Hagen/Werl. Der Borkenkäfer ist weg, das Holz aber auch - mit Folgen für die Branche: Die Waldbauern wünschen sich Unterstützung von der Politik.
Es herrscht Frust im Forst. Wenn an diesem Mittwoch der NRW-Waldbauerntag in Werl über die Bühne geht, dann können die Anwesenden einen Motivationsschub gut gebrauchen. Seit Jahren kämpfen die Waldbesitzer mit den Folgen von Stürmen, Dürre und Borkenkäferbefall, nun sind sie auch emotional erschöpft. Das Schadholz ist zwar mittlerweile aus den Wäldern geschafft, aber der neue Rohstoff lässt sich Zeit beim Nachwachsen. Jahrzehnte. Von der Politik erwarten die Waldbauern nun vor allem Zuverlässigkeit und Planungssicherheit. Sie suchen einen Mutmacher.
Oder eine Mutmacherin. Dass der Verband in diesem Jahr nicht Landwirtschafts- und Forstministerin Silke Gorißen (CDU) zum traditionsreichen Branchentreffen nach Werl eingeladen hat, spricht Bände. Von Gorißen, die zu den unauffälligen Ressortchefs im Kabinett Wüst zählt, gingen zu wenige Impulse aus, heißt es. Nun nimmt sich Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur gut eine Stunde Zeit für die Waldbauern. Die erwarten allerdings, dass die grüne Politikerin nicht nur über Windenergieanlagen auf Borkenkäfer-Flächen spricht, auch wenn das ihr Vortragsthema ist. Sondern über die Lage insgesamt. In NRW gibt es rund 150.000 private Waldbesitzer mit zum Teil relativ kleinen Flächen. Die können nicht alle ein Windrad aufstellen, um über die Runden zu kommen. Ihnen fehlt der Platz - oder der Wind.
Wald als Klimaschützer und Wirtschaftsfaktor
Wald ist Klimaschützer, aber eben auch Wirtschaftsfaktor. Im Cluster Forst & Holz sind in NRW etwa 200.000 Menschen in 16.500 Betrieben mit einem Umsatz von 41,6 Mrd. Euro beschäftigt. Zunehmend leiden nun auch nachgelagerte Branchen unter der Holzknappheit. Gleich mehrere Sägewerke im Sauerland müssen demnächst schließen oder haben das schon getan. Zwei Betriebe sind in Meschede betroffen, wie ein Fachmedium meldet. Ende dieses Jahres stellt Fabri Holz in Grevenstein mit rund 20 Mitarbeitern den Betrieb ein. Schon seit Ende August steht bei Theodor Schulte in Meschede-Drasenbeck die Säge still (25 Mitarbeiter). Beide Betriebe, die sich auf unsere Anfrage nicht öffentlich äußern wollten, waren über mehrere Jahrzehnte am Markt, nun leiden sie unter gesunkenen Margen und einer unzureichenden Rundholzversorgung in der Region. Holz aus anderen Teilen Deutschlands oder gar im Ausland einzukaufen, ist unwirtschaftlich.
Das gilt bundesweit für die gesamte Branche. Weil aber in NRW, und dort vor allem in Südwestfalen, der Borkenkäfer am meisten Unheil angerichtet hat, wird dort nun der Rohstoff für die Sägewerke besonders knapp. Die Krise im Bausektor verschlechtert die Aussichten. Zudem kämpft die Branche mit hohen Energiekosten und mit Personalmangel. „Nirgends ist die Baukrise so groß wie in Deutschland“, sagte Stephan Lang, Präsident des Bundesverbandes Deutsche Säge-und Holzindustrie (DESH), der gestern eine Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen vorstellte. Tenor: Bereits 40 Prozent der Betriebe verzeichneten eine schlechte Geschäftslage – und Besserungsei nicht in Sicht.
Bürokratie zwingt die Branche in die Knie
Zudem sehen sich Sägewerke und Waldbauern mit einer wachsenden Bürokratie konfrontiert. So will etwa die EU-Kommission schon im kommenden Jahr für große Unternehmen das Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten in kraft setzen. Für kleine und mittlere Firmen sollen die Regeln demnach ab dem 30. Juni kommenden Jahres gelten. Das Gesetz sieht - grob gesagt - vor, dass nur noch Holz auf den Markt gebracht werden darf, dass nicht mit Entwaldung in Verbindung steht. Allerdings hat die Kommission ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Es fehlen wichtige Umsetzungselemente wie die Einstufung Deutschlands als Land mit geringem Entwaldungsrisiko. Das würde die Nachweispflichten deutlich erleichtern. 93 Prozent der vom Verband befragten Betriebe sehen sich derzeit nicht in der Lage, das Gesetz umzusetzen. Die Unsicherheit ist groß, vor allem bei Waldbesitzern im Nebenerwerb. „Das wird zu einem geringeren Holzaufkommen führen“, sagte DESH-Chef Stephan Lang.
Die Waldbauern in NRW werfen der Bundes- und Landesregierung vor, dass sie im Wald die Prioritäten verschieben: weg von Bäumen als Broterwerb, hin zur Funktion als Klimaschützer. Vor allem die von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) geplante Änderung des Bundeswaldgesetzes stößt auf Ablehnung. Sie enthalte keine Lösungsansätze zur Entbürokratisierung der Waldbewirtschaftung und setze vielmehr den Kurs fort, in das Eigentum einzugreifen und die Bewirtschaftung einzuschränken.
Weniger Wald, weniger Klimaschutz
Als Klimaschutzministerin muss Mona Neubaur aber auch folgendes Thema auf dem Zettel haben: Nordrhein-Westfalen möchte 2045, also schon in gut 20 Jahren, klimaneutral wirtschaften. Dabei spielt der Wald eine große Rolle. Einer wissenschaftlichen Studie zufolge werden allein in NRW jährlich 18 Millionen Tonnen CO2 weniger ausgestoßen, weil der Wald Kohlenstoff speichert und Holz andere, kliamschädlichere Materialien und Energieträger ersetzt.. Das sind rund sechs Prozent der jährlichen CO2-Emissionen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Allerdings sind die Grundlagen dieser Berechnung veraltet, stammen die Zahlen doch aus Zeiten, in denen es dem Wald noch besser ging. Nun aber haben Borkenkäfer und Dürre mehr als 140.000 Hektar Wald in NRW dahingerafft. Vor allem die schnellwachsende Fichte hat sich als nicht klimaresistent erwiesen. Unter dem Strich verliert der Wald also an CO2-Bindungskraft, sechs Prozent sind für mehrere Jahrzehnte kaum noch drin. Sollte NRW an seinen Klimazielen festhalten, müssen andere Sektoren mehr leisten.