon vor dem Gegentor hatte es Situationen gegeben, in denen Upamecano in Zweikämpfen einen Platzverweis riskieren musste. Zudem zeigte sich bei Villa, dass Kompanys Stil stets die volle Konzentration erfordert und damit auch mental sehr anstrengend ist. „Wir müssen daraus lernen: Mit ein bisschen weniger kannst du solche Spiele auf dem Niveau nicht gewinnen“, befand Eberl und fügte hinzu: „Ich sage nicht, dass wir schlecht waren“, aber gefehlt hätten „diese allerletzten Prozente, die wir brauchen, um den Gegner dominant zu beherrschen“. Die Frage, ob die Niederlage auch hilfreich sei, um die Euphorie nicht zu groß werden zu lassen, führte zu einer besonders hübschen Antwort. Eberl sagte: „Wir hatten eine absolut kontrollierte Euphorie.“