Hagen/Iserlohn/Meschede/Soest/Lüdenscheid. Aufbruchstimmung: Warum sich die Fachhochschule Südwestfalen nach dem Eklat um die gescheiterte Rektorinnenwahl in einer Lernkurve befindet.

Die Stellenausschreibung ist seit einigen Tagen veröffentlicht. Im zweiten Anlauf sucht die Fachhochschule Südwestfalen einen neuen Rektor, am liebsten eine Rektorin. Das ist kein gewöhnlicher Vorgang. Denn die Hochschule machte erst vor einigen Monaten Schlagzeilen, nachdem sie eine neue Rektorin zuerst wählte und dann mit großer Mehrheit wieder abwählte, bevor sie überhaupt offiziell ernannt worden war. Wird im zweiten Anlauf alles besser? Insider sprechen von Aufbruchstimmung in Hagen, Iserlohn, Meschede, Soest und Lüdenscheid.

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„Wir haben daraus unsere Lehren gezogen“, resümiert Hochschulsprecher Christian Klett. „Die Neuwahl soll ein sehr transparenter Prozess werden. Alle Gremien werden angehört zu ihren Anforderungen an eine Rektorin oder einen Rektor. Man sieht schon im Ausschreibungstext, dass die Findungskommission andere Vorgaben macht.“

Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen stehen im Zentrum der aktuellen Ausschreibung, die unter anderem in der „Zeit“ veröffentlicht wurde. Erwartet wird ein partizipativer Führungsstil. Über solche Fähigkeiten kam es offenbar zum Bruch mit der designierten ehemaligen Rektorin Dr. Ulrike Senger, die im Herbst 2022 mit großer Mehrheit gewählt und nach einem halben Jahr mit großer Mehrheit wieder abgewählt wurde, noch bevor sie offiziell ernannt werden konnte. Der amtierende Rektor Prof. Dr.-Ing. Claus Schuster tritt nicht wieder an. Die Findungskommission sucht derzeit ebenfalls nach einem neuen Hochschulkanzler.

Es wird intensiv miteinander kommuniziert. Das ist der Punkt, den das Drama bewirkt hat. Man spricht viel intensiver miteinander.
Christian Klett

Bei ihrem Abgang übte Ulrike Senger gegenüber der Hochschule schwere Kritik, unter anderem mit Bezug auf die fünf Standorte Hagen, Iserlohn, Meschede, Soest und Lüdenscheid. Die Standorte sollten zu einer Hochschule als Ganzes zusammengeführt werden, plädierte Ulrike Senger damals im Interview mit unserer Redaktion. Ein schwieriges Thema, denn die Aufteilung auf unterschiedliche Standorte in der Region spiegelt den Gründungsgedanken der Fachhochschule Südwestfalen und ist so in Paragraph 1 des Hochschulgesetzes NRW explizit verankert. Aus Kreisen der Hochschule heißt es, dass die damalige neue Frau Dinge mit Macht habe durchdrücken wollen, die mit dem Hochschulgesetz nicht in Einklang ständen und auf entsprechende Hinweise brüsk reagiert habe.

Forschung für eine nachhaltige Zukunft. Mitarbeitende der Fachhochschule Südwestfalen Standort Soest forschen auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei Hansa in Dortmund an einem Aquaponiksystem zur kombinierten Fisch- und Pflanzenproduktion. Im Bild sind die Gewächshäuser zu sehen.
Forschung für eine nachhaltige Zukunft. Mitarbeitende der Fachhochschule Südwestfalen Standort Soest forschen auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei Hansa in Dortmund an einem Aquaponiksystem zur kombinierten Fisch- und Pflanzenproduktion. Im Bild sind die Gewächshäuser zu sehen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Allerdings wollen und müssen sich die Standorte in Zukunft anders aufstellen. Denn wie alle Hochschulen in Deutschland gehen auch in Südwestfalen die Studierendenzahlen zurück. Derzeit hat die FHSW rund 11.000 Studierende, angefangen hat man mit 4000, in den starken Jahren 2014/2015 waren es 14.000. „Wir befinden uns in einem Strategieprozess“, sagt Christian Klett. „In diesem Strategieprozess ist Führung notwendig, aber die neue Rektorin oder der neue Rektor muss in der Lage sein, die Leute mitzunehmen.“ Bereits jetzt werde intensiv über eine standort- und fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit diskutiert. „Diese Notwendigkeit ist allen bewusst, es gibt jetzt viel Kommunikation. Es geht darum, Lehrformen zu entwickeln, mit denen wir Angebote an allen Standorten anbieten können. Zu dem Thema haben wir aus der Corona-Pandemie einiges mitgenommen, und solche Überlegungen wird man auch mit dem neuen Rektor oder der neuen Rektorin treffen.“

Digitale Transormation

Während die Studierendenzahlen demographisch bedingt sinken, wachsen und verändern sich die Aufgaben. Das Interesse an den klassischen Ingenieursstudiengängen lässt deutschlandweit nach, ist an der FH Südwestfalen aber noch vergleichsweise hoch. Die stärksten Fächer sind BWL, Informatik und Maschinenbau. Dazu kommen neue Studiengänge und Forschungsprojekte, welche die digitale Transformation der Arbeitswelt in den Blick nehmen, zum Beispiel Wirtschaftspsychologie oder das „Mittelstand-Digital-Zentrum Ländliche Regionen“ unter der Führung der Uni Siegen. Es ist in Meschede beim Fachbereich Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften angesiedelt. Die Hochschule muss und will zudem jünger und weiblicher werden, aktuell sind nur 43 der insgesamt 177 Professoren Frauen, also gerade einmal 24,3 Prozent.

Ausschreibung läuft noch

Finanziell sieht sich die Fachhochschule beruhigend aufgestellt. „Bei einem Haushaltsvolumen von 76 Millionen Euro betragen die Rücklagen über 100 Millionen Euro“, so Klett. Allerdings verändern sich die Kostenstrukturen, zum Beispiel durch höhere Energiepreise. „Es gibt viele Baustellen“, bilanziert Klett entsprechend die Herausforderungen für die neue Rektorin oder den neuen Rektor. „Die Kombination von digitaler und Präsenz-Lehre, die Verankerung von Nachhaltigkeitsgedanken, die Informationssicherheit und die digitale Transformation insgesamt.“

Die Stellenausschreibung läuft bis zum 31. Januar. Danach berät die Findungskommission die Bewerbungen und schlägt der Hochschulwahlversammlung einen Kandidaten oder eine Kandidatin vor. Klett: „Es wird intensiv miteinander kommuniziert. Das ist der Punkt, den das Drama bewirkt hat. Man spricht viel intensiver miteinander.“